»Nicht, ohne seinen Argwohn zu wecken, nein«, pflichtete ihm Jamie bei. »Aber … wir wissen ja nicht, was er will, aber es könnte doch von großem Vorteil für dich sein, aye? Wie wahrscheinlich ist es denn, dass jemand aus Frankreich keine Kosten und Mühen scheut, um jemanden hierherzuschicken, damit er dir etwas antut, obwohl er dich doch einfach in Amerika dir selbst überlassen könnte?« Er zögerte. »Vielleicht … ist dieser Baron Amandine ja mit dir verwandt?«
Das schien der Stoff von Abenteuerromanen zu sein, und wahrscheinlich war es ja blanker Unsinn. Gleichzeitig jedoch fiel ihm kein vernünftiger Grund ein, warum ein französischer Adeliger sonst einem in einem Bordell geborenen Bastard über zwei Kontinente hinweg nachspüren sollte.
Fergus nickte, antwortete aber nicht sogleich. Er trug an diesem Tag seinen Haken, nicht den mit Kleie gefüllten Handschuh, den er zu offiziellen Anlässen trug, und er kratzte sich vorsichtig damit an der Nase, bevor er etwas sagte.
»Lange Zeit«, sagte er schließlich, »habe ich mir als kleiner Junge eingeredet, ich sei der uneheliche Sohn eines großen Mannes. Ich glaube, das tun alle Waisen«, fügte er leidenschaftslos hinzu. »Es macht einem das Leben erträglicher, wenn man sich einredet, dass es nicht immer so bleiben wird, wie es ist; dass irgendwann jemand kommen wird und einen an seinen rechten Platz holt.«
Er zuckte mit den Achseln.
»Dann wurde ich älter, und mir wurde klar, dass das nicht stimmt. Es würde niemand kommen, um mich zu retten. Aber dann …« Er wandte Jamie den Kopf zu und lächelte ihm geradezu unwiderstehlich zu.
»Dann bin ich noch älter geworden, und ich habe festgestellt, dass es ja doch stimmte. Ich bin der Sohn eines großen Mannes.«
Der Haken berührte Jamies Hand, fest und selbstsicher.
»Mehr wünsche ich mir gar nicht.«
Kapitel 19
Ein Kuss in Liebe
Wilmington, Kolonie North Carolina
18. April 1777
Die Geschäftsräume der Wilmington Gazette waren nicht schwer zu finden. Ihre verkohlten Überreste waren zwar bereits abgekühlt, doch der allzu vertraute Brandgeruch hing noch in der Luft. Ein grob gekleideter Mann mit einem Schlapphut stocherte auf verdächtige Weise in den geschwärzten Holzbalken herum, hielt jedoch inne, als Jamie ihn ansprach, und bahnte sich auf Storchenbeinen seinen Weg aus der Ruine.
»Seid Ihr der Eigentümer der Zeitung, Sir?«, fragte Jamie und streckte die Hand aus, um ihm über einen Stapel halb verbrannter Bücher hinwegzuhelfen, die auf der Schwelle ausgebreitet lagen. »Falls ja, mein Beileid.«
»Oh, nein«, erwiderte der Mann und wischte sich mit einem großen, schmutzigen Taschentuch, das er dann an Jamie weiterreichte, den Ruß von den Fingern. »Amos Crupp ist der Drucker. Aber er ist fort – hat sich davongemacht, als sie die Druckerei angezündet haben. Ich bin Herbert Longfield; mir gehört das Grundstück. Die Druckerei hat mir auch gehört«, fügte er hinzu und sah sich reumütig um. »Ihr seid nicht zufällig Resteverwerter, oder? Ich hab hier einen schönen Eisenklumpen.«
Fergus’ und Marsalis Druckerpresse war nun offensichtlich das einzige verbleibende Exemplar zwischen Charleston und Newport. Die Presse der Gazette stand krumm gebogen und schwarz inmitten der Ruine; man konnte sie zwar noch erkennen, doch sie war nur noch als Alteisen zu verwenden.
»Wann ist das passiert?«, fragte ich.
»Vorletzte Nacht. Kurz nach Mitternacht. Es hat schon lichterloh gebrannt, bevor die Eimerbrigade loslegen konnte.«
»Ein Unfall mit dem Brennofen?«, fragte Jamie. Er bückte sich und hob eines der verstreuten Pamphlete auf.
Longfield lachte zynisch.
»Ihr seid nicht von hier, oder? Ihr sagt, Ihr seid auf der Suche nach Amos?« Er ließ den Blick argwöhnisch von Jamie zu mir und wieder zurückwandern. Er hatte nicht vor, sich Fremden anzuvertrauen, deren politische Gesinnung er nicht kannte.
