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Sie stieß ein leises »Hmp« aus und legte ihre Arme auf die seinen, sodass sie ihn durch sein Hemd hindurch wärmte.

»Ich habe das Gefühl, als hätte ich sie schon einmal gesehen«, sagte sie und klang ein wenig überrascht. »Obwohl eine Höhle der anderen wahrscheinlich sehr gleicht. Es sei denn, es hängen Stalaktiten von der Decke, oder die Wände sind mit Mammuts bemalt.«

»Ich habe noch nie Talent dafür gehabt, einen Raum zu schmücken«, sagte er, und wieder stieß sie ein belustigtes »Hmp« aus. »Und was meine Zeit hier angeht … Du bist viele Nächte lang bei mir gewesen, Sassenach. Du ebenso wie die Kleine.« Obwohl ich ja nicht wusste, dass es ein Mädchen ist, fügte er schweigend hinzu. Er erinnerte sich mit einem kleinen Stich daran, wie er hin und wieder auf dem flachen Felsen neben dem Eingang gesessen und sich manchmal die Wärme einer Tochter in seinen Armen vorgestellt hatte. Hin und wieder hatte er aber auch einen kleinen Sohn auf den Knien gespürt, dem er zeigte, wie man sich an den Sternen orientierte, oder ihm erklärte, wie man bei der Jagd vorging und welches Gebet man sprechen musste, wenn man ein Tier tötete, um es zu essen.

Doch all diese Dinge hatte er Brianna später selbst erzählt – und Jem. Das Wissen würde nicht verloren gehen. Doch würde es ihnen auch nützen?, fragte er sich plötzlich.

»Gehen die Leute eigentlich noch auf die Jagd?«, fragte er. »Dann?«

»O ja«, versicherte sie ihm. »Jeden Herbst sind scharenweise Jäger ins Krankenhaus gekommen – zum Großteil Idioten, die sich betrinken und sich aus Versehen selbst anschießen, obwohl ich auch einmal einen Patienten hatte, der heftig von einem Hirsch getreten worden war, den er für tot gehalten hatte.«

Er lachte, schockiert und getröstet zugleich. Die Vorstellung zu jagen, wenn man betrunken war … Obwohl er schon Dummköpfe gesehen hatte, die das getan hatten. Doch immerhin ging man noch auf die Jagd. Jem würde auf die Jagd gehen.

»Ich bin mir sicher, dass Roger Mac nicht zulassen würde, dass Jem zu viel trinkt, bevor er auf die Jagd geht«, sagte er. »Auch wenn die anderen Jungen es tun.«

Ihr Kopf neigte sich hin und her, so wie er es immer tat, wenn sie sich fragte, ob sie ihm etwas erzählen sollte oder nicht, und er legte die Arme ein wenig fester um sie.

»Was?«

»Ich habe mir gerade vorgestellt, wie jemand der zweiten Klasse einen Whisky verabreicht, bevor die Kinder im Regen nach Hause gehen«, sagte sie mit einem kleinen Prustlaut. »Kinder trinken in dieser Zeit keinen Alkohol – überhaupt nicht. Zumindest sollen sie es nicht, und es gilt als skandalöse Vernachlässigung, wenn ihre Eltern es zulassen.«

»Aye?« Das erschien ihm merkwürdig; er hatte Ale zum Essen getrunken, seit … nun, seit er denken konnte. Und mit Sicherheit einen Schluck Whisky, wenn er erkältet war oder Bauchschmerzen hatte oder Ohrenschmerzen … Doch es stimmte, dass Brianna Jem Milch gegeben hatte, selbst als er den Strampelhosen bereits entwachsen war.

Steineklappern auf dem Hang unter ihnen schreckte ihn auf, und er ließ Claire los und wandte sich dem Eingang zu. Er bezweifelte zwar, dass er sich Sorgen machen musste, doch er bat sie dennoch mit einer Geste zu bleiben, zog sich aus der Höhle ins Freie und griff nach seinem Rock und dem Messer in der Tasche, bevor er prüfte, wer es war.

Er entdeckte eine Frau, eine hochgewachsene Gestalt in Umhang und Schultertuch, unten bei dem großen Felsen, an dem Fergus seine Hand verloren hatte. Doch sie hatte den Blick bergauf gerichtet und sah ihn aus der Höhle kommen. Sie grüßte ihn und winkte ihn zu sich, und nachdem er sich mit einem raschen Blick vergewissert hatte, dass sie allein war, stieg er über den Hang hinunter auf den Pfad, wo sie wartete.

»Feasgar math«, begrüßte er sie und schlüpfte in seinen Rock. Sie war ziemlich jung, vielleicht Anfang zwanzig, doch er kannte sie nicht. Das dachte er zumindest, bis sie zu sprechen begann.

»Ciamar a tha thu, mo athair«, sagte sie formell. Wie geht es dir, Vater?

