Выбрать главу

»Nun«, sagte Jamie und bedachte die Frauen mit einem jener ausdauernden, durchdringenden Blicke, die jeden Missetäter dazu brachten, mit weichen Knien alles zu gestehen, »erzählt mir, wo Ihr gehört habt, wie Mr Forbes über meinen Tod gesprochen hat.«

Ms Lillian, die sich auf das Bett gesetzt und ihrer Mutter schützend die Hand auf die Schulter gelegt hatte, ergriff das Wort.

»Ich habe ihn gehört. In Sam Fosters Wirtshaus. Ich wollte dort einen Krug heißen Cidre holen – es war irgendwann im Februar, und draußen war es sehr kalt. Jedenfalls war da diese Frau – Faydree heißt sie, und sie arbeitet dort – und ist nach hinten gegangen, um den Cidre für mich abzufüllen und aufzuwärmen. Dann kam Mr Forbes herein und hat mich angesprochen – er wusste von meinem Vater und hatte Mitleid und hat gefragt, wie wir zurechtkommen … Und dann ist Faydree mit dem Krug hereingekommen, und er hat sie gesehen.«

Natürlich hatte Forbes Phaedre erkannt, denn er hatte sie ja oft genug auf Jocastas Plantage River Run gesehen. Er hatte sich sehr überrascht über ihre Anwesenheit gezeigt, sie um eine Erklärung gebeten und eine hinreichend bereinigte Version der Wahrheit zu hören bekommen – in der Phaedre anscheinend betont hatte, wie großzügig sich Jamie darum bemüht hatte, ihre Freilassung zu erwirken und sie gut unterzubringen.

Ich gurgelte bei diesen Worten in meinen Becher hinein. Phaedre wusste genau, was mit Neil Forbes’ Ohr geschehen war. Sie war eine stille, sanfte Person, die gute Phaedre, aber wenn sie jemanden nicht mochte, war er vor ihren Spitzen nicht sicher – und ich wusste, dass sie Neil Forbes nicht mochte.

»Mr Forbes war sehr rot im Gesicht – vielleicht ja von der Kälte«, sagte Lillian taktvoll, »und dann hat er gesagt, nun ja, ihm sei bekannt, dass Mr Fraser immer schon große Hochachtung vor Negern hatte … Ich fürchte, das hat er in sehr bösem Ton gesagt«, fügte sie hinzu und sah Jamie entschuldigend an. »Und dann hat er gelacht, obwohl er versucht hat, es als Husten zu tarnen, und hat gesagt, wie schade es doch ist, dass Ihr und Eure Familie alle zu Asche verbrannt seid; gewiss sei jetzt das Wehklagen in den Sklavenquartieren groß.«

Jamie, der gerade von seinem Wein trank, verschluckte sich.

»Wie ist er denn darauf gekommen?«, wollte ich wissen. »Hat er das tatsächlich gesagt?«

Lillian nickte ernst.

»Ja, Ma’am. Faydree hat ihn das ebenfalls gefragt – ich glaube, sie dachte, er hätte es nur gesagt, um sie zu treffen –, und er hat gesagt, er hätte es in der Zeitung gelesen.«

»In der Wilmington Gazette«, warf Miriam ein, denn ihr missfiel offensichtlich, dass ihre Schwester allein im Scheinwerferlicht stand. »Wir lesen natürlich keine Zeitungen, und seit Papa … Nun, wir bekommen nur noch selten Besuch.« Sie senkte unwillkürlich den Blick, und ihre Hand zog automatisch die blitzsaubere Schürze gerade, um einen großen Flicken auf ihrem Rock zu verdecken. Die Bells traten ordentlich und gepflegt auf, und ihre Kleider waren einmal von guter Qualität gewesen, doch jetzt wurden sie allmählich fadenscheinig. Mr Bells Geschäfte mussten beträchtlich gelitten haben, sowohl durch seine Abwesenheit als auch durch den Krieg.

»Meine Tochter hatte mir damals von diesem Zusammentreffen erzählt.« Mrs Bell hatte sich so weit erholt, dass sie sich hinsetzte. Ihren Weinbecher hielt sie vorsichtig mit beiden Händen umklammert. »Als mir dann mein Nachbar gestern Abend erzählt hat, er wäre Euch im Hafen begegnet … Nun, ich wusste nicht so recht, was ich denken sollte, aber ich bin davon ausgegangen, dass irgendjemandem ein dummer Fehler unterlaufen ist – man kann ja heutzutage nichts mehr glauben, was man liest; die Zeitungen laufen völlig aus dem Ruder. Und mein Nachbar hat erwähnt, dass Ihr auf der Suche nach einer Überfahrt nach Schottland seid. Und so kam uns der Gedanke …« Sie verstummte und versenkte das Gesicht verlegen in ihrem Becher.

Jamie rieb sich nachdenklich die Nase.

