Die Maschinen erinnerten ihn daran, dass Mama gesagt hatte, dass es hier eine Bahn gab, eine kleine Eisenbahn, und jetzt ging es ihm schon viel besser. Wenn es hier eine Eisenbahn gab, war nicht nur alles schwarz und leer. Vielleicht gehörte das Summen ja zu dem Zug.
Er streckte die Hände aus und ging vorsichtig los, bis er an eine Wand stieß. Dann fühlte er überall um sich und ging los, mit einer Hand an der Wand, merkte, dass er in die falsche Richtung ging, als er mit dem Gesicht vor das Tor lief und »Au!« sagte.
Seine Stimme brachte ihn zum Lachen, doch das Lachen klang komisch in der großen Höhle, und er hörte auf und ging andersherum und steuerte mit der anderen Hand an der Wand entlang.
Wo war Mr Cameron jetzt? Er hatte nicht gesagt, wo er hinwollte. Hatte nur zu Jem gesagt, er sollte warten, und er würde ihm etwas zu essen holen.
Seine Hand berührte etwas Rundes, Glattes, und er zog sie schnell zurück. Aber es bewegte sich nicht, und er legte die Hand darauf. Stromkabel, die an der Wand entlangliefen. Dicke Kabel. Er konnte sie ein bisschen summen spüren, so wie wenn Pa den Wagen anspringen ließ. Das erinnerte ihn an Mandy. Sie summte auch so, wenn sie schlief, und lauter, wenn sie wach war.
Er fragte sich plötzlich, ob Mr Cameron gegangen war, um Mandy zu holen. Und bei diesem Gedanken bekam er Angst. Mr Cameron wollte wissen, wie man durch die Steine kam, und Jem konnte es ihm nicht sagen – aber Mandy konnte es ihm doch erst recht nicht sagen, sie war schließlich noch ein Baby. Aber bei diesem Gedanken fühlte er sich ganz leer, und er konzentrierte sich erschrocken auf sie.
Aber da war sie ja. So etwas wie ein kleines warmes Licht in seinem Kopf, und er holte Luft. Mit Mandy war alles okay. Er fand es interessant, dass er das so genau wusste, obwohl sie weit weg war. Er hatte noch nie daran gedacht, es zu versuchen, weil sie ja normalerweise immer bei ihm war und ihn ärgerte. Und wenn er mit seinen Freunden unterwegs war, dachte er nicht an sie.
Sein Fuß stieß irgendwo an, und er blieb stehen. Er fand aber nichts, und nach einer Minute nahm er seinen Mut zusammen und ließ die Wand los, um die Hände weiter auszustrecken und sich sogar ein bisschen in die Dunkelheit vorzuwagen. Sein Herz klopfte laut, und er fing an zu schwitzen, obwohl ihm immer noch kalt war. Seine Finger stießen sich an Metall, und sein Herz hüpfte. Die Eisenbahn!
Er fand den Eingang und tastete sich auf Händen und Knien vor, und dann stieß er sich beim Aufstehen an der Kiste mit den Schaltern. Er sah bunte Sterne, und er sagte laut: »Ifrinn!« Es klang komisch, aber im Zug nicht mehr so wie ein Echo, und er kicherte.
Er tastete sich an den Schaltern entlang. Es war genauso, wie Mama es gesagt hatte, nur ein Schalter und ein kleiner Hebel, und er drückte auf den Schalter. Ein rotes Licht ging an, und er erschrak sich. Aber es ging ihm schon besser, nur weil er es sah. Er konnte spüren, wie die Elektrizität durch den Wagen strömte, und dabei ging es ihm immer besser. Er zog an dem Hebel, nur ein bisschen, und fand es ganz aufregend, als der Wagen losfuhr.
Wohin fuhr er wohl? Er zog noch ein bisschen mehr an dem Hebel, und die Luft wehte ihm am Gesicht vorbei. Er schnüffelte, aber die Luft verriet ihm nichts. Aber er bewegte sich von den großen Toren weg – und von Mr Cameron.
Vielleicht würde Mr Cameron ja zu Mama oder Pa gehen und sie nach den Steinen fragen? Jemmy hoffte es sehr. Pa würde Mr Cameron schon zur Ruhe bringen, und der Gedanke wärmte ihn. Dann würden sie kommen und ihn finden, und es würde okay sein. Er fragte sich, ob Mandy ihnen sagen konnte, wo er war. Sie kannte ihn genauso wie er sie, und er sah auf das kleine rote Licht in seinem Zug. Es leuchtete wie Mandy, immer gleich, und es sah warm aus, und es fühlte sich gut an, wenn er es ansah. Er zog den Hebel noch etwas weiter vor, und der Zug fuhr schneller in die Dunkelheit.
Kapitel 97
Nexus
Rachel bohrte argwöhnisch den Finger in das Ende des Brotes. Die Brotfrau, die das sah, fuhr fauchend zu ihr herum.
