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Er dachte, Brianna hätte das Thema nicht angesprochen, weil sie nicht sicher war, wie er vorgehen wollte, und weil sie nicht den Eindruck erwecken wollte, als wollte sie ihn bedrängen – so wie die Tatsache, dass sie katholisch war, es für ihn komplizierter machte, presbyterianischer Prediger in Inverness zu werden, war ihm gleichzeitig bewusst, dass sein Predigeramt in ihrem Leben ebenfalls für Komplikationen sorgen würde, das war ihr bestimmt klar.

Und so hatte keiner von ihnen das Thema angesprochen, solange sie mit den Details ihrer Rückkehr beschäftigt waren.

Sie hatten so gründlich wie möglich erwägt, was machbar war. Er konnte nicht nach Oxford zurück – nicht ohne eine hieb- und stichfeste Ausrede.

»Man kann eine Akademie nicht grußlos verlassen und plötzlich wieder auftauchen«, hatte er Brianna und Joe erklärt. »Natürlich kann man ein Sabbatjahr einlegen – oder sich beurlauben lassen. Aber man muss einen Zweck angeben und bei seiner Rückkehr etwas vorzeigen können, eine Forschungsarbeit, die veröffentlicht werden kann.«

»Du könntest das ultimative Buch über den Regulatorenkrieg schreiben«, hatte Joe Abernathy angeregt. »Oder über die Anfänge der Revolution im Süden.«

»Das stimmt«, räumte er ein. »Aber keine respektable wissenschaftliche Arbeit.« Er hatte ironisch gelächelt, und es hatte ihn durchaus in den Fingern gejuckt. Er konnte ein Buch schreiben – wie es kein anderer konnte. Aber nicht als Historiker.

»Mir fehlen die Quellenangaben«, erklärte er und wies kopfnickend auf die Bücherregale in Joes Studierzimmer, wo sie ihren ersten Kriegsrat abhielten. »Wenn ich ein Buch als Historiker schreiben würde, müsste ich meine Informationen mit Quellen belegen – und ich bin mir sicher, dass es zu den meisten einzigartigen Situationen, die ich beschreiben könnte, keine schriftlichen Überlieferungen gibt. ›Augenzeugenbericht des Autors‹ käme bei einem Universitätsverlag nicht gut an, das versichere ich dir. Ich müsste es als Roman schreiben.« Diese Idee hatte zwar durchaus ihren Reiz – aber die Kollegen in Oxford würde sie absolut nicht beeindrucken.

Schottland hingegen …

Normalerweise tauchte man nicht einfach so in Inverness – oder anderswo in den Highlands – auf, ohne dass es Gerede gab. Aber Roger war keiner »von draußen«. Er war im Pfarrhaus in Inverness aufgewachsen, und es gab noch viele Menschen dort, die ihn als Erwachsenen gekannt hatten. Und mit einer amerikanischen Frau an seiner Seite und Kindern als Erklärung für seine Abwesenheit war die Rückkehr relativ unauffällig gewesen.

»Es interessiert die Leute dort nicht besonders, was man getan hat, während man weg war«, erklärte er. »Sie interessieren sich nur für das, was man tut, solange man dort ist.«

Inzwischen hatte er die Ness-Inseln erreicht. Es war ein kleiner, stiller Park, der sich über die Inselchen verteilte, die nur wenige Meter vom Flussufer entfernt lagen, mit Erdwegen, hohen Bäumen und – um diese Tageszeit – nur wenigen Besuchern. Er spazierte die Wege entlang und versuchte, seinen Kopf zu leeren, bis ihn nur noch das Rauschen des Wassers erfüllte, die Stille des bedeckten Himmels.

Er erreichte das Ende der Insel und blieb eine Weile stehen. Das Treibgut, das im Gebüsch am Wasserrand hängen geblieben war, nahm er nur geistesabwesend wahr – Laubansammlungen, Vogelfedern, Fischgerippe, hier und da eine Zigarettenpackung, Mitbringsel der Flut.

Natürlich hatte er ständig an sich selbst gedacht. Was er anfangen würde, was die Leute von ihm denken würden. Warum war es ihm nie in den Sinn gekommen, sich zu fragen, was Brianna tun würde, wenn sie nach Schottland gingen?

Nachträglich betrachtet, war das offensichtlich, wenn auch dumm. In Fraser’s Ridge hatte Brianna … nun ja, zugegebenermaßen ein bisschen mehr getan als für eine Frau üblich; man konnte ihre Büffel jagende, Truthähne schießende, Piraten tötende Jäger-Göttinnen-Seite kaum übersehen – aber sie hatte zudem das getan, was eine normale Frau tat. Sich um ihre Familie gekümmert, sie ernährt, eingekleidet, getröstet – oder auch hin und wieder geohrfeigt. Und solange Mandy krank war und Brianna um den Verlust ihrer Eltern trauerte, hatte es außer Frage gestanden, dass sie einen Beruf ausübte. Nichts und niemand hätte sie von ihrer Tochter getrennt.

