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  »In einer Tasche«, antwortete Barnaby. »Am Messergriff fanden wir eine Faser, die das bestätigt. Wo auf dem Podest standen Sie, Mr. Carter?«

  Andrew antwortete ihm nicht. Statt dessen sagte Suhami: »Er stand neben mir.«

  »Nachdem Sie Miss Cuttles Cape geholt haben, kehrten Sie nicht wieder an Ihren Platz zurück?«

  »Während ihren Rückführungen reagiert May des öfteren sehr heftig. Ich nahm an, es wäre hilfreich, wenn ich in ihrer Nähe bleiben würde.«

  »Haben Sie das früher auch schon mal gemacht?«

  »Nein, trotzdem, ich finde nicht, daß die Tatsache, daß ich an jenem Tag so gehandelt habe, genügt, um Ihre Theorie zu stützen. Hat man die Absicht, jemanden zu töten, sucht man die Nähe des Opfers und hält sich nicht von ihm fern.«

  »Mein Lieber - Sie hatten doch gar keine Wahl. Weil Sie das Messer in die falsche Tasche gelegt haben. Erst als Sie das Cape rausnahmen, bemerkten Sie Ihren Fehler.«

  »In meine Tasche!« Mays kraftvolle Stimme hallte durchs ganze Haus.

  »Er dachte, sie gehöre Miss Gamelin. Die beiden Taschen sind sich sehr ähnlich.«

  In diesem Augenblick stöhnte Suhami auf. Wieder drückte Heather das Mädchen an ihre Brust.

  »Er hat in der letzten Minute so entschieden und sie vielleicht sogar getragen, damit sie keinen Blick mehr reinwerfen konnte.«

  »Ja, das stimmt«, rief Ken aufgeregt. »Er hat sie für sie getragen. Ich erinnere mich ganz genau.«

  »Ja, das will ich wohl glauben«, höhnte Andrew.

  »Er spekulierte auf das Durcheinander, das dann ja tatsächlich stattfand, aber selbstverständlich hatte er gehofft, sich in diesem Moment in Craigies Nähe aufzuhalten. Wie ich schon zuvor andeutete, ein Teil war geplant, der andere wurde spontan ausgeführt.«

  »Mir leuchtet nicht ein, wie er im letzten Moment das Messer in die Tasche gelegt haben soll, Inspector«, bekundete Arno. »Er hat es nicht bei sich gehabt, und es lag auch nicht auf dem Tisch.«

  »Ja, dieses Detail hat mir auch Kopfzerbrechen bereitet. Dann mußte ich aber an Guy Gamelins Beschwerde denken. Man hatte ihm nicht gestattet, neben Sylvie zu sitzen, weil eines der Kommunenmitglieder diesen Platz schon eingenommen hatte. Ich gehe davon aus, daß auf Mr. Carters Stuhl ein Kissen gelegen hat. Das Messer war im Verlauf des Tages dort versteckt worden. Und der Gummihandschuh ebenfalls.«

  »Dummerweise habe ich den linken genommen«, meinte Andrew aufgebracht. »Wo ich doch Rechtshänder bin.«

  »Nur ein weiteres Mittel, um von der Wahrheit abzulenken. Ich gehe davon aus, daß Sie die Innenseite nach außen gekehrt haben und den Handschuh später noch mal umgedreht haben. Sie konnten ja nicht wissen, daß Gamelin Linkshänder war, was sich später noch als Pluspunkt erwies. Gamelin versuchte, das Ding hinter dem Vorhang zu verstecken. Und ist dabei beobachtet worden. Wäre das nicht der Fall gewesen, wäre es Ihnen trotzdem gelungen, unser Augenmerk darauf zu lenken. Vielleicht über Miss Gamelin, die von Anfang an von der Schuld ihres Vaters überzeugt war.«

  »Alles nur Vermutungen. Sie kommen nicht weiter, Inspector - Sie können den Fall nicht lösen und haben deshalb diese phantastische Geschichte erfunden. Und wenn Sie nun behaupten möchten, daß ich ihn auf dem Weg zum Lichtschalter umgebracht habe, täuschen Sie sich gewaltig. Ich habe mich überhaupt nicht in seiner Nähe aufgehalten. Und ich gehörte auch nicht zu der Gruppe, auf die Craigie vor seinem Ableben zeigte.«

  »Das spielt keine Rolle«, meinte Barnaby. »Denn Arthur Craigie hat gar nicht auf eine Person gezeigt.«

  »Doch, hat er. Auf Gamelin. Das kann Ihnen jeder hier bestätigen.«

  »Sicherlich mag es danach ausgesehen haben, nach dem, was sich zuvor an diesem Abend ereignet hatte. Wie mir aufgefallen ist, unterschied sich Gamelin in einer Hinsicht von allen anderen. Er war der einzige, der stand.«

  »Und?«

  »Dadurch versperrte er die Sicht.«

  »Wie meinen Sie das, Inspector?« fragte Arno.

