Выбрать главу

Tut mir leid, Schatz, das ist alles furchtbar melodramatisch von mir. Und das Letzte, was ich im Sinn habe, ist, Dich nervös zu machen. Ich setze alle Zuversicht der Welt in Dich. Aber ich bin Dein Vater und damit das Opfer der Ängste, die alle Eltern kennen – dass ihrem Kind etwas Schreckliches, Unausweichliches zustoßen wird und sie nicht die Macht haben, es zu beschützen. Und die Wahrheit ist – Du bist, obwohl Du selbst nichts dazu kannst …

Hier hatte er es sich ein paarmal anders überlegt und geschrieben, ein gefährlicher Mensch, dies zu immer in Gefahr verbessert, das wiederum durchgestrichen und in einer gefährlichen Lage hinzugefügt, dies auch wiederum durchgestrichen und schließlich ein gefährlicher Mensch eingekreist, wenn auch mit einem Fragezeichen.

»Ich hab’s verstanden, Papa«, murmelte sie. »Wovon redest du? Ich –«

Sie hörte ein Geräusch, und die Worte blieben ihr im Hals stecken. Schritte kamen durch den Flur. Männerschritte. Jedes Haar an ihrem Körper stellte sich senkrecht.

Das Licht im Flur brannte; es verdunkelte sich kurz, als der Umriss in der Tür zum Studierzimmer Gestalt annahm.

Sie starrte ihn wie betäubt an.

»Was machen Sie denn hier?« Noch als sie das sagte, erhob sie sich aus dem Sessel, tastete nach irgendetwas, das sich als Waffe benutzen ließ, ihr Hirn viel langsamer als ihr Körper, immer noch nicht in der Lage, den Nebel des Grauens zu durchdringen, das sie gepackt hatte.

»Ich bin Ihretwegen hier«, sagte er lächelnd. »Und des Goldes wegen.« Er legte etwas auf den Tisch: den ersten Brief ihrer Eltern. »Sag Jem, der Spanier bewacht es«, zitierte Rob Cameron und tippte auf den Brief. »Ich dachte, vielleicht ist es besser, wenn Sie Jem das sagen. Und ihm sagen, dass er mir zeigen soll, wo dieser Spanier ist. Wenn Sie möchten, dass er am Leben bleibt, meine ich. Ihre Entscheidung.« Das Lächeln wurde breiter. »Boss.«

Kapitel 92

Unabhängigkeitstag II

Brest

Zuzusehen, wie Jenny mit alldem fertigwurde, erschütterte seine Geistesgegenwart beträchtlich. Er konnte sehen, wie ihr das Herz bis zum Halse schlug, als sie zum ersten Mal mit einem richtigen Franzosen Französisch sprach; ihr Puls flatterte in ihrer Halsbeuge wie ein gefangener Kolibri. Doch der boulanger verstand sie – Brest war voller Fremder, und ihr seltsamer Akzent löste kein besonderes Interesse aus –, und das schiere Entzücken in ihrem Gesicht, als der Mann ihr Geldstück entgegennahm und ihr ein mit Käse und Oliven gefülltes Baguette reichte, weckte in Jamie das Gefühl, zur selben Zeit lachen und weinen zu müssen.

»Er hat mich verstanden!«, jauchzte sie und klammerte sich an seinen Arm, als sie gingen. »Jamie, er hat mich verstanden! Ich habe Französisch mit ihm gesprochen, und er wusste genau, was ich gesagt habe!«

»Genauer, als er es getan hätte, wenn du auf Gälisch mit ihm gesprochen hättest«, versicherte er ihr. Er lächelte über ihre Aufregung und tätschelte ihr die Hand. »Gut gemacht, a nighean.«

Sie hörte ihm gar nicht zu. Ihr Kopf wandte sich hin und her, während sie die riesige Anzahl der Läden und Straßenhändler betrachtete, die die krumme Straße anfüllten, und die Möglichkeiten erwog, die ihr jetzt offenstanden. Butter, Käse, Bohnen, Wurst, Stoffe, Schuhe, Knöpfe … Ihre Finger gruben sich in seinen Arm.

»Jamie, ich kann mir alles kaufen! Ganz allein!«

Er musste ihre Freude über ihre neu entdeckte Unabhängigkeit einfach teilen, obwohl sie ihm auch einen leisen Stich versetzte. Gerade noch hatte er das völlig neue Gefühl genossen, dass sie von ihm abhängig war.

