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  Längere Zeit herrschte Schweigen, das schließlich von Ave beendet wurde. »Sollte es Probleme geben, möchte ich Sie darauf hinweisen, daß eingehende Anrufe aufgezeichnet werden.«

  »Natürlich ist es wahr!« platzte Suhami heraus und musterte die Beavers voller Verachtung. »Die haben uns verkauft. Du brauchst sie dir doch nur ansehen.«

  »Sprich nicht so mit mir!« rief Heather. »Du hast ja keine Probleme. Warst dein ganzes Leben lang in ein Bett aus Geld gebettet. Hätte ich auch eine halbe Million, über die ich mir den Kopf zerbrechen müßte -«

  Sie brach ab und legte - zutiefst erschrocken über diesen Ausrutscher - die Hand auf den Mund. Ken, der so beschämt und schuldbewußt dreinblickte, als sei seine Frau ein schlechterzogenes Haustier, das er nicht im Griff hatte, tätschelte sie unbeholfen.

  Bei Terry, der die ganze Tirade mit unverhohlener Schadenfreude verfolgt hatte, fiel der Groschen. Auf einmal wußte er, warum ihm das junge Mädchen so bekannt vorkam. Er trat einen Schritt zurück und versuchte ihren Kopf und ihre Schultern ins Visier zu kriegen, solange sie noch abgelenkt war. Um sie richtig fotografieren zu können, mußte er höher stehen. Die Treppe brachte nichts - von dort aus erwischte er sie nur von hinten. Suchend schaute er sich um, entdeckte die richtige Stelle und kletterte hinauf. Ave hatte nun ebenfalls begriffen, um wen es sich bei dem Mädchen handelte. Ohne groß nachzudenken, griff sie nach dem Mikro.

  »Was hatte Ihr Vater hier zu suchen, Sylvia? Denken Sie, daß er etwas mit dem Mord zu tun hatte? Hatten Sie eine Affäre mit dem Opfer?«

  »Aahh...« Schmerz schwang in der Stimme des Mädchens mit. »Sie sind gemein... Reicht es nicht, ihn zu verlieren? Den liebsten Menschen...«

  »Dann ist er also Ihr Liebhaber gewesen ?«

  »Verschwinden Sie... um Himmels willen, hauen Sie ab!«

  »Wenn ich gehe, werden Ihnen nur andere auf den Pelz rücken. Sie werden nicht mehr vor die Haustür treten können, ohne von Blitzen geblendet, ohne mit Fragen, die viel fieser sind als die, die ich Ihnen stelle, bombardiert zu werden. Wenn Sie dem Pitch ein Exklusivinterview geben, werden die sie in Ruhe lassen.«

  Terry, der auf den Sockel des Buddhas gestiegen war, hatte auf diesen Vorschlag gewartet. Aus Erfahrung wußte er, daß er zog. Er zog immer. Selbst intelligente Menschen fielen darauf rein. Hauptsächlich aus Verzweiflung. Wähl lieber den Schrecken, den du schon kennengelernt hast. Was für ein Mist, daß Saris keinen tiefen Ausschnitt hatten. Das Mädchen hatte klasse Titten.

  May gab sich große Mühe, ihre karmische Blaupause neu zu malen. Da sie spürte, daß die Besucher in gewisser Weise teuflisch waren, hatte sie ihren Schutzengel gerufen und sah ihn nun, die breiten Schwingen schlagend, direkt unter dem Oberlicht. Sie stellte sich vor, daß ihre Knochen und ihr Gewebe vom Pulsschlag seines himmlischen Lichts durchflutet wurden. In dieser Stunde brauchte sie seine ungeteilte Aufmerksamkeit, seine Hilfe. Wie schnell und problemlos diese Leute hier aufgetaucht waren! Zweifellos angelockt von dem großen Riß im Schutzschild des Hauses, der durch den Tod des Meisters entstanden war. Nun sprach die Frau wieder.

  »Ich versichere Ihnen, daß Sie in Ruhe gelassen werden, wenn Sie uns ein Exklusivinterview geben.«

• »Solch eine Zusammenarbeit widerspricht unseren Prinzipien.«

  »Wir werden zahlen. Und nicht zu knapp.«

  »Genau das meinte ich gerade.«

  »Diese Kommune braucht bestimmt Geld, wie alle anderen Menschen auch, oder?«

  »Die Kommune!« Fassungslos starrte Ken sie an. »Aber ich dachte -« Heather stieß ihm den Ellbogen so fest in die Rippen, daß er fast hingefallen wäre.

  »Wir werden den Scheck auf Golden Windhorse ausstellen, dann können Sie sich deswegen - ohne uns - die Köpfe einschlagen.«

  »So sind wir nicht«, entgegnete May würdevoll.