»Aye, nun ja«, sagte er langsam. »Es ist wahr, dass ich vorhabe, nach Schottland zu fahren. Und natürlich wäre es mir eine Freude, mich nach Eurem Mann zu erkundigen und ihm zu helfen, wenn ich kann. Aber ich habe vorerst kein Schiff in Aussicht. Die Blockade …«

»Aber wir können Euch ein Schiff besorgen!«, unterbrach ihn Lillian aufgeregt. »Darum geht es ja!«

»Wir glauben, dass wir Euch helfen können, zu einem Schiff zu kommen«, verbesserte Miriam. Sie betrachtete Jamie ausgiebig, wie um seinen Charakter zu beurteilen. Er lächelte ihr zu, um ihr zu bedeuten, dass er ihre Gründlichkeit schätzte, und kurz darauf erwiderte sie sein Lächeln, wenn auch widerstrebend.

»Ihr erinnert mich an jemanden«, sagte sie. Offensichtlich war es jemand, den sie mochte, denn sie nickte ihrer Mutter zu. Mrs Bell seufzte und ließ erleichtert die Schultern hängen.

»Ich habe immer noch Freunde«, sagte sie mit einem Hauch von Trotz. »Trotz … allem.«

Unter diesen Freunden war ein Mann namens DeLancey Hall, der ein Fischerboot besaß und – wie wahrscheinlich die Hälfte der Stadtbewohner – sein Einkommen aufbesserte, indem er ein wenig schmuggelte.

Hall hatte Mrs Bell gesagt, dass er auf ein Schiff aus England wartete, das im Lauf der nächsten Woche nach Wilmington kommen würde – stets vorausgesetzt, dass es nicht unterwegs beschlagnahmt oder versenkt worden war. Da sowohl das Schiff als auch die Ladung einem der ortsansässigen Söhne der Freiheit gehörten, konnte es sich nicht in den Hafen von Wilmington vorwagen, wo zwei britische Kriegsschiffe lagen. Also würde es ein wenig außerhalb des Hafens vor Anker gehen, wo Boote aus dem Ort die Fracht umladen würden, um sie unauffällig an Land zu bringen. Woraufhin das Schiff nach Norden segeln würde, um in New Haven neue Fracht an Bord zu nehmen.

»Und dann fährt es nach Edinburgh!«, meldete sich Lillian mit hoffnungsvoll leuchtendem Gesicht zu Wort.

»Mein Vater hat dort einen Verwandten namens Archibald Bell«, sagte Miriam und hob das Kinn. »Er ist sehr bekannt, glaube ich – er ist Drucker, und –«

»Der alte Archie Bell?« Jamies Miene hatte sich erhellt. »Der die große Enzyklopädie gedruckt hat?«

»Genau dieser, Mr Fraser«, sagte Mrs Bell überrascht. »Ihr wollt doch nicht etwa sagen, dass Ihr ihn kennt, Mr Fraser?«

Zur Verblüffung der Bells musste Jamie tatsächlich lachen.

»Ich habe schon so manchen Abend mit Archie Bell im Wirtshaus verbracht«, versicherte er ihnen. »Und er ist genau der Mann, den ich in Schottland aufsuchen will, denn er bewahrt meine Druckerpresse in seiner Werkstatt auf. Zumindest hoffe ich das«, fügte er hinzu, obwohl seine Fröhlichkeit nicht nachließ.

Diese Neuigkeit trug – zusammen mit einer frischen Runde Wein – erstaunlich zur Ermunterung der Damen Bell bei, und als sie uns schließlich verließen, waren ihre Gesichter vor Aufregung rot, und sie plapperten wie ein Schwarm freundlicher Elstern. Ich blickte zum Fenster hinaus und sah sie die Straße entlanggehen, die Köpfe in hoffnungsvoller Erregung zusammengesteckt. Hin und wieder stolperten sie, vom Wein und ihren Gefühlen aus dem Gleichgewicht gebracht.

Dann sah ich Jamie an.

»Glaubst du, es ist sicher? Dieses Schiff?«

»Himmel, nein.« Er erschauerte und küsste mich auf den Scheitel. »Ganz abgesehen von Stürmen, Holzwürmern, schlechter Zimmermannsarbeit und Ähnlichem, wären da noch die englischen Kriegsschiffe im Hafen, die Privatiers draußen vor dem Hafen –«

»Das habe ich nicht gemeint«, unterbrach ich ihn. »Das gilt doch mehr oder weniger für jede Schiffsreise, oder? Ich habe den Besitzer gemeint – und diesen DeLancey Hall. Mrs Bell glaubt zwar, ihre politische Gesinnung zu kennen, aber …« Aber die Vorstellung, uns – und unser Gold – so vollständig in die Hände fremder Menschen zu begeben, war äußerst beunruhigend.

»Aber«, pflichtete er mir bei. »Aye, ich habe vor, mich gleich morgen früh mit Mr Hall zu unterhalten. Und vielleicht auch mit M. Beauchamp. Doch jetzt –« Er fuhr mir mit der Hand sacht über den Rücken und ließ sie auf meinem Hintern ruhen. »Ian und der Hund kommen frühestens in einer Stunde zurück. Möchtest du noch ein Glas Wein?«