Es war jedoch viel zu heiß, um unter dem Kissen zu verharren, und mit einem gereizten Stöhnen warf er es auf den Boden.
»Nein«, sagte er laut zu Lord John. »Ich gehe nach Kanada.« Dann ließ er sich in sein feuchtes, klumpiges Bett zurückfallen und verschloss die Augen und Ohren vor jedem weiteren klugen Rat.
Eine Woche später waren die Nächte so kühl geworden, dass William für Ms Beulahs Herdfeuer und ihren Austerneintopf dankbar war – und Gott sei Dank so kalt, dass sie die verdammten Moskitos schlagartig reduziert hatten. Die Tage waren jedoch immer noch sehr warm, daher fand es William geradezu angenehm, als man ihn und seine Männer dazu abkommandierte, den Strand nach einem vermeintlichen Schmugglerversteck abzusuchen, von dem Hauptmann Hanks Wind bekommen hatte.
»Ein Versteck mit was?«, fragte Perkins, dem wie üblich der Mund halb offen hing.
»Hummern«, antwortete William sarkastisch, bedauerte es jedoch, als er Perkins’ verwirrte Miene sah. »Ich weiß es nicht, aber Ihr werdet es wahrscheinlich erkennen, wenn Ihr es findet. Trinkt es aber nicht, sondern holt mich.«
Schmugglerboote brachten fast alles nach Long Island, doch es war nicht sehr wahrscheinlich, dass das jüngste Gerücht eine Ladung Bettwäsche oder Porzellan betraf. Vielleicht war es Brandy, vielleicht Ale, doch mit ziemlicher Sicherheit war es etwas Trinkbares; Alkohol war bei Weitem die profitabelste Schmuggelware. William teilte die Männer jeweils zu zweit ein und schickte sie los. Er sah ihnen nach, bis sie sich ein ordentliches Stück entfernt hatten, dann seufzte er tief auf und lehnte sich an einen Baum.
Die einzigen Bäume, die in Strandnähe wuchsen, waren verkrüppelte Kiefern, doch der Seewind strich angenehm durch ihre Nadeln und rauschte ihm beruhigend in den Ohren. Er seufzte noch einmal, diesmal vor Vergnügen, weil ihm erst jetzt wieder auffiel, wie sehr er das Alleinsein liebte; er war seit einem Monat nicht mehr für sich gewesen. Wenn er allerdings Richardsons Angebot annahm … Nun, natürlich würde Randall-Isaacs bei ihm sein, aber dennoch – er würde wochenlang unterwegs sein, frei von jeder Einschränkung durch Dienstpflichten und Armeedrill. Stille zum Nachdenken. Kein Perkins mehr!
Er fragte sich zum Spaß, ob es ihm wohl gelingen würde, sich in das Quartier des Offiziersnachwuchses zu schleichen und Kinnlos zu Brei zu schlagen, bevor er wie eine Rothaut in der Wildnis verschwand. Ob er eine Maske tragen musste? Nicht, wenn er wartete, bis es dunkel war, beschloss er. Ned würde ihn zwar wahrscheinlich im Verdacht haben, doch wenn er Williams Gesicht nicht sehen konnte, konnte er ihm schwer etwas beweisen. Doch war es nicht feige, Ned im Schlaf zu attackieren? Ach, im Grunde kein Problem; er würde Kinnlos mit dem Inhalt seines Nachttopfes überschütten, bevor er loslegte.
Eine Seeschwalbe segelte dicht an seinem Kopf vorbei und schreckte ihn aus diesen vergnüglichen Überlegungen auf. Seine Bewegung erschreckte wiederum den Vogel, der indigniert aufkreischte, weil sich William als nicht essbar erwies, und über das Wasser davonflog. Er bückte sich nach einem Kiefernzapfen und warf ihn nach dem Vogel. Er traf zwar meilenweit daneben, doch das kümmerte ihn nicht. Noch heute Abend würde er Richardson eine Note schicken und Ja sagen. Der Gedanke daran ließ sein Herz schneller schlagen, und er wurde von einem Hochgefühl erfasst, das ihn beflügelte wie die Seeschwalbe in der Luft.
Er rieb sich die sandigen Finger an seiner Hose ab und erstarrte, weil sich auf dem Wasser etwas bewegte. Eine Schaluppe kreuzte vor dem Strand. Dann entspannte er sich, weil er das Schiff erkannte – Rogers, dieser Schurke.
»Was suchst du wohl hier?«, murmelte er. Er trat auf den Sandstrand hinaus und stellte sich ins Dünengras, die Fäuste in die Hüften gestemmt, die Uniform deutlich sichtbar – für den Fall, dass Rogers irgendwie übersehen hatte, dass Williams Männer über den ganzen Strand verteilt waren, rötliche Punkte, die wie Bettwanzen über die Dünen krochen. Falls Rogers ebenfalls von dem Schmugglerversteck gehört hatte, gedachte William, ihm klarzumachen, dass seine Soldaten das Vorrecht darauf hatten.
