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  Die Vorstellung ließ Arno schmunzeln. Seine Mutter hatte derlei Schwelgereien immer als »in Ekstase geraten« bezeichnet. Kritisch musterte er sein Gesicht, zupfte an seinem Bart, teilte ihn vorsichtig, wickelte die beiden Enden um seine Finger.

  Er hatte einen Rauschebart ausprobiert, ein Ding voller Eigenleben, das ihm bis auf die Brust fiel, der ihm nicht gestanden hatte. Zu jener Zeit hatte er wie ein Zwerg mit einer Fußmatte am Kinn ausgesehen. Der, den er jetzt trug, war... tja... nett. Wenigstens glänzte er, seit er regelmäßig eine Hennapackung auftrug. Manchmal allerdings überkam ihn der Verdacht, daß er ohne Gesichtsbehaarung jünger aussehen würde.

  Bevor er sich abwandte, bespritzte Arno sein Gesicht mit grünlichem Wasser aus einer halbvollen Schüssel mit Steinbrech. Heather hatte ihm glaubhaft versichert, daß dies ein hervorragendes Mittel für das Bleichen von Sommersprossen sei. Seit einem geschlagenen Monat verwendete er das Zeug nun schon und konnte absolut keinen Unterschied ausmachen. Er trocknete sein Gesicht ab und legte das Handtuch ordentlich zusammengefaltet zurück. Gleich war es Zeit, das Mittagessen einzunehmen.

  In zehn Minuten mußte das Essen auf dem Tisch stehen, und Janet war es gerade mal gelungen, ein improvisiertes Hauptgericht zusammenzustellen. Halbherzig hatte sie den Vorratsschrank geplündert, verschiedene Schachteln und Dosen herausgenommen, um sie wieder zurückzustellen und sich für eine Packung Sossomix zu entscheiden. Die Verpackung zierte das Bild von granulierten Würstchen, die in einer Pfanne brutzelten. Nicht zum ersten Mal monierte Janet die perversen Verpackungstechniken der Firmen, die mit ihrem Produkt auf die stetig anwachsende Zahl der Menschen abzielten, die kein Fleisch mehr essen wollten.

  Nußsteaks, Veggie-Burgers, Cashewschnitzel. Unten im Karmic Pulse hatten sie zu Hühnerschlegel gepreßtes Tofu im Sortiment, die mit Sojabröseln überzogen waren. Nicht zu unterscheiden, versicherte das Verpackungsetikett den Kunden, von echten Hühnerbeinen.

  Gedankenverloren hatte Janet zuviel Wasser in das Granulat geschüttet. Anstelle eines schön festen, formbaren Teiges hatte sie versehentlich eine pampige Masse angerührt. Bei dem Versuch, die überschüssige Flüssigkeit abzugießen, war ein bißchen von der Masse im Abfluß gelandet. Ziemlich entnervt von der ganzen Angelegenheit, hatte Janet die Schüssel in das Abtropfgestell gelegt und war wieder nach oben gegangen, um noch mal zu versuchen, sich mit Trixie zu unterhalten.

  Nachdem sie praktisch jeden, der ihr mit Rat und Tat zur Seite stehen wollte, aus ihrem Zimmer verbannt hatte, hatte Trixie die Tür abgeschlossen. Das war nicht ungewöhnlich, aber normalerweise antwortete sie, falls jemand anklopfte, und wenn auch nur, um die Leute zu fragen, warum sie sie nicht endlich in Ruhe ließen. Heute hingegen gab sie keinen Muckser von sich.

  Diese Stille ist irgendwie anders als sonst, dachte Janet, klopfte unablässig an die Tür und rief: »Trixie - Essen...« Heute war die Stille total, allumfassend. Man hörte nicht mal einen gedämpften Schritt. Kaum zu glauben, daß hinter der Tür ein Herz schlagen sollte.

  Sich vergewissernd, daß sie nicht beobachtet wurde, und in dem Gefühl, wie der große Inquisitor zu sein, kniete Janet sich hin und spähte durchs Schlüsselloch. Leider konnte sie nur einen bestimmten Bereich von Trixies Bett sehen. Errötend erhob sie sich.

  Unten in der Küche stieß sie auf Christopher, der sich heimlich ins Dorf geschlichen und eine riesengroße Schokoladentorte besorgt hatte, »um alle aufzumuntern«.

  »Heather hat zum Nachtisch eine Tapiokaroulade mit Feigenglasur gemacht«, erinnerte sie ihn.

