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Doch ihre eigentlichen Bewegungen waren durchaus zügig, begriff er im nächsten Moment. Gleichzeitig bewegten sich ihre Hände mit solcher Sicherheit und – ja, Anmut, das war das einzige Wort –, dass sie wie ein Möwenpärchen durch die Luft zu gleiten schienen. Kein hektisches Flügelklatschen, nur eine zielsichere, gelassene und beinahe mystische Bewegung. Er stellte fest, dass er ruhiger wurde, während er sie beobachtete, dass er in Trance geriet und den eigentlichen Zweck dieses lautlosen Tanzes der Hände nahezu vergaß.

Sie trat an das Kopfende des Bettes und beugte sich dicht über Henry, um mit ihm zu sprechen, ihm das Haar aus der Stirn zu streichen, und Grey sah, wie die Falkenaugen kurz einen sanften goldenen Schimmer annahmen. Henrys Körper entspannte sich langsam unter ihrer Berührung; Grey sah, wie sich seine gekrümmten, starren Finger allmählich entfalteten. Sie hatte noch eine dritte Maske, beobachtete er, diese ein starres Körbchen, das mit weicher Baumwolle ausgekleidet war. Das setzte sie Henry nun sanft auf das Gesicht, sagte etwas Unhörbares zu ihm und ergriff ihre Tropfflasche.

Auf der Stelle erfüllte sich die Luft mit dem durchdringenden, süßen Aroma, das Grey im Hals kleben blieb und ihn mit leisem Schwindel erfüllte. Er blinzelte, schüttelte den Kopf, um die Benommenheit zu zerstreuen, und begriff, dass Mrs Fraser etwas zu ihm gesagt hatte.

»Verzeihung?« Er blickte zu ihr auf, zu diesem großen weißen Vogel mit den gelben Augen – und einer gleißenden Kralle, die ihr plötzlich aus der Hand ragte.

»Ich sagte«, wiederholte sie ruhig durch ihre Maske, »dass Ihr Euch besser ein Stück weiter wegsetzen solltet. Das wird ziemlich unschön.«

William, Rachel und Dorothea saßen auf der Kante der Veranda wie Vögel auf einem Zaunbalken. Rollo lag zu ihren Füßen auf dem gepflasterten Weg und genoss die Frühlingssonne.

»Es ist so verdammt still dort oben«, sagte William und blickte beklommen zum Fenster über ihnen hinauf, hinter dem Henrys Zimmer lag. »Glaubt ihr, sie haben schon angefangen?« Er dachte, wollte es aber nicht laut sagen, dass er erwartet hätte, dass Henry eine gewisse Menge Lärm machen würde, wenn sie schon angefangen hätten, trotz Rachels Beschreibung der Segnungen von Mrs Frasers Äther. Ein Mann sollte ruhig daliegen und schlafen, während ihm jemand den Bauch mit einem Messer aufschnitt? Alles Quatsch, hätte Denzell früher gesagt. Doch Denzell Hunter war kein Mann, der sich einfach so betören ließ – obwohl es Dottie anscheinend irgendwie gelungen war. Er warf seiner Cousine einen Seitenblick zu.

»Hast du Onkel Hal schon geschrieben? Von dir und Denny, meine ich?« Er wusste zwar, dass sie es noch nicht getan hatte – sie hatte es Lord John erzählt, gezwungenermaßen, aber sie hatte ihn überredet, ihrem Vater die Neuigkeit selbst mitteilen zu dürfen –, doch er hätte sie gern abgelenkt. Sie war weiß um die Lippen, und ihre Hände hatten den Stoff über ihren Knien zu faltigen Nestern geknetet. Er hatte sich immer noch nicht daran gewöhnt, sie in Taubenblau und Cremetönen zu sehen statt ihres üblichen bunten Gefieders – obwohl er fand, dass ihr die ruhigen Töne gut standen. Rachel hatte ihr versichert, dass sie ruhig Seide und Musselin tragen konnte, wenn sie es wollte, statt in Sackleinen herumzulaufen.