»Ja, das kannst du«, pflichtete er ihr bei und nahm ihr das Baguette ab. »Kauf aber lieber kein dressiertes Eichhörnchen oder eine Standuhr. Das wäre auf dem Schiff ein bisschen schwierig zu handhaben.«

»Schiff«, wiederholte sie und schluckte. Der Puls an ihrem Hals, der kurzfristig zur Ruhe gekommen war, begann wieder zu flattern. »Wann gehen wir denn … auf das Schiff?«

»Noch nicht, a nighean«, sagte er sanft. »Erst gehen wir einen Bissen essen, aye?«

Die Euterpe sollte mit der abendlichen Ebbe in See stechen, und sie begaben sich am Nachmittag zum Hafen, um an Bord zu gehen und ihr Gepäck zu verstauen. Doch der Anlegeplatz, an dem die Euterpe tags zuvor noch gelegen hatte, war leer.

»Wo zum Teufel ist das Schiff, das hier gestern noch gelegen hat?«, wollte er von einem Jungen wissen, den er im Vorübergehen am Arm packte.

»Was, die Euterpe?« Der Junge blickte ungerührt in die Richtung, in die er zeigte, und zuckte mit den Achseln. »Abgefahren, denke ich.«

»Denkst du?« Sein Ton alarmierte den Jungen, der seinen Arm befreite und zurückwich.

»Woher soll ich das wissen, Monsieur?« Als er Jamies Miene sah, fügte er hastig hinzu: »Ihr Besitzer ist vor ein paar Stunden in das Amüsierviertel gegangen; wahrscheinlich ist er ja noch dort.«

Jamie sah, wie seine Schwester das Kinn verzog, und begriff, dass sie der Panik nahe war. Er war selbst nicht weit davon entfernt, dachte er.

»So, ist er das?«, sagte er ausgesprochen ruhig. »Aye, dann werde ich ihn wohl holen gehen. Welches Haus besucht er denn?«

Der Junge zuckte hilflos mit den Schultern. »Alle, Monsieur.«

Er ließ Jenny auf dem Dock zurück, um ihr Gepäck zu hüten, und begab sich in das Viertel, das sich an den Hafen anschloss. Ein Kupferpenny sicherte ihm die Dienste eines der Straßenjungen, die an den Verkaufsständen herumlungerten, um vielleicht einen halb verfaulten Apfel oder eine unbewachte Geldbörse zu ergattern, und er folgte seinem Führer grimmig durch die schmutzigen Gassen, eine Hand an seiner Geldbörse, die andere am Knauf seines Dolches.

Brest war eine Hafenstadt, und es war ein sehr geschäftiger Hafen. Was bedeutete, so rechnete er sich aus, dass etwa ein Drittel der weiblichen Bevölkerung als Prostituierte arbeitete. Mehrere unabhängige Huren hatten ihn schon im Vorübergehen angesprochen.

Es kostete ihn drei Stunden und mehrere Shillinge, doch am Ende fand er den Besitzer der Euterpe stockbesoffen in einem Freudenhaus. Er stieß die Hure, die an seiner Seite schlief, unwirsch beiseite und holte den Mann mit einigen Ohrfeigen ansatzweise ins Bewusstsein zurück.

»Das Schiff?« Der Mann starrte ihn trübe an und wischte sich mit der Hand über die Bartstoppeln. »Mist. Wen interessiert das?«

»Mich«, sagte Jamie mit zusammengebissenen Zähnen. »Und dich auch, du mieser Schuft. Wo ist es, und warum bist du nicht an Bord?«

»Der Kapitän hat mich von Bord geworfen«, sagte der Mann düster. »Wir haben Streit bekommen. Wo es ist? Auf dem Weg nach Boston, nehme ich an.« Er grinste unangenehm. »Vielleicht holt Ihr es ja noch ein, wenn Ihr schnell genug schwimmt.«

Es kostete ihn den Rest seines Goldes und eine wohl kalkulierte Mischung aus Drohungen und Überredungskunst, doch er fand ein anderes Schiff. Es fuhr zwar weiter nach Süden, nach Charleston, doch im Moment reichte es ihm schon, erst einmal auf dem richtigen Kontinent zu sein. Wenn sie in Amerika waren, würde er weitersehen.

Seine grimmige Wut begann schließlich nachzulassen, als die Philomene das offene Meer erreichte. Jenny stand neben ihm, klein und still, die Hände auf die Reling gestützt.

»Was, a pìuthar?« Er legte ihr die Hand ins Kreuz und massierte sie sacht mit den Fingerknöcheln. »Trauerst du um Ian?«

Einen Moment schloss sie die Augen und lehnte sich, dankbar für seine Berührung, gegen ihn, dann öffnete sie sie wieder und betrachtete ihn stirnrunzelnd.