Robert Rogers war eine zwielichtige Gestalt, die vor ein paar Monaten in New York aufgetaucht war und es irgendwie fertiggebracht hatte, General Howe ein Majorspatent abzuluchsen und seinem Bruder, dem Admiral, eine Schaluppe. Er sagte, er wäre Indianerkämpfer und kleidete sich selbst gern wie ein Indianer. Allerdings war er durchaus tatkräftig: Er hatte genug Männer rekrutiert, um daraus zehn Kompanien adrett gekleideter Waldläufer zu bilden. Rogers selbst jedoch machte mit seiner kleinen Bande von Männern, die genauso verrucht aussahen wie er, weiter die Küste in seinem Boot unsicher und hielt Ausschau nach Rekruten, Spionen, Schmugglern und allem – davon war William überzeugt –, was nicht niet- und nagelfest war.
Die Schaluppe näherte sich, und er sah Rogers an Deck stehen, einen dunkelhäutigen Mann Ende vierzig, der so aussah, als hätte er schon einiges hinter sich, und dessen Miene Bosheit ausstrahlte. Doch als er William sah, winkte er jovial. William hob höflich die Hand, um die Begrüßung zu erwidern; falls seine Männer etwas fanden, konnte er Rogers möglicherweise brauchen, um die Beute auf die New Yorker Seite zurückzutransportieren – begleitet von einem Wachtposten, der verhinderte, dass sie unterwegs verschwand.
Es gab viele Geschichten über Rogers – einige davon hatte er eindeutig selbst in Umlauf gebracht. Doch soweit William wusste, bestand seine größte Errungenschaft darin, dass er einmal versucht hatte, General Washington seine Aufwartung zu machen – woraufhin sich dieser nicht nur geweigert hatte, ihn zu empfangen, sondern ihn ohne Umschweife aus dem Lager der Kontinentalarmee hatte werfen lassen und ihm jeden weiteren Zutritt verwehrt hatte. William hielt dies für eine kluge Entscheidung des Mannes aus Virginia.
Und jetzt? Die Schaluppe hatte die Segel gerefft und ließ ein kleines Boot zu Wasser. Es war Rogers, der persönlich herübergerudert kam. Sofort war Williams Argwohn geweckt. Dennoch watete er ins Wasser und packte das Dollbord, um Rogers dabei zu helfen, das Boot auf den Strand zu ziehen.
»Es ist mir eine Freude, Leutnant!« Rogers grinste ihn an, selbstbewusst trotz seiner Zahnlücken. William salutierte ihm knapp und formell.
»Major.«
»Suchen Eure Männer vielleicht nach einer Ladung Wein aus Frankreich?«
Verdammt, er hatte das Versteck schon gefunden!
»Wir haben gehört, dass man hier Schmuggler gesichtet hat«, sagte William steif. »Wir gehen dem Hinweis nach.«
»Natürlich«, pflichtete ihm Rogers freundlich bei. »Soll ich Euch etwas Zeit ersparen? Versucht es einmal in der anderen Richtung –« Er wandte den Kopf und wies mit dem Kinn auf eine Ansammlung verfallener Fischerhütten, die eine Viertelmeile von ihnen entfernt standen. »Die Ware ist –«
»Das haben wir schon getan«, unterbrach William.
»Die Ware ist hinter den Hütten im Sand vergraben«, beendete Rogers seinen Satz, ohne die Unterbrechung zu beachten.
»Vielen Dank, Major«, sagte William so höflich, wie es ihm möglich war.
»Wir haben gestern Abend zwei Kerle beobachtet, die die Ware vergraben haben«, erklärte Rogers. »Ich glaube aber nicht, dass sie sie schon abgeholt haben.«
»Ihr beobachtet also diesen Küstenstreifen, wie ich sehe«, stellte William fest. »Haltet Ihr nach etwas Bestimmtem Ausschau? Sir«, fügte er hinzu.
Rogers lächelte.
»Da Ihr es erwähnt, Sir, ja, das tue ich. Hier läuft ein Kerl herum, der verdammt neugierige Fragen stellt, und ich würde mich sehr gern mit ihm unterhalten. Falls einer Eurer Männer ihn zu Gesicht bekommen sollte …?«
»Gewiss, Sir. Kennt Ihr seinen Namen, oder wisst Ihr, wie er aussieht?«
»Zufällig beides«, erwiderte Rogers prompt. »Ein kräftiger Kerl mit einem Narbengesicht von einer Pulverexplosion. Wenn Ihr ihn sehen würdet, würdet Ihr ihn sofort erkennen. Ein Rebell aus einer Rebellensippe in Connecticut – Hale ist sein Name.«