Er blinzelte verblüfft, doch dann beugte er sich vor und musterte sie.

»Joanie?«, fragte er ungläubig. »Die kleine Joanie?« Ein Lächeln breitete sich bei diesen Worten über ihr langes, ernstes Gesicht, doch es war nur von kurzer Dauer.

»Dann kennst du mich noch?«

»Aye, natürlich, jetzt, da ich dich aus der Nähe sehe –« Er streckte die Hand aus und hätte sie gern umarmt, doch sie blieb reglos stehen, wo sie war, und er ließ die Hand wieder sinken und räusperte sich, um den Moment zu überspielen. »Es ist lange her. Du bist gewachsen«, fügte er verlegen hinzu.

»Das haben Kinder so an sich«, gab sie trocken zurück. »Ist es deine Frau, die du bei dir hast? Deine erste Frau, meine ich?«

»Ja«, sagte er, und der Schreck über ihr Auftauchen wich dem Argwohn. Rasch ließ er den Blick über sie hinwegschweifen, für den Fall, dass sie bewaffnet war, doch er konnte es nicht sagen; sie hatte zum Schutz gegen den Wind ihren Umhang um sich gelegt.

»Vielleicht könntest du sie ja zu uns rufen«, schlug Joan vor. »Ich würde sie gern kennenlernen.«

Das bezweifelte er zwar, doch sie machte einen gefassten Eindruck, und er konnte es ihr kaum verwehren, Claire kennenzulernen, wenn sie es wollte. Claire beobachtete sie gewiss; er wandte sich der Höhle zu, winkte sie herbei und wandte sich erneut zu Joan um.

»Wie kommt es, dass du hier bist?«, fragte er sie. Von hier bis Balriggan waren es gute acht Meilen, und in der Nähe der Höhle gab es nichts von Interesse.

»Ich war unterwegs nach Lallybroch, um dich zu sehen – ich war leider nicht da, als du bei uns warst«, fügte sie hinzu, und etwas, das an Belustigung erinnerte, blitzte in ihren Augen auf. »Aber ich habe dich und … deine Frau … gehen sehen, also bin ich euch gefolgt.«

Es freute ihn natürlich, dass sie ihn sehen wollte. Gleichzeitig war er vorsichtig. Es waren zwölf Jahre vergangen, und sie war noch ein Kind gewesen, als er ging. Und sie hatte diese Jahre bei Laoghaire verbracht, wo sie gewiss nichts Gutes über ihn gehört hatte.

Er sah ihr suchend ins Gesicht, fand aber nur vage Spuren des Kindergesichtes, das er in Erinnerung hatte. Sie war weder hübsch, geschweige denn schön. Doch sie strahlte eine gewisse Würde aus, die er anziehend fand; sie sah ihm direkt in die Augen, und es schien sie nicht zu interessieren, was er von ihr hielt. Ihre Augen und ihre Nase waren geformt wie bei Laoghaire, aber ansonsten hatte sie nicht viel von ihrer Mutter – stattdessen war sie hochgewachsen, dunkelhaarig und grobknochig mit einem langen, schmalen Gesicht und einem Mund, der es nicht gewohnt war, oft zu lächeln, dachte er.

Er hörte, wie Claire hinter ihm den Hang herunterkam, und wandte sich ab, um ihr zu helfen, obwohl er Joanie vorsichtshalber im Auge behielt.

»Keine Sorge«, sagte Joan ruhig hinter ihm. »Ich habe nicht vor, auf sie zu schießen.«

»Och? Nun, dann ist es ja gut.« Beunruhigt versuchte er, sich zu erinnern – war sie im Haus gewesen, als Laoghaire auf ihn geschossen hatte? Er glaubte es nicht, hatte allerdings auch nicht darauf geachtet. Doch mit Sicherheit hatte sie davon gehört.

Claire nahm seine Hand und hüpfte auf den Pfad hinunter. Dort hielt sie nicht inne, um sich zu fassen, sondern trat lächelnd vor und nahm Joans Hände in die ihren.

»Es freut mich, dich kennenzulernen«, sagte sie, und es klang, als sei es ihr ernst. »Marsali sagt, ich soll dir das hier geben.« Damit beugte sie sich vor und küsste Joan auf die Stirn.

Zum ersten Mal erlebte er, dass die junge Frau verblüfft reagierte. Sie errötete und zog ihre Hände fort, dann wandte sie sich ab und rieb sich die Nase mit einer Falte ihres Umhangs, als ob sie juckte – damit niemand sah, wie ihr das Wasser in die Augen stieg.

»Ich – danke«, sagte sie und betupfte sich hastig die Augen. »Du – meine Schwester hat von dir geschrieben.« Sie räusperte sich und blinzelte, dann betrachtete sie Claire mit unverhohlener Neugier – einer Neugier, die auf Gegenseitigkeit beruhte.