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»Ah. Das tut mir leid«, sagte ich mit gesenkter Stimme. Ich hatte das Gefühl, mich entschuldigen zu müssen – obwohl, warum ich mich dafür entschuldigen sollte, nicht verbrannt zu sein …

Er räusperte sich.

»Ja. Nun. Ich, äh, hatte das Gefühl, dass irgendetwas unternommen werden sollte. Irgendein formelles Gedenken an Euer – Euer Dahinscheiden.« Jetzt blickte er auf, und seine grauen Augen sahen mich direkt an. »Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, dass Ihr – alle«, fügte er hinzu, doch dies war deutlich zweitrangig, »einfach so von der Erde verschwinden solltet, ohne dass dieses Ereignis irgendwie – vermerkt wurde.«

Er holte tief Luft und nippte zögerlich an seinem Cidre.

»Selbst wenn es eine Beerdigung gegeben hätte, hätte es für mich keinen Sinn gehabt, nach Fraser’s Ridge zurückzukehren, selbst wenn ich – nun ja. Ich konnte es nicht. Also dachte ich, ich bringe es hier zumindest öffentlich zu Papier. Schließlich«, fügte er leiser hinzu und wandte den Blick wieder ab, »konnte ich Euch ja keine Blumen auf das Grab legen.«

Der Whisky hatte meine Nerven ein wenig beruhigt, doch er kratzte auch im Hals, sodass mir das Sprechen schwerfiel. Ich streckte die Hand aus und berührte kurz die seine, dann räusperte ich mich und betrat vorerst neutralen Boden.

»Eure Hand«, sagte ich. »Wie geht es ihr?«

Überrascht blickte er auf, doch die angespannten Falten in seinem Gesicht glätteten sich ein wenig.

»Sehr gut, danke. Seht Ihr?« Er drehte die rechte Hand um und zeigte mir die große, z-förmige Narbe auf der Handfläche, die gut verheilt, aber immer noch rosa gefärbt war.

»Lasst mich einmal sehen.«

Seine Hand war kalt. Um Beiläufigkeit bemüht, ergriff ich sie, drehte sie, beugte die Finger, um ihre Beweglichkeit zu überprüfen. Er hatte recht; der Hand ging es gut; sie bewegte sich fast normal.

»Ich – ich habe die Übungen gemacht, die Ihr mir aufgetragen habt«, entfuhr es ihm. »Ich mache sie jeden Tag.«

Als ich aufsah, fixierte er mich mit einer Art nervösem Ernst. Seine Wangen waren jetzt rot angelaufen, und mir wurde klar, dass auch dieses Terrain nicht annähernd so neutral war, wie ich gedacht hatte. Bevor ich seine Hand loslassen konnte, drehte sie sich in der meinen um und legte sich auf meine Finger – nicht fest, aber doch so, dass ich mich nicht ohne sichtliche Mühe befreien konnte.

»Euer Mann.« Er verstummte, denn an Jamie hatte er bisher offenbar noch gar nicht gedacht. »Er lebt auch?«

»Äh, ja.«

Zu seiner Ehre verzog er bei dieser Nachricht keine Miene, sondern nickte und atmete aus.

»Es – freut mich, das zu hören.«

Einen Moment lang saß er schweigend da und betrachtete seinen fast unberührten Cidre. Er hielt immer noch meine Hand. Ohne den Kopf zu heben, sagte er leise: »Weiß – er Bescheid? Was ich – wie ich – ich habe ihm den Grund für mein Geständnis nicht gesagt. Habt Ihr es getan?«

»Ihr meint Eure« – ich suchte nach einer passenden Möglichkeit, es zu formulieren –, »Eure, äh, äußerst ritterlichen Gefühle mir gegenüber? Ja, er weiß davon; er hatte großes Mitgefühl mit Euch. Er weiß ja selbst, wie es ist, mich zu lieben«, fügte ich scharf hinzu.

Fast hätte er bei diesen Worten gelacht, was mir die Gelegenheit gab, meine Finger zu befreien. Allerdings sagte er kein Wort davon, dass er mich nicht mehr liebte. Oje.

