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»Sechstens – und letztens –, dass ein gewisser James Alexander Gordon Fraser Murray von Lallybroch der Treuhänder dieses Vermögens sein soll. Sind diese Bedingungen akzeptabel, Sir?«

»Ja«, sagte Jamie entschlossen und erhob sich. »Bitte setzt es so auf, Mr Gowan – und wenn niemand etwas dagegen hat, gehe ich jetzt einen Schluck trinken. Vielleicht auch zwei.«

Mr Gowan verschloss sein Tintenfass. Legte seine Notizen zu einem ordentlichen Stapel zusammen und erhob sich ebenfalls, wenn auch langsamer.

»Ich trinke einen mit, Jamie. Ich möchte alles über diesen Krieg in Amerika hören. Er klingt nach einem großen Abenteuer!«

Kapitel 83

Schäfchenzählen

Je knapper die Zeit wurde, desto schlechter konnte Ian schlafen. Der Drang zu gehen, Rachel zu finden, brannte so sehr in ihm, dass er ständig heiße Kohlen in seiner Magengrube spürte. Tante Claire sagte zwar, es käme davon, dass sein Magen das Essen nicht bei sich behalten wollte – doch er konnte kaum essen.

Er verbrachte die Tage mit seinem Vater, soweit er konnte. Wenn er in der Ecke des Gutsherrnzimmers saß und zusah, wie sein Vater und sein älterer Bruder die Verwaltung Lallybrochs besprachen, konnte er sich nicht vorstellen, dass es möglich sein sollte aufzustehen, zu gehen und sie zurückzulassen. Seinen Vater für immer zurückzulassen.

Im Lauf der Tage gab es viel zu tun, Verwandte zu besuchen und mit ihnen zu sprechen und über das Land zu wandern, dessen kahle Schönheit ihn tröstete, wenn seine Gefühle unerträglich brodelten. Doch des Nachts lag das Haus still da, sein ächzendes Schweigen unterbrochen vom fernen Husten seines Vaters und dem schweren Atmen seiner beiden Neffen neben ihm im Zimmer. Er bekam das Gefühl, dass das Haus selbst Luft holte, einen mühseligen, erstickten Atemzug nach dem anderen, begann, das Gewicht auf seiner eigenen Brust zu spüren, und er setzte sich im Bett auf und schnappte nach Luft, nur um sich zu vergewissern, dass er es konnte. Schließlich glitt er dann aus dem Bett, schlich sich nach unten, die Schuhe in der Hand, und schlüpfte zur Küchentür hinaus, um unter Wolken oder Sternen durch die Nacht zu wandern, während der frische Wind die schwelenden Kohlen seines Herzens zur offenen Flamme anfachte, bis er seine Tränen fand – und Frieden, um sie zu vergießen.

Eines Nachts fand er die Tür bereits entriegelt vor. Neugierig ging er hinaus und schaute sich um, sah aber niemanden. Wahrscheinlich sein Bruder Jamie, der in die Scheune gegangen war; eine der beiden Kühe musste jeden Tag kalben. Vielleicht sollte er gehen und helfen … Doch das Brennen unter seinen Rippen war zu schmerzhaft, er musste erst ein wenig laufen. Jamie hätte ihn ohnehin geholt, wenn er gemeint hätte, dass er Hilfe brauchte.

Er wandte sich vom Haus und den Nebengebäuden ab und hielt auf den Hügel zu, vorbei am Schafpferch, wo die Schafe als schlafende Wollberge lagen, hell unter dem Mond, und hin und wieder ein leises, plötzliches Mäh! ausstießen, als hätte ihr Schafstraum sie erschreckt.

Einer dieser Träume nahm plötzlich vor ihm Gestalt an, ein dunkler Umriss, der sich am Zaun bewegte, und er stieß einen kurzen Aufschrei aus, der die Schafe in seiner Nähe weckte und einen leisen Mäh-Chor auslöste.

»Still, a bhailach«, warnte seine Mutter leise. »Wenn sie erst einmal loslegen, wecken sie die Toten auf.«

Jetzt konnte er sie ausmachen, eine kleine, schlanke Gestalt, das offene Haar eine dunkle Masse auf ihrem hellen Hemd.

