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»Pah«, sagte Hale und lachte. »Ich bin doch hier unter Freunden. Haben wir nicht gerade alle auf General Washington und die Verwirrung des Königs getrunken?« Etwas nüchterner, aber voller Feuereifer schob er seinen Hut beiseite und winkte dem Wirt, mehr Bier zu bringen. »Trinkt noch etwas, Sir, und erzählt mir, was Ihr gesehen habt.«

William verspürte plötzlich den überwältigenden Impuls zu rufen: »Halt den Mund, du Volltrottel!«, oder mit irgendetwas nach Hale zu werfen. Doch es war viel zu spät, selbst wenn er das tatsächlich hätte tun können. Er hatte das Hühnerbein, das er gegessen hatte, noch in der Hand; jetzt fiel es ihm auf, und er warf es fort. Sein Magen war verknotet, und er hatte einen bitteren Geschmack im Hals, auch wenn sein Blut weiterhin vor Erregung kochte.

Hale gab immer mehr vernichtende Geständnisse von sich, unter den bewundernden Ermunterungen und patriotischen Ausrufen von Rogers’ Männern, die ihre Rolle vorzüglich spielten, wie er zugeben musste. Wie lange würde Rogers das Ganze noch weitergehen lassen? Würden sie ihn hier festnehmen, im Wirtshaus? Wahrscheinlich nicht – einige der anderen Gäste waren zweifellos Sympathisanten der Rebellen und würden sich vielleicht dazu hinreißen lassen, Hale zu Hilfe zu kommen, wenn Rogers ihn in ihrer Mitte festnahm.

Rogers schien keine Eile zu haben. Es folgte noch eine gute halbe Stunde ermüdender Spötteleien. Immer wieder schien Rogers mit Kleinigkeiten herauszurücken, woraufhin Hale jedes Mal etwas viel Wichtigeres preisgab. Seine kräftigen Wangen leuchteten vom Bier und vor Aufregung über das Wissen, das er hier zusammentrug. William wurden die Beine, die Füße, die Hände und das Gesicht taub, und seine Schultern schmerzten von der Anspannung. Ein Knirschen in seiner Nähe lenkte ihn von der Szene im Innenraum ab, und er blickte zu Boden, weil ihm plötzlich ein penetrantes Aroma auffiel, das sich irgendwie unbemerkt in seine Nähe gestohlen hatte.

»Himmel!« Er fuhr zurück, wobei er fast mit dem Ellbogen das Fenster eingeschlagen hätte, und stieß krachend gegen die Wand des Wirtshauses. Das Stinktier, das sich beim Genuss des weggeworfenen Hühnerbeins gestört sah, hob augenblicklich den Schwanz – durch den weißen Streifen war die Bewegung deutlich zu sehen. William erstarrte.

»Was war das?«, sagte jemand im Inneren, und er hörte, wie eine Bank zurückgeschoben wurde. Mit angehaltenem Atem schob er sich einen halben Meter zur Seite, um erneut zu erstarren, als er ein schwaches Klopfen hörte und den weißen Streifen wackeln sah. Verdammt, das Biest stampfte mit den Füßen. Ein Anzeichen seines unmittelbar bevorstehenden Angriffs, war ihm gesagt worden – von Leuten, deren mitgenommener Zustand keinen Zweifel daran ließ, dass sie aus Erfahrung sprachen.

Schritte näherten sich der Tür, es kam jemand, um nachzusehen. Himmel, wenn sie ihn hier beim Lauschen erwischten … Er biss die Zähne zusammen und hielt sich für einen aufopferungsvollen Satz außer Sichtweite bereit – doch was dann? Er konnte nicht wieder zu Rogers und den anderen stoßen, wenn er nach Stinktier stank. Doch wenn –

Die Tür öffnete sich, und das setzte allen Spekulationen ein Ende. Aus einem Reflex heraus stürzte William zur Ecke des Wirtshauses. Das Stinktier folgte ebenfalls einem Reflex – durch das Öffnen der Tür aufgeschreckt, änderte es jedoch anscheinend seine Zielrichtung. William stolperte über einen Ast und landete bäuchlings in einem Abfallhaufen, während hinter ihm ein ohrenbetäubender Schrei erscholl und die Nacht in Grauen versank.

William hustete, keuchte und versuchte, die Luft anzuhalten, bis er außer Reichweite war. Dann musste er doch nach Luft schnappen, und seine Lunge füllte sich mit einer Substanz, die so wenig mit jedem normalen Geruchserlebnis zu tun hatte, dass man eigentlich eine völlig neue Vokabel dafür erfinden musste. Würgend und spuckend stolperte er mit tränenden Augen in die Dunkelheit der anderen Straßenseite und konnte von dort beobachten, wie sich das Stinktier beleidigt davonmachte und sein Opfer unter extrem verstörten Lauten auf der Eingangsstufe des Wirtshauses zusammenbrach.

