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»Dieser verfluchte Schleimbeutel«, knurrte er und funkelte ein näher kommendes Milchmädchen so durchdringend an, dass es stehen blieb und sich dann mit angsterfüllter Miene an ihm vorbeischob, als könnte er explodieren. Er fletschte die Zähne, und sie stieß einen Schreckensruf aus und huschte so schnell davon, dass die Milch aus den Eimern schwappte, die sie auf einem Joch auf den Schultern trug.

Das tat ihm leid; er wäre ihr gern gefolgt, um sich zu entschuldigen. Doch das konnte er nicht; zwei Viehtreiber kamen mit einer Schweineherde auf ihn zu. William warf einen Blick auf die Masse aus quiekendem Schweinefleisch, die mit zerfetzten Ohren schlammfleckig auf ihn zugewogt kam, und hüpfte behände auf den Eimer, der sein Kommandoposten war. Die Viehtreiber winkten ihm fröhlich zu und riefen etwas, das genauso gut ein Gruß wie eine Beleidigung sein konnte – er war sich nicht einmal sicher, ob sie Englisch sprachen, und er hatte auch nicht die geringste Lust, es herauszufinden.

Die Schweine zogen vorüber und ließen ihn in einem Meer aus zerwühltem Dreck zurück, der reichlich mit frischem Kot übersät war. Er hieb nach der vorwitzigen Moskitowolke, die sich erneut um seinen Kopf gesammelt hatte, und dachte dabei, dass er allmählich die Nase voll hatte. Er befand sich seit zwei Wochen auf Long Island – was dreizehneinhalb Tage zu lang war. Allerdings noch nicht lange genug, um ihn zu einer Entschuldigung bei Kinnlos oder dem Hauptmann zu bewegen.

»Speichellecker«, knurrte er.

Er hatte eine Alternative. Und je mehr Zeit er hier draußen bei den Moskitos verbrachte, desto attraktiver kam ihm diese vor.

Der Weg von seinem Außenposten zum Hauptquartier war viel zu weit, um ihn zweimal am Tag zu reiten. Demzufolge hatte man ihn bei einem Mann namens Culper und seinen beiden Schwestern einquartiert. Culper war nicht sehr begeistert; immer, wenn er William sah, begann sein linkes Auge zu zucken, doch die beiden älteren Damen kümmerten sich rührend um ihn, und er revanchierte sich, indem er ihnen hin und wieder einen konfiszierten Schinken oder einen ordentlichen Tropfen mitbrachte. Am Abend zuvor hatte er sie mit einem schönen Stück Speck überrascht, als ihn Ms Abigail Culper flüsternd davon in Kenntnis setzte, dass er einen Besucher hatte.

»Er ist draußen im Garten und raucht«, hatte sie gewispert und mit ihrem häubchenbesetzten Kopf am Haus vorbeigewiesen. »Meine Schwester wollte ihn nicht im Haus rauchen lassen.«

Er hatte einen seiner Freunde erwartet, der ihm Gesellschaft leisten wollte oder ihm vielleicht die Nachricht von einer offiziellen Begnadigung überbrachte, die sein Exil auf Long Island beendet hätte. Stattdessen hatte er Hauptmann Richardson vorgefunden, der mit der Pfeife in der Hand gebannt zusah, wie der Hahn der Culpers eine Henne begattete.

»Die Freuden des Landlebens«, bemerkte der Hauptmann, als der Hahn rückwärts von der Henne fiel. Der Hahn rappelte sich auf und krähte zerrupft, aber triumphierend, während die Henne ihre Federn zurechtschüttelte und weiterpickte, als wäre nichts geschehen. »Still hier draußen, nicht wahr?«

»O ja«, sagte William. »Euer Diener, Sir.«

So still war es eigentlich gar nicht. Ms Beulah Culper hielt ein halbes Dutzend Ziegen, die Tag und Nacht meckerten, auch wenn Ms Beulah William versicherte, dass sie die Diebe vom Maisspeicher fernhielten. Just in diesem Moment brach eines dieser Geschöpfe in seinem Stall in wildes Gelächter aus, sodass Hauptmann Richardson seinen Tabaksbeutel fallen ließ. Einige der anderen Ziegen stießen Mäh-Laute aus, als wollten sie ihm Beifall spenden.

William bückte sich, um den Beutel aufzuheben. Er versuchte, sich unbeteiligt zu geben, selbst wenn sein Herz hämmerte. Richardson war den weiten Weg nach Long Island schließlich nicht zum Zeitvertreib gekommen.