Aber jetzt ging es Mandy gut – sie war geradezu haarsträubend gesund, wie die Spur der Zerstörung, die sie hinterließ, bezeugte. Sie hatten ihre Identität im zwanzigsten Jahrhundert mit akribischer Sorgfalt neu etabliert, hatten Lallybroch von der Bank erworben, in deren Besitz es sich befunden hatte, und waren nach Schottland gezogen; Jem hatte sich – mehr oder weniger – in der Schule des Nachbardorfs eingelebt, und sie hatten ein nettes Mädchen aus dem Dorf als Haushaltshilfe und als Babysitter für Mandy eingestellt.

Und jetzt würde Brianna arbeiten gehen.

Roger stand die Hölle bevor. Zumindest metaphorisch, wenn nicht buchstäblich.

Brianna konnte nicht behaupten, dass man sie nicht gewarnt hatte. Es war eine Männerwelt, die sie nun betrat.

Es war eine grauenvolle Knochenarbeit gewesen – die Tunnel zu graben, die die Kabel meilenweit von den Turbinen der Wasserkraftwerke fortführten. »Tunneltiger« hatte man die Männer genannt, die sie angelegt hatten, viele von ihnen polnische und irische Immigranten, die in den Fünfzigern als Gastarbeiter gekommen waren.

Sie hatte davon gelesen, hatte Bilder von ihnen gesehen, die Gesichter verschmutzt und weißäugig wie Bergwerksarbeiter – im Büro der Zentrale waren die Wände übersät damit, Dokumente der größten Leistung des modernen Schottland. Was war denn die größte Leistung des alten Schottland?, fragte sie sich. Der Kilt? Bei diesem Gedanken hatte sie sich das Lachen verkneifen müssen, was sie jedoch offenbar sympathisch aussehen ließ, denn Mr Campbell, der Personalchef, hatte sie freundlich angelächelt.

»Sie haben großes Glück, mein Fräulein; nächsten Monat wird in Pitlochry eine Stelle frei«, hatte er gesagt.

»Das ist ja toll.« Sie hatte eine Mappe mit ihren Zeugnissen und Arbeitsnachweisen auf dem Schoß liegen. Er bat gar nicht darum, sie sehen zu dürfen, was Brianna sehr überraschte, doch sie legte sie vor ihm auf den Schreibtisch und schlug sie auf. »Hier sind meine … äh …?« Er starrte den Lebenslauf an, der obenauf lag, und sein Mund stand so weit offen, dass sie die Metallplomben in seinen Backenzähnen sehen konnte.

Er schloss den Mund, blickte erstaunt zu ihr auf, richtete den Blick erneut auf die Mappe und hob langsam den Lebenslauf an, als hätte er Angst, darunter könnte sich etwas noch Schockierenderes befinden.

»Ich denke, ich bin hinreichend dafür qualifiziert«, sagte sie und unterdrückte das nervöse Bedürfnis, die Finger in ihren Rock zu krallen. »Für eine Anstellung bei der Kraftwerksaufsicht, meine ich.« Eigentlich wusste sie es verdammt genau. Sie hätte ein verflixtes Wasserkraftwerk bauen können, ganz zu schweigen davon, es zu beaufsichtigen.

»Aufsicht …«, krächzte er schwach. Dann hustete er und errötete ein wenig. Kettenraucher; sie konnte den Tabakrauch riechen, der in seinen Kleidern hing.

»Ich fürchte, wir haben hier ein kleines Missverständnis, meine Liebe«, sagte er. »Wir brauchen in Pitlochry eine Sekretärin.«

»Das kann ja sein«, sagte sie und gab dem Bedürfnis nach, eine Faust in ihrem Rock zu machen. »Aber in der Anzeige, auf die ich geantwortet habe, wurde ein Betriebsaufseher gesucht, und das ist die Stelle, um die ich mich bewerbe.«

»Aber … meine Liebe …« Er schüttelte sichtlich entgeistert den Kopf. »Sie sind doch eine Frau!«

»Das stimmt«, sagte sie, und jeder, der ihren Vater gekannt hatte, hätte den stählernen Unterton ihrer Stimme gehört und umgehend klein beigegeben. Unglücklicherweise war Mr Campbell zwar Jamie Fraser nie begegnet – doch ihm stand eine lehrreiche Erfahrung bevor. »Würden Sie mir bitte erklären, für welchen Teilbereich dieser Arbeit man einen Penis braucht?«