William hoffte, dass es nicht Hale war. Abgesehen von den praktischen Schwierigkeiten, die es mit sich gebracht hätte, einen Mann festzunehmen und zu transportieren, der das Opfer einer solchen Attacke geworden war, wäre es unmenschlich gewesen, dem Opfer dann auch noch Salz in die Wunden zu streuen, indem man es hängte.

Es war nicht Hale. Im Fackelschein sah er das flachsblonde Haar unter den Köpfen aufleuchten, die fragend aus der Tür gesteckt wurden, um hastig wieder zu verschwinden.

Stimmen drangen zu ihm herüber; man diskutierte, wie am besten vorzugehen sei. Essig wurde benötigt, darin war man sich einig, und zwar in großen Mengen. Das Opfer hatte sich inzwischen so weit erholt, dass es ins hohe Gras kriechen konnte, wo alsbald heftige Würgegeräusche ertönten. Dies führte gemeinsam mit der Luftverpestung dazu, dass sich auch einige der anderen Herren übergeben mussten, und auch William spürte, wie ihm die Galle hochkam, doch er unterdrückte den Brechreiz, indem er sich fest die Nase zukniff.

Er war zwar durchgefroren, aber glücklicherweise gut durchgelüftet, als man das Opfer schließlich nach Hause schickte – seine Freunde trieben den Mann wie eine Kuh über die Straße, weil ihn niemand anfassen wollte – und sich das Wirtshaus leerte, weil bei diesem Gestank niemand mehr Hunger oder Durst hatte. Er konnte hören, wie der Wirt vor sich hin fluchte, als er sich aus der Tür lehnte, um die Fackel neben dem Wirtshausschild herunterzunehmen und sie zischend in die Regentonne zu halten.

Hale, dessen gewählte Ausdrucksweise in der Dunkelheit gut auszumachen war, wünschte allen eine gute Nacht und machte sich auf den Weg nach Flushing, wo er sich wohl ein Nachtquartier suchen wollte. Rogers – William erkannte ihn an seiner Pelzweste, die selbst bei Sternenlicht zu erkennen war – wartete am Straßenrand und sammelte schweigend seine Männer um sich, während sich die Menge zerstreute. Erst als die anderen Gäste außer Sichtweite waren, wagte William, zu ihnen zu treten.

»Ja?«, sagte Rogers, als er ihn bemerkte. »Dann sind ja alle da. Gehen wir.« Und sie setzten sich in Bewegung, ein lautloses Rudel, das der Straße folgte, die Augen und Ohren auf die Spur seines ahnungslosen Opfers geheftet.

Sie sahen die Flammen vom Wasser aus. Die Stadt brannte, vor allem der Distrikt am East River, doch es war windig, und das Feuer breitete sich aus. Rogers’ Männer tauschten aufgeregt Spekulationen aus; hatten die Sympathisanten der Rebellen die Stadt in Brand gesetzt?

»Es können genauso gut betrunkene Soldaten gewesen sein«, sagte Rogers mit grimmiger, teilnahmsloser Stimme. William wurde schwindelig, als er den rot glühenden Himmel sah. Der Gefangene schwieg.

Irgendwann fanden sie General Howe – in Beekman House, seinem Hauptquartier, das außerhalb der Stadt lag. Er war rotäugig vom Rauch, vom Schlafmangel und vor durchdringender Wut. Noch jedoch behielt er diese Wut unter Kontrolle. Er ließ Rogers und den Gefangenen in die Bibliothek kommen, wo er seine Amtsstube eingerichtet hatte. Nachdem er einen kurzen, erstaunten Blick auf Williams Aufmachung geworfen hatte, schickte er diesen zu Bett.

Fortnum stand auf dem Dachboden und beobachtete den Brand vom Fenster aus. Es gab nichts, was sie hätten tun können. William trat an seine Seite. Er fühlte sich seltsam leer und unwirklich. Kalt, obwohl der Boden unter seinen nackten Füßen warm war.

Hin und wieder stob eine Funkenfontäne auf, wenn die Flammen auf etwas besonders Brennbares stießen, doch eigentlich war aus dieser Entfernung nicht viel mehr zu sehen als der blutrot glühende Himmel.

»Sie werden uns die Schuld dafür geben, wisst Ihr«, sagte Fortnum nach einer Weile.