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  Ihre Fernsehsendung The Perfect Medium, in der das Publikum stets mit einbezogen wurde, war von Anfang an ein Riesenerfolg. Ken und Heather erschienen in mit Edelsteinen besetzten, bestickten Kaftanen auf der Bühne, versuchten lachend auf dem Karmischen Klapometer die Astralpunkte des anderen zu übertreffen und übertrafen damit auch noch die Einschaltquoten von Coronation Street. Am Ende der Sendung klimperte Heather auf einem Instrument und gab irgendein Lied zum besten. »Versprüh etwas Äther und lächle, lächle, lächle« stand bald auf Platz eins der Hitparade.

  Trotz ihrer Entschlossenheit, sich nicht von materiellem Wohlstand und irdischem Denken verführen zu lassen, häuften die Beavers so viel Krimskrams an, daß sie eine Penthousewohnung mit fünf Zimmern auf der Canary Wharf kaufen mußten, um all ihre weltlichen Güter verstauen zu können. Eine Haushälterin und eine Sekretärin organisierten ihren Alltag, da Ken und Heather zu stark beansprucht von kosmischen Dekreten und Vorahnungen, Geschäftstreffen und Plänen für eine zweite Fernsehserie waren, um sich mit alltäglichen Problemen zu belasten. Für das kommende Jahr wurden Europa und die Vereinigten Staaten anvisiert.

  76 Beauclerc Gardens, W11, war ein hohes, schmales, vier? stockiges Gebäude mit wunderschönen schmiedeeisernen Balkons, deren Geländer an New Orleans erinnerten. Da es Indigoblau angestrichen war und eine strahlend gelbe Sonne vom Dach lächelte, konnte man es nicht übersehen.

  Das Haus gehörte The Lodge of the Golden Windhorse, einer Organisation, die sich der Meditation und Heilung verschrieben hatte und von den anderen Bewohnern von Holland Park unisono als gewöhnlich abgestempelt wurde. Das Örtchen Compton Dando hingegen, wo die Kommune zuvor ihre Zelte aufgeschlagen hatte, hatte sich über deren Weggang gefreut. Ein, zwei Dorfbewohner hatten sich sogar dazu herabgelassen, sich vor Freude zu bekreuzigen, als die Umzugswagen kamen.

  Das neue Haus wurde folgendermaßen genutzt: Im Keller gab es zwei Räume, die für Beratungen, Therapien und Workshops genutzt wurden. Im Erdgeschoß befanden sich der Empfang, ein Buchgeschäft und eine Bibliothek. Im ersten Stock lagen die Behandlungszimmer und im oberen Stockwerk die Privaträume, zu denen ein großes, bequemes Wohnzimmer und ein winziges Schlafzimmer mit einer Dusche und einer kleinen Küchenzeile gehörten.

  Janet lebte in dieser extra für sie umgebauten Wohnung, die ihr kostenlos überlassen worden war. Dafür mußte sie fünfundzwanzig Stunden die Woche Büroarbeit leisten. Tatsächlich arbeitete Janet viel mehr, nachdem sie entdeckt hatte, daß sie Talent für diese Aufgabe hatte und der Job ihr Spaß machte. Mit der Präzision eines Schiffskapitäns herrschte sie über ihr Empfangsbüro, ein hübsches Zimmer mit hohen Decken und voller Blumen. Bislang hatte sie sich nachdrücklich geweigert, eine bezahlte Aushilfskraft einzustellen. Auf ihrer mit Leder bezogenen Schreibtischplatte standen drei Telefone und ein Computer. An der Wand hingen Poster kommender Veranstaltungen und ein großer, mit bunten Stecknadelköpfen gespickter Kalender.

  An ihrer neuen Aufgabe überraschte Janet am meisten, mit welcher Selbstverständlichkeit sie sich um den Empfang kümmerte, Menschen begegnete, Informationen weitergab, Vorschläge zu Kursen und Behandlungsmethoden erteilte. Natürlich spielte sie eine Rolle. Die wahre Janet (die alte Janet) stand daneben, beobachtete sie mit verständnislosem Kopfschütteln und wäre diesem Anspruch nie gerecht geworden. Die neue Janet schüttelte ebenfalls den Kopf, weil sie Tweedröcke, Seidenpullover und glatte enge Hosen trug und sich einen neuen Haarschnitt zugelegt hatte... Diese Veränderung hatte sie Felicity zu verdanken, die taktvoll darauf hingewiesen hatte, daß Kordhosen und eine wilde Haarmähne eventuell nicht das richtige Outfit für eine Empfangssekretärin waren.

