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Seifensieder. Was sprecht Ihr von Freiheiten?

Das Volk. Von unsern Freiheiten, von unsern Privilegien! Erzählt noch was von unsern Privilegien.

Vansen. Wir Brabanter besonders, obgleich alle Provinzen ihre Vorteile haben, wir sind am herrlichsten versehen. Ich habe alles gelesen.

Soests. Sagt an.

Jetter. Laßt hören.

Ein Bürger. Ich bitt Euch.

Vansen. Erstlich steht geschrieben: Der Herzog von Brabant soll uns ein guter und getreuer Herr sein.

Soests. Gut! Steht das so?

Jetter. Getreu? Ist das wahr?

Vansen. Wie ich euch sage. Er ist uns verpflichtet, wie wir ihm. Zweitens: Er soll keine Macht oder eignen Willen an uns beweisen, merken lassen, oder gedenken zu gestatten, auf keinerlei Weise.

Jetter. Schön! Schön! nicht beweisen.

Soests. Nicht merken lassen.

Ein anderer. Und nicht gedenken zu gestatten! Das ist der Hauptpunkt. Niemanden gestatten, auf keinerlei Weise.

Vansen. Mit ausdrücklichen Worten.

Jetter. Schafft uns das Buch.

Ein Bürger. Ja, wir müssen's haben.

Andere. Das Buch! das Buch!

Ein anderer. Wir wollen zu der Regentin gehen mit dem Buche.

Ein anderer. Ihr sollt das Wort führen, Herr Doktor.

Seifensieder. O die Tröpfe!

Andere. Noch etwas aus dem Buche!

Seifensieder. Ich schlage ihm die Zähne in den Hals, wenn er noch ein Wort sagt.

Das Volk. Wir wollen sehen, wer ihm etwas tut. Sagt uns was von den Privilegien! Haben wir noch mehr Privilegien?

Vansen. Mancherlei, und sehr gute, sehr heilsame. Da steht auch: Der Landsherr soll den geistlichen Stand nicht verbessern oder mehren, ohne Verwilligung des Adels und der Stände! Merkt das! Auch den Staat des Landes nicht verändern.

Soest. Ist das so?

Vansen. Ich will's euch geschrieben zeigen, von zwei-, dreihundert Jahren her.

Bürger. Und wir leiden die neuen Bischöfe? Der Adel muß uns schützen, wir fangen Händel an!

Andere. Und wir lassen uns von der Inquisition ins Bockshorn jagen?

Vansen. Das ist eure Schuld.

Das Volk. Wir haben noch Egmont! noch Oranien! Die sorgen für unser Bestes!

Vansen. Eure Brüder in Flandern haben das gute Werk angefangen.

Seifensieder. Du Hund!

(Er schlägt ihn.)

Andere (widersetzen sich und rufen). Bist du auch ein Spanier?

Ein anderer. Was? den Ehrenmann?

Ein anderer. Den Gelahrten?

(Sie fallen den Seifensieder an.)

Zimmermeister. Um's Himmels willen, ruht!

(Andere mischen sich in den Streit.)

Zimmermeister. Bürger, was soll das?

(Buben pfeifen, werfen mit Steinen, hetzen Hunde an, Bürger stehn und gaffen, Volk läuft zu, andere gehn gelassen auf und ab, andere treiben allerlei Schalkspossen, schreien und jubilieren.)

Andere. Freiheit und Privilegien! Privilegien und Freiheit!

(Egmont tritt auf mit Begleitung.)

Egmont. Ruhig! Ruhig, Leute! Was gibt's? Ruhe! Bringt sie aus einander!

Zimmermeister. Gnädiger Herr, Ihr kommt wie ein Engel des Himmels. Stille! seht ihr nichts? Graf Egmont! Dem Grafen Egmont Reverenz!

Egmont. Auch hier? Was fangt ihr an? Bürger gegen Bürger! Hält sogar die Nähe unsrer königlichen Regentin diesen Unsinn nicht zurück? Geht auseinander, geht an euer Gewerbe. Es ist ein übles Zeichen, wenn ihr an Werktagen feiert. Was war's?

(Der Tumult stillt sich nach und nach, und alle stehen um ihn herum.)

Zimmermeister. Sie schlagen sich um ihre Privilegien.

Egmont. Die sie noch mutwillig zertrümmern werden — Und wer seid Ihr? Ihr scheint mir rechtliche Leute.

Zimmermeister. Das ist unser Bestreben.

Egmont. Eures Zeichens?

Zimmermeister. Zimmermann und Zunftmeister.

Egmont. Und Ihr?

Soest. Krämer.

Egmont. Ihr?

Jetter. Schneider.

Egmont. Ich erinnere mich, Ihr habt mit an den Livreen für meine Leute gearbeitet. Euer Name ist Jetter.