  »Alle sind so, wenn erst mal ein Bündel Geld auf dem Tisch liegt.«

  An dieser Stelle wollte Terry, nachdem er seinen Reebok in die diskrete Umhangfalte gestemmt hatte, die das Glied des Buddhas bedeckte, eine Großaufnahme vom Gamelin-Profil machen. Als er abdrückte, schrie May auf.

  »Seht mal, wo er steht! Das ist unmöglich...« Terry machte eine Aufnahme nach der anderen und schoß ein erstklassiges Foto von ihrem hübschen, angstverzerrten Gesicht. »Das ist eine heilige Statue. Gehen Sie runter... gehen Sie runter.«

  Mit einem Schlag reagierte die ganze Gruppe verärgert, war aber unfähig, aktiv zu werden. Die unfaßbare Blasphemie seines Handelns schockierte sie so sehr, daß sie sich kaum bewegen konnten. Suhami blickte sich suchend um. Unerträgliche Pein lag in ihrem Blick.

  Die Pause dauerte nur kurz an. Urplötzlich sauste ein Schwall fließender Baumwolle an ihnen vorbei. Nachdem Ken eine Möglichkeit gefunden hatte, wenigstens einen kleinen Teil seiner Schuld abzutragen, schmiß er sich mit voller Wucht gegen den Buddhasockel und warf die Blumengaben um, woraufhin ihm kaltes Wasser und Lupinen ins Gesicht spritzten. Tief durchatmend, kraxelte er den schlüpfrigen Stein hoch. Keuchend arbeitete er sich hoch. Als Terrys Fuß in Reichweite kam, griff er nach den Schnürsenkeln der Reeboks und zog.

  Beide Arme um den Statuenhals schlingend, rückte Terry von Ken ab und begann wild auszuschlagen. Ken bekam ein paar schmerzhafte Fußtritte auf die Schulter ab. Selbst aus der Ferne konnte man nun Terrys Sockenaufschrift lesen, die dem Eigenleben der Füße unnötigen Nachdruck verlieh. Nach dem dritten Tritt gelang es Ken, die Schnürsenkel zu lösen, und schnappte nach Terrys Knöcheln.

  Kurz und fast graziös holte er ein letztes Mal aus, krachte dann aber mit dem Gesicht nach unten auf den Sockel. Sich flink wieder aufrappelnd, riß er an mit Baumwollstoff bezogenen Beinen, Schenkeln und Pobacken. Aus der Ferne betrachtete, erinnerte das Gerangel der beiden Männer an eine Schlammschlacht ohne Schlamm. Das Ganze hatte ein Ende, als Ken Terrys Schritt fand und hineingriff.

  Nach einem kurzen Aufschrei drehte der Fotograf Kopf und Schultern um und brüllte Ken phantasielose Obszönitäten ins Gesicht. Bei seiner hektischen Bewegung geriet die Statue in Bewegung. Lautes Knarzen, als würde ein großer Stein aus einer Wand gezogen, war zu hören.

  Die atemlosen, staunenden Zuschauer hielten auf einen Schlag die Luft an, als sie beobachten mußten, wie die ewig ‘lächelnde Statue erzitterte. Kurz darauf neigte sie sich nach vorn, ganz langsam, während ein Großteil der Steinmasse noch sicher ausbalanciert war. Es bestand immer noch die Chance, daß sie nicht umkippte, aber nur, wenn das zappelnde menschliche Halsband abgenommen wurde.

  Ave stieß einen markerschütternden Schrei aus. »Terry - laß los!«

  Terry keuchte laut. Seine siegessichere Miene verriet den Triumph, den er spürte, während er immer noch an der Statue hing. Dann allerdings machte er den Fehler, den Kopf vorzustrecken, um nachzusehen, wie sich sein Gegenüber hielt. Diese unkluge Verlagerung des Körpergewichts bewirkte, daß  die Statue sich noch weiter vorneigte, diesmal so weit, daß es kein Zurück mehr gab.

  Mit einem ohrenbetäubenden Krachen schlug sie auf dem Boden auf. Terry, der sich mitten im Umkippen drehte, landete nur wenige Zentimeter neben dem schweren Steinschädel. Soviel Glück war Ken nicht beschieden.

DURCH DIE LATERNA MAGICA 

12

Strahlenden Blickes und prächtig ausgeruht, kam Troy ins Büro - das Baby hatte die ganze Nacht durchgeschlafen. Er roch nach Players High Tar and Brusque, dem Chanel Pour l’Homme fürs einfache Volk. Er hängte seine Jacke auf, blickte zu Barnaby hinüber, der aus dem Fenster sah, und sagte: »Was treiben Sie?«