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Regentin. Was ich mit unsäglicher Geduld beruhigte, wird er durch Härte und Grausamkeiten wieder aufhetzen; ich werde vor meinen Augen mein Werk verloren sehen und überdies noch seine Schuld zu tragen haben.

Machiavell. Erwarten's Eure Hoheit.

Regentin. So viel Gewalt hab ich über mich, um stille zu sein. Laß ihn kommen; ich werde ihm mit der besten Art Platz machen, eh' er mich verdrängt.

Machiavell. So rasch diesen wichtigen Schritt?

Regentin. Schwerer, als du denkst. Wer zu herrschen gewohnt ist, wer's hergebracht hat, daß jeden Tag das Schicksal von Tausenden in seiner Hand liegt, steigt vom Throne wie ins Grab. Aber besser so, als einem Gespenste gleich unter den Lebenden bleiben und mit hohlem Ansehn einen Platz behaupten wollen, den ihm ein anderer abgeerbt hat und nun besitzt und genießt.

Klärchens Wohnung

Klärchen. Mutter.

Mutter. So eine Liebe wie Brackenburgs hab ich nie gesehen; ich glaubte, sie sei nur in Heldengeschichten.

Klärchen (geht in der Stube auf und ab, ein Lied zwischen den Lippen summend).

Glücklich allein

Ist die Seele, die liebt.

Mutter. Er vermutet deinen Umgang mit Egmont; und ich glaube, wenn du ihm ein wenig freundlich tätest, wenn du wolltest, er heiratete dich noch.

Klärchen (singt).

Freudvoll

Und leidvoll,

Gedankenvoll sein,

Langen

Und bangen

In schwebender Pein,

Himmelhoch jauchzend,

Zum Tode betrübt -

Glücklich allein

Ist die Seele, die liebt.

Mutter. Laß das Heiopopeia.

Klärchen. Scheltet mir's nicht; es ist ein kräftig Lied. Hab ich doch schon manchmal ein großes Kind damit schlafen gewiegt.

Mutter. Du hast doch nichts im Kopfe als deine Liebe. Vergäßest du nur nicht alles über das eine. Den Brackenburg solltest du in Ehren halten, sag ich dir. Er kann dich noch einmal glücklich machen.

Klärchen. Er?

Mutter. O ja! es kommt eine Zeit! — Ihr Kinder seht nichts voraus und überhorcht unsre Erfahrungen. Die Jugend und die schöne Liebe, alles hat sein Ende; und es kommt eine Zeit, wo man Gott dankt, wenn man irgendwo unterkriechen kann.

Klärchen (schaudert, schweigt und fährt auf). Mutter, laßt die Zeit kommen wie den Tod. Dran vorzudenken ist schreckhaft! — Und wenn er kommt! Wenn wir müssen — dann — wollen wir uns gebärden, wie wir können — Egmont, ich dich entbehren! — (In Tränen.) Nein, es ist nicht möglich, nicht möglich.

Egmont (in einem Reitermantel, den Hut ins Gesicht gedrückt). Klärchen!

Klärchen (tut einen Schrei, fährt zurück). Egmont! (Sie eilt auf ihn zu.) Egmont! (Sie umarmt ihn und ruht an ihm.) O du Guter, Lieber, Süßer! Kommst du? bist du da!

Egmont. Guten Abend, Mutter.

Mutter. Gott grüß Euch, edler Herr! Meine Kleine ist fast vergangen, daß Ihr so lang ausbleibt; sie hat wieder den ganzen Tag von Euch geredet und gesungen.

Egmont. Ihr gebt mir doch ein Nachtessen?

Mutter. Zu viel Gnade. Wenn wir nur etwas hätten.

Klärchen. Freilich! Seid nur ruhig, Mutter; ich habe schon alles darauf eingerichtet, ich habe etwas zubereitet. Verratet mich nicht, Mutter.

Mutter. Schmal genug.

Klärchen. Wartet nur! Und dann denk ich: wenn er bei mir ist, hab ich gar keinen Hunger; da sollte er auch keinen großen Appetit haben, wenn ich bei ihm bin.

Egmont. Meinst du?

Klärchen (stampft mit dem Fuße und kehrt sich unwillig um).

Egmont. Wie ist dir?

Klärchen. Wie seid Ihr heute so kalt! Ihr habt mir noch keinen Kuß angeboten. Warum habt Ihr die Arme in den Mantel gewickelt wie ein Wochenkind? Ziemt keinem Soldaten noch Liebhaber, die Arme eingewickelt zu haben.

Egmont. Zuzeiten, Liebchen, zuzeiten. Wenn der Soldat auf der Lauer steht und dem Feinde etwas ablisten möchte, da nimmt er sich zusammen, faßt sich selbst in seine Arme und kaut seinen Anschlag reif. Und ein Liebhaber —

Mutter. Wollt Ihr Euch nicht setzen? es Euch nicht bequem machen? Ich muß in die Küche; Klärchen denkt an nichts, wenn Ihr da seid. Ihr müßt fürliebnehmen.