»Nicht anfassen! Wenn Ihr es wollt, kostet es einen Penny. Wenn nicht, fort mit Euch.«
»Wie alt ist dieses Brot?«, sagte Rachel, ohne die finstere Miene der jungen Frau zu beachten. »Es riecht alt, und wenn es so alt ist, wie es aussieht, gebe ich Euch nicht mehr als einen halben Penny für den Laib.«
»Es ist nicht älter als einen Tag!« Die junge Frau zog entrüstet ihr Tablett mit den Brotlaiben zurück. »Bis Mittwoch gibt es kein frisches Brot mehr, weil mein Herr erst dann wieder Mehl bekommt. Also, wollt Ihr das Brot oder nicht?«
»Hmm«, sagte Rachel und täuschte Skepsis vor. Denny würde wütend werden, wenn er das Gefühl bekam, dass sie versuchte, die Frau zu übervorteilen. Doch es gab definitiv einen Unterschied, einen fairen Preis zu bezahlen oder unter die Räuber zu fallen. Und warum sollte die Frau sie übervorteilen dürfen?
Waren das Krümel auf dem Tablett? Und Zahnabdrücke am Ende des Brotes? Stirnrunzelnd beugte sie sich dichter über das Tablett, und Rollo jaulte plötzlich auf.
»Glaubst du, das sind vielleicht Mäuse gewesen, Hund?«, sagte sie zu ihm. »Ich auch.«
Doch Rollo interessierte sich nicht für Mäuse. Er ignorierte sowohl Rachels Frage als auch die entrüstete Antwort der Brotfrau, um stattdessen mit Feuereifer auf dem Boden herumzuschnüffeln und dabei ein merkwürdiges, schrilles Geräusch auszustoßen.
»Was hast du denn nur, Hund?«, fragte Rachel, während sie seine Darbietung bestürzt beobachtete. Sie legte ihm die Hand in den Nacken und stellte erschrocken fest, dass sein ganzer haariger Körper vibrierte.
Rollo schenkte ihrer Berührung genauso wenig Beachtung wie ihrer Stimme. Er bewegte sich – beinahe im Laufschritt – jaulend im Kreis auf der Stelle.
»Der Hund ist doch nicht verrückt geworden, oder?«, fragte die Bäckersfrau, während sie ihn stirnrunzelnd beobachtete.
»Natürlich nicht«, sagte Rachel geistesabwesend. »Rollo … Rollo!«
Der Hund war plötzlich mit der Nase am Boden aus der Bäckerei geschossen und rannte jetzt die Straße entlang.
Missmutig ergriff Rachel ihren Marktkorb und setzte ihm nach.
Zu ihrem Schrecken war er bereits an der nächsten Straße angelangt und verschwand vor ihren Augen um die Ecke. Laut rufend eilte sie ihm nach, sodass ihr der Korb gegen die Beine stieß und die Waren zu verstreuen drohte, die sie bereits gekauft hatte.
»Böser Hund«, keuchte sie. »Geschieht dir recht, wenn ich dich laufen lasse!« Und doch hetzte sie ihm hinterher und rief seinen Namen. Es war eine Sache, wenn Rollo das Gasthaus allein verließ, um auf die Jagd zu gehen – er kehrte immer zurück. Doch die andere war, dass das Gasthaus nicht in der Nähe war, und sie fürchtete, dass er sich verlief.
»Wenn deine Nase allerdings so gut ist, wie es den Anschein hat, könntest du mich gewiss auch zurückverfolgen!«, keuchte sie, und dann erstarrte sie, weil ihr ein Gedanke kam.
Er folgte einer Fährte, so viel stand fest. Doch was für ein Geruch konnte den Hund dazu bewegen? Gewiss keine Katze, kein Eichhörnchen …
»Ian«, flüsterte sie. »Ian.«
Sie raffte ihre Röcke und rannte dem Hund mit hämmerndem Herzen hinterher, während sie noch versuchte, die wilde Hoffnung zu bändigen, die sie empfand. Der Hund war wieder in Sichtweite, die Nase am Boden, die Rute gesenkt, ganz auf seine Fährte konzentriert. Er bog in eine schmale Gasse ein, und sie folgte ihm, ohne zu zögern. Hüpfend und schwankend versuchte sie, den schlüpfrigen, widerlichen Hindernissen auf ihrem Weg auszuweichen.
Jedes einzelne davon hätte normalerweise jeden Hund fasziniert, Rollo eingeschlossen – und doch schenkte er ihnen keinerlei Beachtung und folgte allein seiner Fährte.
Konnte es Ian sein? Gewiss war es Torheit von ihr, dies zu denken; ihre Hoffnung würde zunichtegemacht werden, und doch kam sie nicht gegen die Überzeugung an, die sich gemeinsam mit der Möglichkeit in ihr geregt hatte. Rollos Rute verschwand um eine Ecke, und sie schoss ihm atemlos hinterher.