  »Genau!«

  Janet mußte lachen und stellte hocherfreut fest, daß der Sossomix das übrige Wasser aufgesaugt hatte und nun fest genug war, um sich formen und braten zu lassen. Sie schaltete das Gas unter dem Spinat ein und bat Christopher, die anderen zu Tisch zu rufen.

  Heather fand er in einem königsblauen Trainingsanzug auf der Terrasse. Mit hocherhobenen Armen, um die tellurischen Energielinien anzuzapfen, rezitierte sie:

  »Bewegung nehme ich in meine Essenz auf.

Rennen und Springen nehme ich in mich auf,

Ich bin Rennen... ich bin Springen...«

  Danach begann sie, auf der Stelle auf und ab zu springen. Ihr mächtiger Busen und ihr Hintern zitterten wie Wackelpudding. Gerade als er sagen wollte, daß das Mittagessen fertig war, hielt ihn eine poetische Explosion davon ab.

  »Jede kleine Zelle in meinem Körper ist glücklich...

Jeder kleinen Zelle in meinem Körper geht es gut...«

  Christopher war vertraut mit Heathers Lobeshymnen zur Preisung des holistischen Positivismus. Diese Hymnen bleute sie all ihren Kunden ein, egal wie schlecht es um deren Gesundheit bestellt war.

  Keuchend sagte sie: »Kenny... Büro... gehe...«, und sprang im Pogostil an der Hausmauer entlang.

  Ken produzierte gerade ein paar Poster für den kommenden Eheworkshop (An einem klaren Tag können Sie sich gegenseitig sehen). Sein kaputtes Bein ruhte auf dem Schreibtisch, während der alte Vervielfältigungsapparat schwerfällig arbeitete.

  »Es gibt Mittagessen«, rief seine Gattin schweratmend und steckte den Kopf durch die Tür.

  »Ist auch Zeit«, meinte Ken. »Ich bin am Verhungern.«

  »Tut mir leid, aber an einem Tag wie heute ist alles ein wenig chaotisch.« Heather stürmte ins Büro und nahm ein Poster in die Hand. Auf himmelblauem Hintergrund waren zwei Tauben abgebildet. Eine hatte lange Wimpern und trug eine Schürze, die andere war bis auf ein Büschel weißer Federn splitterfasernackt. Die mit den weißen Federn schlang einen Flügel um die Mitte der anderen. Darunter standen Kens und Heathers Namen und nach Kens (in Klammern): »Intuitiver Diagnostiker, Autor, Chaneller«. Heather wurde als »Heilerin, Autorin, Priesterin« angekündigt. Sie meinte: »Das müßte die Leute doch anziehen. Ich hoffe, wir werden den Kurs durchführen können, ich meine, bei dem ganzen Durcheinander.«

  »Ich empfange deine Schwingungen, Heth«, sagte er und nahm sein Bein herunter. »Entspann dich bitte. Ich muß dir etwas mitteilen.«

  »Oh - was gibt es denn?« Etwas umständlich setzte sich Heather mit überkreuzten Beinen auf den Boden.

  »Tja, du kennst ja meine Devise - erledige niemals eine Sache, wenn du gleichzeitig drei erledigen kannst.« Heather nickte. »Nun, während ich die Poster abzog, bemühte ich auch mein Gedanken-Energie-Netz, um mit Hilarion in Verbindung zu treten und ihn nach unserer Zukunft hier zu fragen.«

  »Brillant. Was hat er gesagt?«

  »Er hat mir nichts gesagt, dieser alte Halunke - uups!« Ken legte den Kopf auf den Schoß und die Hände darauf, als müsse er sich vor Steinschlag schützen. »Entschuldige, Hilarion...«, rief er durch die Finger. »Das war nur ein Scherz.« Dann setzte er sich wieder auf und fuhr fort: »Aber er rückte mit anderen Informationen heraus. Gewährte mir einen kompletten Ausblick auf die kosmische und globale Lage. Der Gute spielte ganz eindeutig auf die Löcher in der Ozonschicht an und - wo wir schon von einer Veränderung der Paradigmen sprechen -darüber müssen wir uns keine Sorgen machen.«

  »Was? Ich fasse es nicht...« Hoffnung und Skepsis spiegelten sich auf Heathers glänzendem Antlitz.

  »Es ist wahr. Kommt direkt von ganz oben. Weißt du, wie sich das Wasser teilt, wenn ein Baby geboren wird? Nun, wir haben es mit genau demselben Prozeß zu tun. Wie wir alle wissen, findet just in diesem Augenblick ein großer spiritueller Erguß aus dem Reich der Engel statt. Wie sollte das möglich sein, wenn die Öffnungen nicht im Himmel beschlossen worden wären?«