Egmont. Euer guter Wille ist die beste Würze. (Mutter ab.)

Klärchen. Und was wäre denn meine Liebe?

Egmont. So viel du willst.

Klärchen. Vergleicht sie, wenn Ihr das Herz habt.

Egmont. Zuvörderst also. (Er wirft den Mantel ab und steht in einem prächtigen Kleide da.)

Klärchen. O je!

Egmont. Nun hab ich die Arme frei. (Er herzt sie.)

Klärchen. Laßt! Ihr verderbt Euch. (Sie tritt zurück.) Wie prächtig! Da darf ich Euch nicht anrühren.

Egmont. Bist du zufrieden? Ich versprach dir, einmal spanisch zu kommen.

Klärchen. Ich bat Euch zeither nicht mehr drum; ich dachte, Ihr wolltet nicht — Ach und das Goldne Vlies!

Egmont. Da siehst du's nun.

Klärchen. Das hat dir der Kaiser umgehängt?

Egmont. Ja, Kind! und Kette und Zeichen geben dem, der sie trägt, die edelsten Freiheiten. Ich erkenne auf Erden keinen Richter über meine Handlungen als den Großmeister des Ordens, mit dem versammelten Kapitel der Ritter.

Klärchen. O du dürftest die ganze Welt über dich richten lassen. — Der Sammet ist gar zu herrlich, und die Passementarbeit! und das Gestickte! — Man weiß nicht, wo man anfangen soll.

Egmont. Sieh dich nur satt.

Klärchen. Und das Goldne Vlies! Ihr erzähltet mir die Geschichte und sagtet, es sei ein Zeichen alles Großen und Kostbaren, was man mit Müh und Fleiß verdient und erwirbt. Es ist sehr kostbar — ich kann's deiner Liebe vergleichen. — Ich trage sie ebenso am Herzen — und hernach —

Egmont. Was willst du sagen?

Klärchen. Hernach vergleicht sich's auch wieder nicht.

Egmont. Wieso?

Klärchen. Ich habe sie nicht mit Müh und Fleiß erworben, nicht verdient.

Egmont. In der Liebe ist es anders. Du verdienst sie, weil du dich nicht darum bewirbst — und die Leute erhalten sie auch meist allein, die nicht darnach jagen.

Klärchen. Hast du das von dir abgenommen? Hast du diese stolze Anmerkung über dich selbst gemacht? du, den alles Volk liebt?

Egmont. Hätt' ich nur etwas für sie getan! könnt' ich etwas für sie tun! Es ist ihr guter Wille, mich zu lieben.

Klärchen. Du warst gewiß heute bei der Regentin?

Egmont. Ich war bei ihr.

Klärchen. Bist du gut mit ihr?

Egmont. Es sieht einmal so aus. Wir sind einander freundlich und dienstlich.

Klärchen. Und im Herzen?

Egmont. Will ich ihr wohl. Jedes hat seine eignen Absichten. Das tut nichts zur Sache. Sie ist eine treffliche Frau, kennt ihre Leute, und sähe tief genug, wenn sie auch nicht argwöhnisch wäre. Ich mache ihr viel zu schaffen, weil sie hinter meinem Betragen immer Geheimnisse sucht, und ich keine habe.

Klärchen. So gar keine?

Egmont. Eh nun! einen kleinen Hinterhalt. Jeder Wein setzt Weinstein in den Fässern an mit der Zeit. Oranien ist doch noch eine bessere Unterhaltung für sie und eine immer neue Aufgabe. Er hat sich in den Kredit gesetzt, daß er immer etwas Geheimes vorhabe: und nun sieht sie immer nach seiner Stirne, was er wohl denken, auf seine Schritte, wohin er sie wohl richten möchte.

Klärchen. Verstellt sie sich?

Egmont. Regentin, und du fragst?

Klärchen. Verzeiht, ich wollte fragen: ist sie falsch?

Egmont. Nicht mehr und nicht weniger als jeder, der seine Absichten erreichen will.

Klärchen. Ich könnte mich in die Welt nicht finden. Sie hat aber auch einen männlichen Geist, sie ist ein ander Weib als wir Nähterinnen und Köchinnen. Sie ist groß, herzhaft, entschlossen.

Egmont. Ja, wenn's nicht gar zu bunt geht. Diesmal ist sie doch ein wenig aus der Fassung.

Klärchen. Wieso?

Egmont. Sie hat auch ein Bärtchen auf der Oberlippe, und manchmal einen Anfall von Podagra. Eine rechte Amazone!

Klärchen. Eine majestätische Frau! Ich scheute mich, vor sie zu treten.