  »Ich vermute, Craigie zeigte in die Richtung, aus der das Messer geworfen worden war!«

  Auf einmal sprachen alle durcheinander. Das Wort »geworfen« wurde mehrmals hintereinander erstaunt ausgerufen. Heather ließ Suhami los und rannte aufgeregt zu Ken zurück. Andrew brach in Gelächter aus.

  »Ach - das ist brillant. In einem dunklen Raum? Aus einer Entfernung von drei, vier Metern?«

  »Nicht dunkel - schummerig. Und er trug ein strahlend weißes Gewand.«

  »Unmöglich.«

  »Nicht für jemanden, der sich mit Messerwerfen seinen Lebensunterhalt verdient hat.« Das Geplapper verstummte auf einen Schlag. »Das haben Sie uns nicht erzählt, Mr. Carter, nicht wahr?«

  »Es gibt viele Dinge, über die ich in Ihrer Gegenwart nicht gesprochen habe.«

  »Was Sie nicht sagen«, warf Troy ein.

  »Es war ein Fehler, daß Sie von Ihrer Zeit in Blackpool gesprochen haben. Wir haben uns mit Ihren Arbeitgebern in Verbindung gesetzt, die uns darüber aufgeklärt haben, daß Sie sich nicht nur als Löwenbändiger, sondern auch als Feuerschlucker und Messerwerfer verdingt haben.«

  »Jahrmarktstypen sagen alles mögliche.« Barnaby schwieg eine Weile. Schließlich meldete sich Andrew Carter erneut zu Wort.

  »Das ist es? Das sind die Beweise, die Sie gegen mich vorzubringen haben? Na, da kann ich nur sagen, sollte diese Geschichte wie durch ein Wunder jemals vor einem Gericht verhandelt werden, wird die Jury hysterisch lachend von den Bänken kippen.«

  Wunder, dachte Troy, da hat er recht. Konzentriert und vollkommen überzeugt hatte er zugehört, wie der Chief versucht hatte, Andrew Carter die Tat nachzuweisen, aber nun, da die bemerkenswerte Geschichte erzählt worden war, welche Beweise hielten sie in Händen? Mit welchen Beweisen konnten sie überhaupt aufwarten? Mit einer Faser, die am Messergriff entdeckt worden war. Der Rest - nichts als Mutmaßung. Keine Fingerabdrücke auf der Mordwaffe. Einen kurzen Moment, in dem jeder in eine andere Richtung geschaut hatte. Carter mußte nur bei seinem Standpunkt bleiben, und ein kompetenter Anwalt würde dafür sorgen, daß er schneller wieder frei war, als man den Fall abweisen konnte. Und das wußte er - dieser gerissene Gauner. Sein Achselzucken, sein Kopfschütteln, sein Lächeln machten das deutlich. Der würde nicht kleinbei geben. Oder Fehler machen. Selbst wenn es ihnen gelang, nachzuweisen, daß er früher mal kriminell gewesen war - brachte sie das weiter? Das bewies nur, daß er keine blütenreine Weste hatte. Troy warf dem Chief einen Blick von der Seite zu. Barnaby stierte mit nichtssagender Miene auf den Steinboden. Schließlich blickte er auf und sprach.

  »Wie ist es Ihnen gelungen, den Jungen aus seinem Zimmer zu locken?«

  Herrje, jetzt ist er echt verzweifelt. Nachdem die erste Geschichte nicht gezogen hat, versucht er es auf diese Tour, die auch nichts bringen wird. Riley hatte Carter angegriffen und beinahe getötet. Carter würde auf Notwehr plädieren. Sie kriegten ihn nicht mal für Totschlag dran. Auch wenn Troys Miene nichts von seiner Skepsis verriet, war ihm schwer ums Herz. Was hatte der Chief gestern noch gesagt - den reißenden Strom hoch, ohne Paddel? Verdammt richtig! Für einen Sekundenbruchteil empfand Troy so etwas wie Mitleid für Barnaby. Oder gar Zuneigung. Diese Regung war seiner Natur so fremd, daß es ihn ungemein erleichterte, als das Gefühl sich genauso abrupt verflüchtigte, wie es aufgetaucht war.

  Die Anspannung im Raum hatte sich gelegt, was in erster Linie Andrews gespielt ehrlichem Gelächter zuzuschreiben war. May brach das unbequeme Schweigen, indem sie Arno fragte, wie es seinem Fuß ginge. Suhami kehrte allen den Rücken zu. Heather sammelte die benutzten Tassen ein und stellte sie in die Spüle. Nur Troy bekam mit, wie sich die Tür leise öffnete.