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Ich habe Todesangst, dass Henri-Christian eines Nachts aufhört zu atmen und es niemand rechtzeitig merkt, um ihn zu retten. Wir halten abwechselnd Wache an seinem Bett, um dafür zu sorgen, dass sein Kopf genau richtig liegen bleibt, und ihn zu wecken, wenn er aufhört zu atmen, doch ich weiß nicht, wie lange wir das noch durchhalten können. Fergus ist von seiner Arbeit erschöpft und ich von der Arbeit im Haus (außerdem helfe ich in der Druckerei, genau wie Germain. Die kleinen Mädchen sind mir eine große Hilfe im Haus, die guten Seelen, und sie möchten so gern für ihren kleinen Bruder sorgen – aber wir können sie nicht nachts allein bei ihm sitzen lassen).

Ich habe einen Arzt gebeten, sich Henri-Christian anzusehen. Er pflichtet uns bei, dass wahrscheinlich die Mandeln an den Atemstörungen schuld sind, und er hat den Kleinen zur Ader gelassen und ihm Medizin gegeben, um sie schrumpfen zu lassen, doch dies hat nichts genützt, und Henri-Christian musste sich nur übergeben und weinen. Mutter Claire – verzeih mir, wenn ich sie Dir gegenüber erwähne, denn ich kenne Deine Gefühle, doch ich muss es tun – hat gesagt, es könnte irgendwann notwendig werden, Henri-Christians Mandeln zu entfernen, um ihm das Atmen zu erleichtern, und dieser Punkt ist nun eindeutig erreicht. Sie hat dies vor einer Weile in Fraser’s Ridge für die Beardsley-Zwillinge getan, und es gibt sonst niemanden, dem ich es zutraue, eine solche Operation bei Henri-Christian zu wagen.

Würdest Du zu ihr gehen, Mama? Ich glaube, dass sie jetzt in Lallybroch ist, und ich werde ihr dorthin schreiben und sie bitten, so bald wie möglich nach Philadelphia zu kommen. Doch ich habe Angst, dass ich nicht in der Lage sein werde, ihr den Schrecken unserer Lage zu verdeutlichen.

Weil Du mich liebst, Mama, bitte geh zu ihr, und bitte sie, so schnell wie möglich zu kommen.

Deine Dich liebende Tochter

Marsali

Ich legte den Brief hin. Ich habe Angst, dass ich nicht in der Lage sein werde, ihr den Schrecken unserer Lage zu verdeutlichen. Doch, das war ihr ganz gut gelungen.

Schlafapnoe nannte man sie, die Angewohnheit, im Schlaf plötzlich das Atmen einzustellen. Sie war weitverbreitet – und noch verbreiteter bei einigen Formen des Zwergenwuchses, bei denen die Atemwege durch Skelettanomalien behindert wurden. Die meisten Menschen, die daran litten, erwachten panisch von selbst und atmeten dann schnarchend weiter. Doch die vergrößerten Polypen und Mandeln, die ihm die Kehle zuschnürten – wahrscheinlich ein erbliches Problem, dachte ich geistesabwesend, weil es mir sowohl bei Germain als auch in geringerem Maße bei den Mädchen aufgefallen war –, würden seine Schwierigkeiten noch vergrößern. Denn selbst wenn der Reflex, der einen Menschen bei Sauerstoffmangel zum Atmen treibt, verspätet einsetzte, war Henri-Christian dann wahrscheinlich nicht zu dem notwendigen tiefen Atemzug in der Lage, der ihn wecken würde.

Die Vorstellung, wie sich Marsali und Fergus – und vermutlich dazu Germain – dabei abwechselten, in ihrem dunklen Haus über den Schlaf des kleinen Jungen zu wachen, in der kühlen Dunkelheit vielleicht selbst hin und wieder einnickten, um dann erschrocken aufzufahren, voller Angst, er könnte sich im Schlaf bewegt und das Atmen eingestellt haben … Die Angst hatte unter meinen Rippen bereits einen Knoten gebildet, während ich den Brief las.

Laoghaires blaue Augen waren unter der Haube unverwandt auf mich gerichtet. Ausnahmsweise fehlten die Wut, die Hysterie und der Argwohn, mit denen sie mich sonst betrachtete.

»Wenn Ihr geht«, sagte sie und schluckte, »verzichte ich auf das Geld.«

Ich starrte sie an.