»Nun, jedenfalls sind wir nicht tot«, sagte ich und räusperte mich erneut. »Was ist mit Euch? Als ich Euch das letzte Mal gesehen habe …«

»Ah.« Er sah alles andere als glücklich aus, sammelte sich aber und nickte. »Nach Eurem überhasteten Aufbruch von der Cruizer stand Gouverneur Martin ohne Sekretär da. Als er feststellte, dass ich einigermaßen lesen konnte« – sein Mund verzog sich ein wenig –, »und dank Eurer Zuwendungen lesbar schreiben konnte, ließ er mich aus der Zelle holen.«

Das überraschte mich nicht. Aus seiner Kolonie vertrieben, war Gouverneur Martin gezwungen gewesen, seine Angelegenheiten von der kleinen Kapitänskajüte des britischen Schiffes aus zu regeln, auf das er sich geflüchtet hatte. Diese Angelegenheiten bestanden zwangsläufig ausschließlich aus Briefen – die samt und sonders nicht nur entworfen, niedergeschrieben und ins Reine geschrieben werden mussten, sondern Stück für Stück mehrfach kopiert werden mussten. Eine Kopie wurde für die offiziellen Korrespondenzakten des Gouverneurs benötigt, eine für jede Person oder Behörde, die an dem jeweiligen Vorgang beteiligt war, und schließlich mussten von jedem Brief, der nach England oder Europa versandt wurde, mehrere Kopien angefertigt werden, die auf verschiedenen Schiffen versandt wurden, in der Hoffnung, dass zumindest eine Ausfertigung ihr Ziel erreichte, falls die anderen versenkt wurden, in die Hände von Piraten oder Privatiers gerieten oder anderweitig unterwegs verloren gingen.

Mir schmerzte die Hand, wenn ich nur daran dachte. Es waren die Erfordernisse der Bürokratie vor der Erfindung des Fotokopierers, die mich davor bewahrt hatten, in einer Zelle zu verrotten; kein Wunder, dass sie auch Christie das Elend der Haft erspart hatten.

»Seht Ihr?«, sagte ich glücklich. »Wenn ich Eure Hand nicht geheilt hätte, hätte er Euch entweder auf der Stelle hinrichten lassen oder Euch an Land schicken lassen, um Euch dort in ein Verlies zu stecken.«

»Ich bin Euch aufrichtig dankbar«, sagte er extrem trocken. »Damals war ich es nicht.«

Christie hatte mehrere Monate als Sekretär des Gouverneurs verbracht. Doch im November war ein Schiff mit neuen Ordern aus England gekommen – man befahl dem Gouverneur mehr oder minder, die Kolonie zu unterwerfen, ohne ihm jedoch Truppen, Waffen oder nützliche Vorschläge zu liefern, wie dieses Vorhaben zu bewerkstelligen sei – und mit einem offiziellen Sekretär.

»An diesem Punkt war der Gouverneur gezwungen, sich von mir zu trennen. Wir hatten … Bekanntschaft geschlossen, da wir ja auf solch engem Raum zusammenarbeiten mussten …«

»Und da Ihr nicht länger nur ein anonymer Mörder wart, wollte er Euch nicht den Federkiel aus der Hand reißen und Euch an der Rah aufknüpfen«, brachte ich den Satz für ihn zu Ende. »Ja, eigentlich ist er ein sehr gütiger Mensch.«

»Das ist er«, bestätigte Christie. »Und er hat es nicht leicht gehabt, der Arme.«

Ich nickte. »Hat er Euch von seinen kleinen Söhnen erzählt?«

»Aye, das hat er.« Er presste die Lippen zusammen – nicht aus Wut, sondern um seine Gefühle zu unterdrücken. Martin und seine Frau hatten nacheinander drei kleine Söhne durch die fiebrigen Erkrankungen der Kolonie verloren; kein Wunder, wenn die traurigen Erzählungen des Gouverneurs auch Tom Christies Wunden erneut geöffnet hatten. Doch dieser schüttelte schwach den Kopf und widmete sich wieder der Erzählung seiner Befreiung.

»Ich hatte … ihm ein wenig von … von meiner Tochter erzählt.« Er ergriff den Cidre, den er bis jetzt kaum angerührt hatte, und trank ihn mit einem Schluck halb leer, als sei er im Begriff zu verdursten. »Ich habe ihm unter vier Augen gestanden, dass mein Geständnis falsch war – obwohl ich gleichzeitig gesagt habe, dass ich mir Eurer Unschuld sicher bin«, versicherte er mir. »Und sollte man Euch jemals erneut deswegen festnehmen, behielte mein Geständnis seine Gültigkeit.«

»Danke«, sagte ich und fragte mich noch beklommener, ob er wusste, wer Malva umgebracht hatte. Er musste es vermutet haben – doch deshalb musste er es noch lange nicht mit Sicherheit wissen, ganz zu schweigen davon, ob er den Grund kannte. Und wo sich Allan jetzt befand, wusste niemand – außer mir, Jamie und Ian.

Gouverneur Martin hatte dieses Geständnis erleichtert aufgenommen und beschlossen, dass ihm unter diesen Umständen nichts anderes übrig blieb, als Christie an Land zu setzen, wo sich die zivile Obrigkeit seiner annehmen konnte.