Jetter. Gnade, daß Ihr Euch dessen erinnert.

Egmont. Ich vergesse niemanden leicht, den ich einmal gesehen und gesprochen habe. — Was an euch ist, Ruhe zu erhalten, Leute, das tut; ihr seid übel genug angeschrieben. Reizt den König nicht mehr, er hat zuletzt doch die Gewalt in Händen. Ein ordentlicher Bürger, der sich ehrlich und fleißig nährt, hat überall so viel Freiheit, als er braucht.

Zimmermeister. Ach wohl! das ist eben unsre Not! Die Tagdiebe, die Söffer, die Faulenzer, mit Euer Gnaden Verlaub, die stänkern aus Langerweile und scharren aus Hunger nach Privilegien und lügen den Neugierigen und Leichtgläubigen was vor, und um eine Kanne Bier bezahlt zu kriegen, fangen sie Händel an, die viel tausend Menschen unglücklich machen. Das ist ihnen eben recht. Wir halten unsre Häuser und Kasten zu gut verwahrt; da möchten sie gern uns mit Feuerbränden davontreiben.

Egmont. Allen Beistand sollt ihr finden; es sind Maßregeln genommen, dem Übel kräftig zu begegnen. Steht fest gegen die fremde Lehre und glaubt nicht, durch Aufruhr befestige man Privilegien. Bleibt zu Hause; leidet nicht, daß sie sich auf den Straßen rotten. Vernünftige Leute können viel tun.

(Indessen hat sich der größte Haufe verlaufen.)

Zimmermeister. Danken Euer Exzellenz, danken für die gute Meinung! Alles, was an uns liegt. (Egmont ab.) Ein gnädiger Herr! der echte Niederländer! Gar so nichts Spanisches.

Jetter. Hätten wir ihn nur zum Regenten! Man folgt' ihm gerne.

Soest. Das läßt der König wohl sein. Den Platz besetzt er immer mit den Seinigen.

Jetter. Hast du das Kleid gesehen? Das war nach der neuesten Art, nach spanischem Schnitt.

Zimmermeister. Ein schöner Herr!

Jetter. Sein Hals wär' ein rechtes Fressen für einen Scharfrichter.

Soest. Bist du toll? was kommt dir ein!

Jetter. Dumm genug, daß einem so etwas einfällt. — Es ist mir nun so. Wenn ich einen schönen langen Hals sehe, muß ich gleich wider Willen denken: der ist gut köpfen. — Die verfluchten Exekutionen! man kriegt sie nicht aus dem Sinne. Wenn die Bursche schwimmen, und ich seh einen nackten Buckel, gleich fallen sie mir zu Dutzenden ein, die ich habe mit Ruten streichen sehen. Begegnet mir ein rechter Wanst, mein ich, den säh' ich schon am Pfahl braten. Des Nachts im Traume zwickt mich's an allen Gliedern; man wird eben keine Stunde froh. Jede Lustbarkeit, jeden Spaß hab ich bald vergessen; die fürchterlichen Gestalten sind mir wie vor die Stirne gebrannt.

Egmonts Wohnung

Sekretär an einem Tisch mit Papieren, er steht unruhig auf.

Sekretär. Er kommt immer nicht! und ich warte schon zwei Stunden, die Feder in der Hand, die Papiere vor mir; und eben heute möcht' ich gern so zeitig fort. Es brennt mir unter den Sohlen. Ich kann vor Ungeduld kaum bleiben.»Sei auf die Stunde da«, befahl er mir noch, ehe er wegging; nun kommt er nicht. Es ist so viel zu tun, ich werde vor Mitternacht nicht fertig. Freilich sieht er einem auch einmal durch die Finger. Doch hielt' ich's besser, wenn er strenge wäre und ließe einen auch wieder zur bestimmten Zeit. Man könnte sich einrichten. Von der Regentin ist er nun schon zwei Stunden weg; wer weiß, wen er unterwegs angefaßt hat.

(Egmont tritt auf.)

Egmont. Wie sieht's aus?

Sekretär. Ich bin bereit, und drei Boten warten.

Egmont. Ich bin dir wohl zu lang geblieben; du machst ein verdrießlich Gesicht.

Sekretär. Euerm Befehl zu gehorchen, wart ich schon lange. Hier sind die Papiere!

Egmont. Donna Elvira wird böse auf mich werden, wenn sie hört, daß ich dich abgehalten habe.

Sekretär. Ihr scherzt.

Egmont. Nein, nein. Schäme dich nicht. Du zeigst einen guten Geschmack. Sie ist hübsch; und es ist mir ganz recht, daß du auf dem Schlosse eine Freundin hast. Was sagen die Briefe?