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Sie erschrak so unverhohlen, dass ihr der Mund aufklappte.

»Er hat dir was gesagt?«

Nun, das nahm ihm eine Last von der Seele. Sie war wohl doch noch Jungfrau, und er brauchte William nicht nach China zu verschiffen, um ihn vor ihren Brüdern zu verstecken.

»Es war, wie ich schon sagte, eine Andeutung. Er hat mir keine Details geliefert. Komm, gehen wir weiter, bevor wir erfrieren.« Er nahm sie beim Arm und geleitete sie über einen Weg, der zu einem kleinen Kapellchen führte. Hier suchten sie Schutz im Vorraum, auf den ein Buntglasfenster der heiligen Barbara niederblickte, die ihre abgetrennten Brüste auf einem Servierteller trug. Grey tat so, als betrachtete er dieses erbauliche Bild, um Dottie einen Moment Zeit zu geben, um ihre vom Winde verwehten Kleider zu ordnen – und zu entscheiden, was sie ihm erzählen würde.

»Nun«, begann sie und wandte sich mit erhobenem Kinn zu ihm um, »es stimmt, dass wir – nun ja, dass ich zugelassen habe, dass er mich küsst.«

»Oh? Wo denn? Ich meine …«, fügte er hastig hinzu, als er ihren schockierten Blick sah – das war ja interessant, denn wäre einer völlig unerfahrenen jungen Dame klar gewesen, dass man nicht nur auf die Lippen oder die Hand geküsst werden konnte? »Ich meine, wo ist das gewesen?«

Die Röte ihrer Wangen nahm zu, denn ebenso wie er begriff auch sie, was sie gerade verraten hatte, doch sie sah ihm direkt in die Augen.

»In Lady Windermeres Garten. Wir waren beide zu ihrem Konzert gekommen, und das Essen war noch nicht fertig, also hat William mich gebeten, draußen ein wenig mit ihm spazieren zu gehen. Es war so ein herrlicher Abend«, fügte sie arglos hinzu.

»Ja, das hat er ebenfalls angemerkt. Mir war gar nicht bewusst, welch berauschende Wirkung schönes Wetter hat.«

Sie funkelte ihn an.

»Nun, wie dem auch sei, wir lieben uns! Hat er das wenigstens gesagt?«

»Ja, das hat er«, erwiderte Grey. »Er hat sogar mit einer diesbezüglichen Erklärung begonnen, bevor er zu seinen skandalösen Geständnissen bezüglich deiner Tugend übergegangen ist.«

Sie bekam große Augen.

»Er – was genau hat er gesagt?«, wollte sie wissen.

»Genug, um mich dazu zu bewegen – so hoffte er –, auf der Stelle zu deinem Vater zu gehen und bei ihm ein Plädoyer dafür abzulegen, wie wünschenswert es doch ist, dass William um deine Hand anhält.«

»Oh.« Bei diesen Worten holte sie tief Luft, als sei sie erleichtert, und wandte kurz den Blick ab. »Schön und gut. Und wirst du das tun?«, fragte sie und heftete erneut ihre großen blauen Augen auf ihn. »Oder hast du es schon getan?«, fügte sie mit einem hoffnungsvollen Unterton hinzu.

»Nein, ich habe deinem Vater nichts von Williams Brief erzählt. Ich hielt es für besser, erst mit dir zu sprechen und zu sehen, ob du Williams Ansichten tatsächlich so teilst, wie er zu glauben scheint.«

Sie blinzelte, dann lächelte sie ihn strahlend an.

»Das war sehr rücksichtsvoll von dir, Onkel John. Viele Männer würden sich überhaupt nicht darum scheren, was eine Frau von der Situation denkt – aber du bist immer schon so mitfühlend gewesen; Mutter kann deine Güte gar nicht genug loben.«

»Übertreib es nicht, Dottie«, mahnte er nachsichtig. »Dann sagst du also, dass du bereit bist, William zu heiraten?«

»Bereit?«, rief sie aus. »Oh, ich wünsche es mir über alles!«

Er betrachtete sie lange. Sie wich zwar seinem Blick nicht aus, doch das Blut schoss ihr dabei ins Gesicht.

»Ach ja?«, sagte er und legte die gesamte Skepsis, die er empfand, in seinen Ton. »Warum?«

Sie kniff zweimal nervös die Augen zu.