»Ihr glaubt, dass ich –«, begann ich ungläubig, doch dann hielt ich inne. Nun, ja, sie schien tatsächlich zu glauben, dass man mich bestechen musste. Sie glaubte, dass ich Jamie nach der Schlacht von Culloden im Stich gelassen hatte und erst zurückgekehrt war, als er es wieder zu einigem Besitz gebracht hatte. Ich kämpfte mit dem Drang zu versuchen, ihr zu erklären … Doch das war zwecklos, und darum ging es hier auch gar nicht. Die Situation war so klar und scharf wie zerbrochenes Glas.

Sie beugte sich abrupt vor, und ihre Hände pressten sich so fest auf den Schreibtisch, dass ihre Fingernägel weiß wurden.

»Bitte«, sagte sie. »Bitte.«

Ich war mir diverser widersprüchlicher Bedürfnisse bewusst: einerseits, sie zu ohrfeigen, und andererseits, meine Hand mitfühlend auf die ihre zu legen. Ich kämpfte beides nieder und zwang mich, einen Moment ruhig zu überlegen.

Natürlich würde ich gehen; ich musste es tun. Das hatte gar nichts mit Laoghaire oder den Dingen zu tun, die zwischen uns standen. Wenn ich nicht ging und Henri-Christian starb – was gut möglich war –, würde ich nie wieder in den Spiegel blicken können. Wenn ich rechtzeitig kam, konnte ich ihn retten; niemand anders konnte das. So einfach war das.

Das Herz wurde mir furchtbar schwer bei dem Gedanken, jetzt aus Lallybroch abzureisen; wie konnte ich das tun, während ich doch wusste, dass ich Ian zum letzten Mal sah, dass ich sie vielleicht alle – und den Hof selbst – zum letzten Mal sah? Doch noch während ich das dachte, begriff der Teil meines Verstandes, der der Ärztin gehörte, bereits die dringende Notwendigkeit und begann mit den Planungen für die schnellstmögliche Reise nach Philadelphia, mit den Überlegungen, wie ich mir dort das Nötige besorgen konnte, legte sich die möglichen Hindernisse und Komplikationen zurecht – die gesamte praktische Analyse der möglichen Bewerkstelligung dessen, was mir so unvermittelt abverlangt wurde.

Und während mein Verstand all diese Dinge abhakte und mit gnadenloser Logik den Schock überwand und die Gefühle niederrang, begann mir zu dämmern, dass diese plötzliche Katastrophe auch andere Seiten haben könnte.

Laoghaire wartete, den Blick fest auf mich geheftet, die Lippen aufeinandergepresst, während sie mich beschwor, es zu tun.

»Also gut«, sagte ich und lehnte mich zurück, um sie meinerseits unverblümt anzusehen. »Schließen wir also eine Abmachung, ja?«

»Und so«, sagte ich, und mein Blick folgte dem Flug eines Graureihers, der den See überquerte, »haben wir einen Handel geschlossen. Ich fahre so schnell wie möglich nach Philadelphia, um mich um Henri-Christian zu kümmern. Sie wird Joey heiraten, auf den Unterhalt verzichten – und es Joan erlauben, ins Kloster zu gehen. Obwohl wir uns das für alle Fälle wohl besser schriftlich geben lassen sollten.«

Jamie starrte mich sprachlos an. Wir saßen im hohen Gras am Ufer des Sees, wohin ich ihn geführt hatte, um ihm zu erzählen, was geschehen war – und was geschehen würde.

»Sie – Laoghaire – hat Joans Mitgift nicht angerührt; Joan wird mit dem Geld reisen und dem Konvent beitreten können«, fügte ich hinzu. Ich holte tief Luft und versuchte, meine Stimme weiter normal klingen zu lassen. »Ich denke, dass – nun, Michael wird in ein paar Tagen gehen. Joan und ich könnten ihn nach Frankreich begleiten; ich könnte von dort mit einem französischen Schiff fahren, und er könnte dafür sorgen, dass sie ihren Konvent sicher erreicht.«

»Du –«, begann er, und ich streckte den Arm aus, um ihm die Hand zu drücken und ihn zum Schweigen zu bringen.

»Du kannst jetzt nicht fort, Jamie«, sagte ich leise. »Ich weiß, dass du das nicht kannst.«