»Himmel«, brummte Richardson mit einem Blick in Richtung der Ziegen. Er schüttelte den Kopf und wies auf die Straße. »Gehen wir ein Stück, Leutnant?«

»Aber gern.«

»Ich habe ein wenig über Eure gegenwärtige Lage gehört.« Richardson lächelte. »Ich kann gern mit Hauptmann Pickering sprechen, wenn Ihr möchtet.«

»Das ist sehr gütig von Euch«, sagte William. »Ich fürchte aber, ich kann mich nicht für etwas entschuldigen, das ich nicht getan habe.«

Richardson winkte mit der Pfeife ab. »Pickering reagiert zwar schnell gereizt, aber er ist nicht nachtragend. Ich kümmere mich darum.«

»Danke, Sir.« Und was hättet Ihr gern dafür?, dachte William.

»Es gibt da einen gewissen Hauptmann Randall-Isaacs«, sagte Richardson beiläufig, »der im Lauf des Monats nach Kanada aufbrechen wird, wo er im Auftrag des Militärs etwas zu erledigen hat. Während seines Aufenthalts wird er sich möglicherweise mit … einer gewissen Person treffen, die der Armee nützliches Wissen zukommen lassen kann. Ich habe jedoch Grund zu der Annahme, dass diese Person kaum Englisch spricht – und Hauptmann Randall-Isaacs spricht leider kein Französisch. Ein Reisebegleiter, der diese Sprache beherrscht, wäre vielleicht … hilfreich.«

William nickte, stellte aber keine Fragen. Dafür war noch genug Zeit, falls er beschloss, Richardsons Auftrag anzunehmen.

Auf dem Rückweg tauschten sie Belanglosigkeiten aus, woraufhin Hauptmann Richardson Ms Beulahs Einladung zum Abendessen höflich ablehnte und beim Abschied noch einmal versprach, mit Hauptmann Pickering zu sprechen.

Sollte er es tun?, fragte sich William später, während er Abel Culpers keuchendem Schnarchen im Zimmer unter ihm lauschte. Es war Vollmond, und der Speicher hatte zwar keine Fenster, doch er konnte seine Anziehungskraft spüren; er konnte bei Vollmond nie schlafen.

Sollte er in New York bleiben in der Hoffnung, entweder seine Stellung zu verbessern oder zumindest irgendwann zum Kampfeinsatz zu kommen? Oder Schadensbegrenzung betreiben und Richardsons neuen Auftrag annehmen?

Sein Vater würde ihm zweifellos zu ersterer Vorgehensweise raten; ein Offizier hatte die besten Chancen, wahrgenommen und befördert zu werden, wenn er sich im Kampf hervortat, nicht in der zwielichtigen – und etwas verrufenen – Welt der Spionage. Dennoch … Die Eintönigkeit und die Einschränkungen der Armee störten ihn sehr, nachdem er sich wochenlang frei bewegt hatte. Und er hatte sich nützlich gemacht, das wusste er.

Was konnte schon ein einzelner Leutnant bewirken, erdrückt unter der Masse der höheren Dienstränge, vielleicht mit der Befehlsgewalt über eine eigene Kompanie versehen, aber trotzdem verpflichtet, selbst Befehle zu befolgen, niemals frei, sich auf sein eigenes Urteilsvermögen zu verlassen … Er grinste zu den Dachsparren auf, die dicht über seinem Gesicht schwach zu sehen waren, und dachte daran, was sein Onkel Hal wohl über das Urteilsvermögen rangniederer Offiziere zu sagen haben würde.

Doch Onkel Hal war so viel mehr als nur Berufssoldat; er sorgte sich leidenschaftlich um sein Regiment: um dessen Wohlergehen und Ehre, um die Männer unter seinem Kommando. William hatte sich eigentlich noch keine längerfristigen Gedanken über seine Zukunft in der Armee gemacht. Der Amerikafeldzug würde ja nicht lange dauern – und dann?

Er war reich – zumindest würde er reich sein, wenn er die Volljährigkeit erreichte, und das würde bald geschehen, auch wenn es ihm wie eines dieser Gemälde vorkam, die sein Vater so mochte und deren Perspektive das Auge in eine unmögliche Unendlichkeit lenkte. Doch wenn er sein Geld erst hatte, konnte er sich ein besseres Patent kaufen, wo immer es ihm gefiel – vielleicht einen Hauptmannsrang bei den Lanciers … Es würde keine Rolle spielen, ob er sich in New York irgendwie distinguiert hatte.

Sein Vater – jetzt konnte William ihn hören, und er zog sich das Kissen über den Kopf, um ihn auszusperren – würde ihm allerdings predigen, dass der Ruf eines Mannes oft an seinen unbedeutendsten Handlungen hing, an den alltäglichen Entscheidungen, die er ehrenhaft und verantwortungsvoll traf, nicht am Drama heldenhafter Schlachten. William interessierte sich aber nicht für alltägliche Verantwortlichkeiten.