»Warum?«

»Warum?«, wiederholte er geduldig. »Was hat Williams Charakter – oder vielleicht auch sein Aussehen«, fügte er fairerweise hinzu, denn junge Frauen hatten nicht den Ruf, große Charakterkennerinnen zu sein, »denn so Anziehendes an sich, dass du ihn heiraten möchtest? Und dazu so schnell?«

Er konnte sich zwar durchaus vorstellen, dass einer von ihnen oder beide Gefallen aneinander fanden – aber warum diese Eile? Selbst wenn William befürchtete, dass Hal dem Antrag des Vicomte Maxwell wohlgesinnt gegenüberstand, konnte Dottie selbst doch auf keinen Fall glauben, dass ihr hoffnungslos in sie vernarrter Vater sie zwingen würde, jemanden zu heiraten, den sie nicht wollte.

»Nun, wir lieben uns natürlich!«, sagte sie, wenn auch mit einem Unterton, der diese – in der Theorie – leidenschaftliche Deklaration recht unsicher klingen ließ. »Und was seinen … seinen Charakter angeht … Also, Onkel John, du bist schließlich sein Vater; dir kann doch nicht entgangen sein, wie … wie … intelligent er ist!« Triumph klang mit, als ihr das Wort endlich einfiel. »Wie großzügig, wie freundlich« – sie kam jetzt in Fahrt –, »wie sanftmütig.«

Jetzt war es an Lord John zu blinzeln. William war zweifellos intelligent, freundlich und einigermaßen großzügig, aber »sanftmütig« war nun wirklich nicht das Wort, das man spontan mit ihm in Verbindung brachte. Allerdings war das Loch in der Holzvertäfelung im Esszimmer seiner Mutter, durch das William während einer Teegesellschaft versehentlich einen Kameraden geworfen hatte, noch nicht repariert, und Grey hatte dieses Bild noch überdeutlich vor Augen. Wahrscheinlich benahm sich William ja in Dotties Gesellschaft umsichtiger, aber dennoch …

»Er ist der Inbegriff eines Gentlemans!«, proklamierte sie überschwänglich, denn jetzt ging es richtig mit ihr durch. »Und sein Aussehen – nun, natürlich bewundern ihn alle Frauen, die ich kenne! So hochgewachsen, so stattlich …«

Mit klinischer Sachlichkeit registrierte er, dass sie zwar diverse herausragende Charakteristika seines Sohnes angesprochen hatte, dass sie jedoch mit keiner Silbe seine Augen erwähnte. Abgesehen von seiner Körpergröße – die kaum zu übersehen war –, waren seine Augen wahrscheinlich das Auffälligste an ihm, denn sie leuchteten tiefblau, und sie hatten eine ungewöhnliche Form, ein wenig wie bei einer Katze. Natürlich waren es Jamie Frasers Augen, und wann immer ihn William mit einem gewissen Ausdruck ansah, versetzte es Johns Herz einen leisen Stich.

Willie wusste ganz genau, welche Wirkung seine Augen auf junge Frauen hatten – und er machte sich dies ohne jedes Zögern zunutze. Hätte er Dottie je sehnsuchtsvoll in die Augen geschaut, wäre sie wie versteinert gewesen, ob sie ihn liebte oder nicht. Und diese rührende Schilderung ihrer Leidenschaft im Garten …

Er war so sehr mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt gewesen, dass er im ersten Moment gar nicht begriff, dass sie aufgehört hatte zu reden.

»Ich bitte um Verzeihung«, sagte er überaus höflich. »Und ich danke dir für die Lobgesänge über Williams Charakter, die einem Vater natürlich das Herz erwärmen. Dennoch – warum drängt es denn so, diese Hochzeit zu arrangieren? William wird sicherlich in ein oder zwei Jahren heimgeschickt.«

»Er könnte ums Leben kommen!« Und in ihrer Stimme lag plötzlich ein Hauch echter Angst, so echt, dass er die Ohren spitzte. Sie schluckte heftig und fuhr sich mit der Hand an den Hals.

»Ich muss es tun«, sagte sie. »Wirklich, Onkel John, ich muss es tun, und ich kann nicht warten. Ich möchte nach Amerika fahren und heiraten.«

Ihm klappte der Mund wortlos auf und zu. Sich eine Heirat zu wünschen, war eine Sache, aber dies …!

»Das kannst du doch auf keinen Fall ernst meinen«, platzte er dann heraus. »Du kannst doch nicht glauben, dass deine Eltern – vor allem dein Vater – so etwas jemals gutheißen würden.«

»Doch, das würde er«, konterte sie. »Wenn du es ihm richtig erklären würdest. Er schätzt deine Meinung mehr als die jedes anderen Menschen«, fuhr sie beschwörend – und ein wenig drängend – fort. »Und du musst doch am besten verstehen, wie entsetzlich die Vorstellung für mich ist, dass William … etwas zustoßen könnte, bevor ich ihn wiedersehe.«