»Apropos Tote«, sagte er schroff und schluckte sein Herz wieder herunter. »Ich dachte schon, du wärst ein Gespenst. Was machst du denn hier, Mama?«

»Schäfchen zählen«, sagte sie mit einer Spur von Humor in der Stimme. »Das ist es doch, was man tun soll, wenn man nicht schlafen kann, aye?«

»Aye.« Er trat an ihre Seite und lehnte sich über den Zaun. »Hilft es?«

»Manchmal.«

Eine Weile standen sie regungslos da und sahen zu, wie sich die Schafe bewegten und wieder hinlegten. Sie rochen süß und schmutzig nach zerkautem Gras und Schafsdung und fettiger Wolle, und Ian fand es beruhigend, einfach nur in ihrer Nähe zu sein.

»Hilft es auch, sie zu zählen, wenn man schon weiß, wie viele es sind?«, fragte er nach kurzem Schweigen. Seine Mutter schüttelte den Kopf.

»Nein, ich sage ihre Namen auf. Es ist wie ein Rosenkranzgebet, nur dass man nicht meint, um etwas bitten zu müssen. Das ewige Bitten zehrt an den Nerven.«

Vor allem, wenn man weiß, dass die Antwort Nein lauten wird, dachte Ian und legte ihr, von einem plötzlichen Impuls getrieben, den Arm um die Schulter. Sie stieß einen kleinen Laut belustigter Überraschung aus, doch dann ließ sie es geschehen und lehnte sich mit dem Kopf an ihn. Er konnte ihre zierlichen Knochen spüren, so leicht wie die eines Vogels, und glaubte, es würde ihm das Herz brechen.

Für ein paar Minuten blieben sie so stehen, und dann befreite sie sich sanft, trat einen Schritt zurück und wandte sich ihm zu.

»Schon müde?«

»Nein.«

»Aye, also dann – komm mit.« Ohne eine Antwort abzuwarten, wandte sie sich ab und schritt in die Dunkelheit, fort vom Haus.

Es war Halbmond, und er war lange genug im Freien, sodass sich seine Augen an das Licht gewöhnt hatten; es war nicht schwer, ihr zu folgen, selbst durch das Gewirr aus Gras und Steinen und Heidekraut auf dem Hügel hinter dem Haus.

Wohin führte sie ihn? Oder vielmehr, warum? Denn sie stiegen bergauf zu dem alten Turm – und dem Friedhof zu seinen Füßen. Ihm wurde kalt ums Herz – hatte sie vor, ihm das Grab seines Vaters zu zeigen?

Doch sie blieb so abrupt stehen, um sich zu bücken, dass er fast über sie gefallen wäre. Dann richtete sie sich wieder auf, wandte sich um und drückte ihm einen Kiesel in die Hand.

»Dort drüben«, sagte sie leise und führte ihn zu einem kleinen rechteckigen Stein, der in die Erde eingelassen war. Er dachte zunächst, dass es Caitlins Grab war – das Kind, das vor der kleinen Jenny gekommen war, seine Schwester, die nur einen Tag gelebt hatte –, doch dann sah er, dass Caitlins Stein ein Stückchen daneben lag. Dieser Stein war genauso groß und genauso geformt, doch – er hockte sich daneben, und als er die Finger über die Schatten der Inschrift fahren ließ, machte er den Namen aus.

Yeka’a.

»Mama«, sagte er, und seine Stimme klang merkwürdig, selbst für ihn.

»Ist es so richtig, Ian?«, fragte sie ein wenig unsicher. »Dein Pa hat gesagt, er wüsste nicht genau, wie man den Indianernamen buchstabiert. Aber ich habe dem Steinmetz gesagt, er soll beide Namen daraufsetzen, weil ich es so richtig fand.«

»Beide?« Doch seine Hand war bereits suchend in die Tiefe gewandert und hatte den anderen Namen gefunden.

Iseabaìl.

Er schluckte krampfhaft.

»Es war richtig«, flüsterte er. Seine Finger lagen flach auf dem kühlen Stein.

Sie hockte sich neben ihn, streckte die Hand aus und legte ihren Kiesel auf den Stein. Das war es, was man tat, dachte er erschüttert, wenn man die Toten besuchte. Man ließ einen Kiesel zurück, um zu sagen, dass man da gewesen war, dass man nichts vergessen hatte.

Seinen eigenen Stein hatte er immer noch in der anderen Hand; er konnte sich nicht dazu durchringen, ihn hinzulegen. Tränen liefen ihm über das Gesicht, während die Hand seiner Mutter fest und warm auf seinem Arm lag.

»Schon gut, mo duine«, sagte sie leise. »Geh zu deiner jungen Frau. Du wirst immer bei uns sein.«

Der Dampf seiner Tränen stieg wie Weihrauch aus seinem Herzen, und er legte den Kiesel sanft auf das Grab seiner Tochter. Geborgen im Kreis seiner Familie.