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»Phaedre hat heute Mittag gesagt, bei Mrs Symonds gäbe es Schinkenbraten mit Senfsoße. Möglicherweise ist ja noch etwas davon übrig. Geht es dir gut?«, fragte ich noch einmal. Es war kalt im Zimmer, doch er hatte einen Schweißfilm im Gesicht und auf der Brust.

»Oh, aye«, erwiderte er. Er setzte sich hin und fuhr sich heftig mit der Hand durch die Haare. »Mit solchen Träumen kann ich leben.« Er schob sich das Haar aus dem Gesicht und lächelte mich an. »Du siehst aus wie eine Pusteblume, Sassenach. Hast du auch unruhig geschlafen?«

»Nein«, sagte ich. Ich stand auf und zog mir das Hemd über, bevor ich nach meiner Bürste griff. »Das kommt von der Unruhe vor dem Einschlafen. Oder kannst du dich nicht mehr daran erinnern?«

Er lachte, wischte sich das Gesicht ab, stand auf, um den Nachttopf zu benutzen, und zog sich danach das Hemd an.

»Was ist denn mit den anderen Träumen?«, fragte ich.

»Was?« Er steckte den Kopf aus dem Hemd und betrachtete mich fragend.

»Du hast gesagt, ›Mit solchen Träumen kann ich leben‹. Was ist mit denen, mit denen du nicht leben kannst?«

Ich sah, wie die Falten in seinem Gesicht erbebten wie eine Wasserfläche, die von einem Kiesel getroffen wird. Impulsiv streckte ich die Hand aus und umklammerte sein Handgelenk.

»Versteck dich nicht«, sagte ich leise. Ich hielt ihn mit meinem Blick fest, um zu verhindern, dass er seine Maske aufsetzte. »Vertrau mir.«

Jetzt wandte er den Blick ab, jedoch nur, um sich zu sammeln; er versteckte sich nicht. Als er mich wieder ansah, konnte ich alles in seinen Augen sehen – Verwirrung, Verlegenheit, Demütigung und die Überreste eines lang unterdrückten Schmerzes.

»Ich träume … manchmal …«, sagte er stockend, »von Dingen, die mir gegen meinen Willen angetan worden sind.« Er schnaubte tief und ungeduldig durch die Nase. »Und dann wache ich mit einem Ständer auf, und meine Eier pochen, und am liebsten würde ich dann losziehen und jemanden umbringen, angefangen mit mir selbst«, schloss er hastig und verzog das Gesicht.

»Es kommt nicht oft vor«, fügte er hinzu. »Und ich … Niemals würde ich nach einem solchen Traum zu dir kommen. Das solltest du wissen.«

Ich drückte meine Hand fester um sein Handgelenk. Am liebsten hätte ich gesagt, das kannst du aber – es würde mir nichts ausmachen, denn das war die Wahrheit, und es gab einmal eine Zeit, in der ich es ohne Zögern gesagt hätte. Doch jetzt war ich um einige Erfahrungen reicher, und wäre ich es gewesen, hätte ich je von Harley Boble oder dem schwabbeligen Mann geträumt und wäre erregt aus diesem Traum aufgewacht – nein, das Letzte, was ich getan hätte, wäre, mich mit diesem Gefühl an Jamie zu wenden oder seinen Körper zu benutzen, um es auszulöschen.

»Danke«, sagte ich stattdessen leise. »Dass du es mir gesagt hast«, fügte ich hinzu. »Und für das Messer.«

Er nickte und wandte sich ab, um seine Hose aufzuheben.

»Schinken hört sich gut an«, sagte er.

Kapitel 20

Ich bedaure …

Long Island, Kolonie New York

September 1776

William wünschte, er könnte mit seinem Vater sprechen. Nicht, so versicherte er sich selbst, weil er gern gehabt hätte, dass ihn Lord John beeinflusste; gewiss nicht. Er hätte sich nur gern einige praktische Ratschläge geholt. Doch Lord John war nach England zurückgekehrt, und William war auf sich selbst gestellt.

Nun, nicht ganz auf sich selbst. Im Moment war er für eine Abordnung von Soldaten verantwortlich, die einen Zollposten am Rand von Long Island bewachten. Er schlug heftig nach einem Moskito, der auf seinem Handgelenk landete, und ausnahmsweise erwischte er das Tier. Er wünschte, er könnte mit Clarewell genauso verfahren.

Leutnant Edward Markham, Marquis von Clarewell. Von William und einigen seiner engeren Freunde Ned Kinnlos genannt oder auch der Arschkriecher. William schlug nach seinem eigenen Kinn, weil dort etwas krabbelte, stellte fest, dass zwei seiner Männer verschwunden waren, und schritt auf den Wagen zu, mit dessen Überprüfung sie beauftragt waren, wobei er ihre Namen brüllte.