»James Fraser«, sagte Jamie und schüttelte ihm fest die Hand. »Meine Frau Claire. Wer ist es denn gewesen? Die Söhne der Freiheit?«
Longfields Augenbrauen fuhren in die Höhe.
»Ihr seid wirklich nicht von hier.« Er lächelte unglücklich. »Amos war auf der Seite der Söhne. Hat nicht direkt dazugehört, aber er war ihr Gesinnungsgenosse. Ich habe ihm gesagt, er soll aufpassen, was er schreibt und druckt, und das hat er auch versucht. Aber heutzutage gehört nicht viel dazu. Irgendjemand flüstert ›Verrat‹, und schon wird ein Mann auf der Straße halb totgeprügelt, geteert und gefedert, mit Feuer aus seinem Haus vertrieben – oder sogar umgebracht.«
Er betrachtete Jamie nachdenklich.
»Ihr kanntet Amos also nicht. Darf ich fragen, was Ihr mit ihm zu tun hattet?«
»Ich hatte eine Frage zu einer Nachricht, die in der Gazette abgedruckt worden ist. Ihr sagt, Crupp ist fort. Wisst Ihr, wo ich ihn finden könnte? Ich will ihm nichts Böses«, fügte er hinzu.
Mr Longfield musterte mich aufmerksam. Wahrscheinlich fragte er sich, ob ein Mann, der politische Gewalt im Schilde führte, wohl seine Frau mitbringen würde. Ich lächelte und versuchte, so respektabel und charmant zu wirken wie möglich, und er erwiderte mein Lächeln unsicher. Er hatte eine lange Oberlippe, die ihm das Aussehen eines sehr besorgten Kamels verlieh, ein Eindruck, der durch die exzentrische Stellung seiner Zähne noch verstärkt wurde.
»Nein, das weiß ich nicht«, sagte er, jetzt wieder an Jamie gewandt. Sein Entschluss schien also festzustehen. »Doch er hatte einen Geschäftspartner und einen Gehilfen. Könnte einer dieser beiden vielleicht wissen, wonach Ihr sucht?«
Jetzt war es an Jamie, Longfield abschätzend zu betrachten. Sein Entschluss fiel in Sekunden, und er reichte mir das Pamphlet.
»Möglich. Vor etwas über einem Jahr wurde eine kurze Nachricht über einen Hausbrand in den Bergen abgedruckt. Ich würde gern herausfinden, wer der Zeitung diese Nachricht überbracht haben könnte.«
Longfield runzelte verwundert die Stirn und kratzte sich die lange Oberlippe, wobei er eine Rußspur hinterließ.
»Daran kann ich mich nicht erinnern. Allerdings – nun, ich sage Euch etwas, Sir. Ich wollte George Humphries aufsuchen – das ist Amos’ Geschäftspartner –, nachdem ich einen Blick auf das Grundstück geworfen hatte.« Er blickte hinter sich und verzog das Gesicht. »Warum kommt Ihr nicht mit und fragt ihn?«
»Das ist sehr freundlich von Euch, Sir.« Jamie signalisierte mir mit einem Zucken seiner Augenbraue, dass ich nicht länger gebraucht wurde, um den Schein zu wahren, und ich meiner Wege gehen konnte. Also wünschte ich Mr Longfield einen guten Tag und begab mich auf Futtersuche in den Fleischtöpfen von Wilmington.
Hier gingen die Geschäfte noch besser als in New Bern. Wilmington hatte einen Hochseehafen, und die englische Blockade hatte zwar unweigerlich den Import und Export beeinträchtigt, doch es kamen zumindest noch Schiffe aus der Gegend und küstennahe Paketboote in den Hafen. Außerdem war Wilmington um einiges größer, und auf dem Marktplatz herrschte geschäftiges Treiben. Dort verbrachte ich eine angenehme Stunde damit, Kräuter zusammenzutragen und das Stadtgespräch aufzuschnappen, bevor ich mir ein Käsebrötchen zum Mittagessen kaufte und zum Hafen wanderte, um es zu essen.
Ich schlenderte in aller Seelenruhe umher und hoffte, vielleicht das Schiff zu erspähen, das uns möglicherweise nach Schottland bringen würde, doch ich sah nichts vor Anker liegen, was irgendwie groß genug für eine solche Reise aussah. Aber natürlich: DeLancey Hall hatte ja gesagt, wir würden zunächst auf ein kleines Schiff steigen müssen, vermutlich sein eigenes Fischerboot, und uns aus dem Hafen stehlen müssen, um auf See mit dem größeren Schiff zusammenzutreffen.