»Nein«, sagte Dottie und warf ihm einen Blick zu, der ihm für die Ablenkung dankte, auch wenn er gleichzeitig ausdrückte, dass ihr bewusst war, was er tat. »Oder, ja, aber ich habe den Brief noch nicht abgeschickt. Wenn mit Henry alles gut geht, schreibe ich ihm das sofort und füge das mit mir und Denny unten als Postskriptum hinzu. Sie werden so überglücklich wegen Henry sein, dass es ihnen vielleicht gar nicht so sehr auffällt – oder es sie zumindest nicht so bestürzen wird.«

»Ich glaube schon, dass es ihnen auffallen wird«, wandte William ein. »Papa ist es ja auch aufgefallen.« Lord John war gefährlich still geworden, als sie es ihm sagten, und er hatte Denzell Hunter einen Blick zugeworfen, der von Schwertern im Morgengrauen zu künden schien. Doch es war nicht zu leugnen, dass Denny Henry bereits einmal das Leben gerettet hatte und gerade – mit etwas Glück und Mrs Frasers Können – dabei mithalf, es erneut zu retten. Und Lord John war vor allem ein Ehrenmann. Außerdem glaubte William, dass sein Vater erleichtert war, endlich zu wissen, was er und Dottie im Schilde geführt hatten. Noch hatte er William nicht auf die Rolle angesprochen, die er bei diesem Abenteuer gespielt hatte. Doch das würde noch kommen.

»Möge der Herr deinen Bruder in Seiner Hand halten«, sagte Rachel, ohne Williams Bemerkung zu beachten. »Und in meiner und in Mrs Frasers. Doch was, wenn nicht alles so verläuft, wie wir es uns wünschen? Dann wirst du es deinen Eltern immer noch mitteilen müssen, und sie werden die Nachricht von deiner bevorstehenden Heirat vielleicht als zusätzlichen Schlag empfinden.«

»Ihr seid wirklich die taktloseste, direkteste Kreatur, die ich kenne«, schnaubte William gereizt, als er sah, wie Dottie bei der Andeutung, dass Henry in den nächsten Minuten, Stunden oder Tagen sterben könnte, noch weißer wurde. »Henry wird es schaffen. Das weiß ich. Denny ist ein großartiger Arzt, und Mrs Fraser … Sie ist … äh …« Wenn er ehrlich war, wusste er nicht, was Mrs Fraser war, doch sie machte ihm ein wenig Angst. »Denny sagt, sie weiß, was sie tut«, endete er wenig überzeugend.

»Wenn Henry stirbt, wird alles andere gleichgültig«, sagte Dottie leise und betrachtete die Spitzen ihrer Schuhe. »Für uns alle.«

Rachel stieß einen kleinen, mitfühlenden Laut aus und legte Dottie den Arm um die Schulter. William stimmte mit einem schroffen Räuspern ein, und im ersten Moment dachte er, der Hund hätte sich ihm angeschlossen.

Rollos Absichten waren jedoch alles andere als mitfühlend. Er hatte plötzlich den Kopf gehoben, und seine Nackenhaare sträubten sich, während ihm ein tiefes Knurren aus der Brust drang. William folgte automatisch der Blickrichtung des Hundes und spürte, wie er erstarrte.

»Ms Hunter«, sagte er beiläufig. »Kennt Ihr diesen Mann? Der dort unten fast am Ende der Straße steht und sich mit der Eierfrau unterhält?«

Rachel hielt sich die Hand über die Augen und spähte in die Richtung, in die sein Nicken wies, schüttelte dann aber den Kopf.

»Nein. Warum? Meinst du, er ist es, der den Hund so aufregt?« Sie stieß Rollo ihre Zehe in die Seite. »Was ist denn nur, Freund Rollo?«

»Ich weiß es nicht«, sagte William wahrheitsgemäß. »Es könnte die Katze sein, die gerade hinter der Frau über die Straße gelaufen ist. Aber dieser Mann ist mir schon einmal begegnet, ich bin mir ganz sicher. Ich habe ihn irgendwo in New Jersey an der Straße stehen sehen. Er hat mich gefragt, ob ich Ian Murray kenne – und wo er sein könnte.«

Rachel keuchte leise auf, sodass William sie überrascht von der Seite ansah.

»Was?«, sagte er. »Wisst Ihr, wo Murray ist?«

»Nein«, sagte sie scharf. »Ich habe ihn seit dem Herbst in Saratoga nicht mehr gesehen, und ich habe keine Ahnung, wo er ist. Kennst du den Namen dieses Mannes?«, fügte sie stirnrunzelnd hinzu. Der Mann war jetzt in einer Seitenstraße verschwunden. »Und bist du dir sicher, dass es derselbe ist?«

»Nein«, gab William zu. »Ich glaube es aber. Er hatte einen Wanderstab dabei, genau wie dieser Mann. Und irgendetwas ist mit der Art, wie er steht – ein wenig gebückt. Der Mann aus New Jersey war sehr alt, und dieser hier geht genauso wie er.« Von den fehlenden Fingern sagte er nichts; er brauchte Dottie jetzt nicht an Gewalt und Verstümmelung zu erinnern, und aus dieser Entfernung hatte er die Hand des Mannes ohnehin nicht sehen können.

Rollo hatte aufgehört zu knurren und sich mit einem kurzen Grunzlaut niedergelegt, doch seine gelben Augen blieben wachsam.