Der Gefreite Welch tauchte hinter dem Wagen auf wie ein Schachtelteufel. Er sah erschrocken aus und wischte sich den Mund ab. William beugte sich vor, roch seinen Atem und sagte knapp: »Das gibt Ärger. Wo ist Launfal?«

Im Wagen, in dem er einen hastigen Handel mit dem Wagenbesitzer schloss, um diesen um drei Flaschen des Schmuggelbrandys zu erleichtern, den besagter Herr illegal zu importieren versuchte. Während er wütend nach den Horden menschenfressender Moskitos schlug, die aus den umliegenden Marschen herbeigeschwärmt kamen, nahm er den Wagenfahrer fest und rief die drei anderen Männer seines Kommandos herbei, damit sie den Schmuggler, Welch und Launfal zum Sergeanten eskortierten. Dann packte er seine Muskete und stellte sich mitten auf die Straße. Allein und grimmig stand er dort und wartete darauf, dass jemand den Versuch wagte zu passieren.

Obwohl den ganzen Morgen über reger Verkehr auf der Straße geherrscht hatte, versuchte es ironischerweise vorerst niemand mehr, sodass er seine ganze schlechte Laune auf den Gedanken an Clarewell richten konnte.

Ned Kinnlos war der Erbe einer sehr einflussreichen Familie, die in engster Verbindung mit Lord North stand. Er war eine Woche vor William in New York eingetroffen und war ebenfalls General Howes Stab zugeteilt worden. Dort hatte er sich gemütlich niedergelassen und war um General Howe und Hauptmann Pickering herumscharwenzelt. Zu Howes Ehrenrettung musste man sagen, dass er den Arschkriecher meistens anblinzelte, als versuchte er, sich ins Gedächtnis zu rufen, wer zum Teufel das war. Pickering jedoch, sein Hauptadjutant, war ein eitler Mensch, was ihn für Neds dienstbeflissene Schleimereien weitaus anfälliger machte.

Dies führte dazu, dass Kinnlos regelmäßig die interessanteren Aufgaben abbekam und mit dem General kurze Erkundungsritte unternahm oder ihm bei Begegnungen mit indianischen Würdenträgern assistierte, während es William und mehreren anderen rangniedrigen Offizieren überlassen blieb, Papiere zu ordnen und mit den Hufen zu scharren. Ein hartes Brot nach den Freiheiten und Abenteuern des Kundschafterdaseins.

Die Einschränkungen der Kasernierung und der Armeebürokratie hätte er ja ertragen können. Sein Vater hatte ihn gründlich in der Notwendigkeit unterwiesen, unter widrigen Umständen die Beherrschung zu behalten, sich nicht der Langeweile zu ergeben, mit Idioten umzugehen und eisige Höflichkeit als Waffe einzusetzen. Einer der Männer jedoch, der nicht über Williams Charakterstärke verfügte, hatte es eines Tages nicht mehr ausgehalten. Unfähig, der Tatsache zu widerstehen, dass Neds Profil eine wandelnde Einladung zur Karikatur war, hatte er eine Zeichnung angefertigt, auf der Hauptmann Pickering den rangniedrigeren Stabsmitgliedern mit heruntergelassener Hose einen Vortrag hielt, ohne anscheinend zu bemerken, dass ihm Ned mit dem Kopf zuerst grinsend aus dem Hintern gekrochen kam.

William hatte diesen Spaß zwar nicht gezeichnet – obwohl er von Herzen wünschte, er hätte es getan –, doch er war von Ned persönlich dabei erwischt worden, wie er darüber lachte – woraufhin ihn Ned in einer seltenen Anwandlung von Männlichkeit auf die Nase geboxt hatte. Die folgende Prügelei hatte das Quartier der Jungoffiziere leer gefegt, einige unbedeutende Möbelstücke vernichtet und am Ende dazu geführt, dass William, dem das Blut auf das Hemd tropfte, Haltung vor Hauptmann Pickering annehmen musste, der die skurrile Zeichnung vor sich auf dem Tisch liegen hatte und ihn kalt ansah.

William hatte natürlich geleugnet, der Urheber der Zeichnung zu sein, sich aber auch geweigert, den Künstler preiszugeben. Er hatte die Methode »eisige Höflichkeit« angewandt, die insofern funktioniert hatte, als ihn Pickering nicht zum Auspeitschen geschickt hatte. Sondern nur nach Long Island.