  Mittlerweile ging Janet häufig aus. Kurz nach ihrem Umzug nach London hatte sie sich davor gefürchtet, das Haus zu verlassen, aus Angst, Trixie über den Weg zu laufen. (Slough war nicht allzu weit entfernt.) Als sie dann endlich einkaufen ging, »begegnete« ihr Trixie bei jeder Gelegenheit wenigstens einmal. Einmal lief sie sogar einem blonden Mädchen mit einer Baskenmütze hinterher, folgte ihr durch das gesamte C-&-A-Gebäude, bis das Mädchen, das natürlich nicht Trixie war, drohte, den Geschäftsführer zu rufen.

  Nach einer Weile ließ ihre Anspannung nach. Sah sie jemanden, der eine vage Ähnlichkeit mit ihrer ehemaligen Freundin hatte, schaute sie in die andere Richtung. Oder wechselte gar die Straßenseite, um eine Begegnung zu vermeiden. Die Zeit ermöglichte ihr eine gesündere Perspektive auf ihre frühere Zuneigung. Sie verstand, was für eine pathetische Figur sie damals abgegeben haben mußte, und zuckte angesichts der Erinnerung innerlich zusammen. Der Alltag bereitete ihr immer noch nicht die Freude, nach der sie sich sehnte, und sie hielt beharrlich an der Überzeugung fest, daß ihr dies niemals vergönnt sein würde. Dennoch war sie nicht unglücklich und verspürte manchmal so etwas wie Zufriedenheit.

  Zwischen ihr und Felicity bahnte sich zögernd so etwas wie eine Freundschaft an. Hin und wieder plauderten sie miteinander, manchmal recht lange über philosophische Fragen, die Felicity verwirrten und auf die Janet keine Antworten hatte« Im Frühling besuchten sie gemeinsam eine Theatervorstellung im Park, und ein paar Wochen später schlug Janet ein Konzert in der Festival Hall vor. Sie wählte eine Vorstellung aus, die für ihren persönlichen Geschmack im Grunde genommen zu leichtfüßig war, aber Felicity kannte sich mit klassischer Musik nicht aus, und Janet wollte verhindern, sie vor den Kopf zu stoßen. Insofern freute sie sich um so mehr, daß Felicity eine Vorliebe für Palestrina zum Ausdruck brachte, nachdem sie sich verschiedene Kassetten und CDs ausgeborgt hatte. Einmal aßen sie zusammen zu Abend, saßen hinterher auf Janets Eisenbalkon, genossen die Abenddämmerung und hörten sich Missa Brevis an.

  Felicitys Äußeres hatte sich stark verändert. Sie war etwas fülliger geworden. Ihr Haar, nun sich selbst überlassen, hatte die Farbe von Zinn angenommen und wurde zu einem schlichten Zopf zusammengefaßt. Ihre seelische Transformation war zwar beständig, ging aber zögernd vonstatten und gab manchmal Anlaß zur Besorgnis. Wann immer Felicity jedoch zu taumeln drohte, was eigentlich immer der Fall war, fing die gute May sie auf.

  Die beiden Frauen teilten sich ein Haus zwei Türen weiter die Straße hinunter, das mit dem erzielten Erlös aus dem Verkauf von Manor House angeschafft worden war. Die Veräußerung des Anwesens hatte mehr als eine Million Pfund eingebracht, von denen vierhunderttausend sicher und ethisch vertretbar investiert worden waren. Die Zinsen gewährleisteten tägliche Ausgaben, mäßige Gehälter, weitere Projekte und die finanzielle Unterstützung Bedürftiger. Alle vier Mitglieder der Organisation hatten sich darauf geeinigt, daß bei bestimmten Gelegenheiten praktische Hilfe sinnvoller war als alles andere. Es kam durchaus vor, daß ihre Freundlichkeit ausgenutzt wurde, was allerdings keinen Einfluß auf ihre Großzügigkeit und ihren guten Willen hatte und vor allem in keinem Verhältnis zu den jüngst gemachten Erfahrungen stand.

  Arno bewohnte eine Gartenwohnung in dem anderen Haus und hatte sich eine elegante Katze mit Schildpattzeichnung zugelegt. Zu seiner Überraschung und Erleichterung hatte das Geständnis seiner unsterblichen Liebe nicht zu einer Verbannung aus Mays Nähe geführt. Als er ernsthaft und unterwürfig gelobte, sich zurückzuhalten und sie nie wieder mit seinen Gefühlen zu belästigen, schalt sie ihn nur sanft. Zuerst legte er ihre Reaktion als Mitleid aus, zumal er immer noch Schmerzen litt, seit die Spitze ihres geliebten Cellos durch seinen Fuß gestoßen war. Doch im Verlauf späterer Unterhaltungen kam heraus, daß sie ihm seit längerem zugetan war.