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  Sollten sie es hier mit zwei Morden zu tun haben - was er für wahrscheinlicher hielt -, wo war die Verbindung zwischen dem Tod von Craigie und dem von Jim Carter? Suhami lebte zwar lange genug auf Manor House, um an der ersten Ermordung beteiligt gewesen zu sein, und sie war vom physischen Standpunkt aus betrachtet auch in der Lage, jemanden eine Treppe hinunterzustoßen, doch selbst wenn sie kein hieb- und stichfestes Alibi hatte, gab es für sein Dafürhalten kein eindeutiges Motiv.

  Troy kam ins Büro und plapperte sofort drauflos. »Habe ein Stück Stoff aus ihrer Tasche. Hab’s gleich ins Labor gebracht. Ich sagte, es sei sehr dringend. Sie meinten, morgen früh erfahren wir mehr.«

  »Das habe ich schon mal gehört.«

  Troy knöpfte sein Jackett auf, hängte es sorgfältig auf einen Bügel und zog sein Notizbuch und eine Kopie von Suhamis erster Aussage hervor.

  »Bestätigt alles, was die anderen beiden gesagt haben. Hat die Tasche zum Geburtstag geschenkt bekommen. Hat sie die ganze Zeit über dabeigehabt, hat sie nicht mal auf ihr Zimmer gebracht, sondern mit in die Küche genommen, hat sie aber einmal auf dem Eßtisch und einmal auf dem Tisch in der Halle abgelegt.«

  »Haben Sie sie gefragt, was sie in der Tasche gehabt hat?«

  »Ja. Wollte das Gefühl haben...«, Troy warf einen Blick auf seine Notizen, »daß sie sie von Anfang an richtig benutzt. Etwas Make-up, eine Bürste, eine Packung Taschentücher, ein paar Haarkämme. Damit half sie dem Mörder, denn er hätte das Messer wohl kaum in eine leere Tasche stecken können. Das nächste Mal, als sie sie in die Hand nahm, öffnete sie sie, um einen Blick hineinzuwerfen.«

  »Vielleicht stecken da ja zwei unter einer Decke.«

  »Ja, das ist auch möglich.«

  »Weiß sie noch, wann sie zum letzten Mal einen Blick reingeworfen hat?«

  Wieder schaute Troy auf die engbeschriebenen Seiten. »Hat sie erst wieder aufgemacht, nachdem sie die Sachen reingetan hat. Im Solar hat sie das Ding neben ihre Füße gelegt. Hat nicht gesehen, daß jemand sie berührte. Der Rest ist ein Mysterium. Meinen Sie, das grenzt die Sache ein, Chief? Ich meine auf die vier, die in ihrer Nähe waren?«

  »Ist verführerisch, das anzunehmen. Aber auch die anderen sind nicht weit entfernt. Bin nicht der Ansicht, daß wir zum jetzigen Zeitpunkt einen von ihnen von der Verdächtigenliste streichen können.«

  »Nicht mal die arme alte Kokserin Felicity?«

  »Nicht mal die. Haben Sie dem Gamelin-Mädchen erzählt, warum Sie ihr Fragen zu der Tasche stellen?«

  »Das brauchte ich nicht. Die ist geistesgegenwärtig, auch wenn sie ganz schön abgedreht rüberkommt.«

  »Wie hat sie darauf reagiert?«

  »Relativ verstört. >Daß ich unwissentlich die Mordwaffe...< ... bla bla bla...« Troy hob die Arme hoch und kreischte mit hoher Stimme.

  Seine Vorstellung war so schlecht, daß Barnaby lachen mußte. Troy, der natürlich annahm, sein Chef lache aus dem gegenteiligen Grund, zog an seinen Manschetten.

  In diesem Moment tauchte die Polizistin Brierley mit grobkörnigen Schwarzweißabzügen auf. »Ihre Fotos, Sir.«

  »Was für Fotos?«

  »Sie haben einen Antrag gestellt.«

  Barnaby warf seinem Sergeant einen Blick von der Seite zu. »Tut mir leid, Chief.«

  »Was habe ich Ihnen gesagt?«

  »Das sind die letzten.« Troy betrachtete die Fotos und fragte die Beamtin, ob sie wohl Kaffee kochen würde.

  »Ich habe zu tun.«

  »Bitte bringen Sie zwei Tassen, ja, Audrey?«

  »Sofort, Sir.«

  Sofort, Sir, wiederholte Troy stumm. Warte nur, bis ich Detective Chief Inspector bin. Dich werde ich springen lassen! Dich werde ich, verflucht noch mal, springen lassen! Er begutachtete die Fotos und konnte seinen Blick nicht mehr abwenden.

  Barnaby las gerade die Notizen des Sergeants durch, als er spürte, daß Troy auf ihn zukam und vor ihm stehenblieb. Von dem Schweigen seines Untergebenen irritiert, blickte er auf.

  Blaß vor lauter Siegesfreude, breitete Troy die Fotos auf dem Schreibtisch aus und richtete sich dann gemächlich auf. Diese Bewegung erinnerte Barnaby an einen erfolgreichen Athleten, der sich runterbeugte, um sich die Medaille umhängen zu lassen. Barnaby würdigte die Fotos keines Blickes. Das war auch nicht nötig: Troys Miene sprach Bände.

  »Sie hatten also recht?«

  Das war seine große Stunde, das wußte Troy, aber er sagte kein Wort. Balsam für die Seele. Diesen Sieg konnte ihm niemand mehr nehmen. Er hatte einen guten Riecher gehabt, war ins kalte Wasser gesprungen, hatte Zähigkeit bewiesen. Und es hatte sich bezahlt gemacht. Wer wollte da behaupten, daß die Klugen immer als letzte ins Ziel kamen?

  Nach einer Weile griff Barnaby nach dem Verbrecherfoto von Albert Cranleigh. Kurzgeschnittene Knastfrisur, stoppeliges Kinn, trotzig zusammengepreßte Lippen. Augen, die im Blitzlicht wie dunkle Glasmurmeln aussahen. Oder war dieser Blick jahrelanger Schikane zuzuschreiben? Ganz anders als der Mann mit dem unterwürfigen Lächeln und den langen silbernen Locken des Zauberers von Golden Windhorse. Und doch waren die beiden eindeutig ein und derselbe Mann.

Die vergangene Nacht hatte Janet in Trixies Bett geschlafen. Sich darin vergraben, sich am Duft des aufdringlichen Parfüms ergötzt. Sich vorgemacht, daß diese vage Mulde im Kissen und die unregelmäßige Linie des Lakens von ihrem verlorenen Liebling, ihrer mignonne stammten.

  Zutiefst erschüttert wachte sie aus einem Traum auf. Sie war eine schmale Landstraße entlanggelaufen, bis sie einen alten Kirchhof erreichte. Etwas veranlaßte sie, gegen ihren Willen einzutreten. Nun stolperte sie über kleine, von Gras eingefaßte Grabsteine. Sie bückte sich, las ihr eingemeißeltes Geburtsdatum und entdeckte darunter ein zweites moosbewachsenes Datum. Sie begann, das samtige grüne Gewächs abzukratzen, doch da veränderte der Stein seine Form und Struktur, wurde rot und schlüpfrig und ziemlich weich. Auf einmal bewegte er sich unter ihren Fingern. Erschrocken wich sie zurück.

  Janet kletterte steif aus dem Bett und schlüpfte in ihre Kleider, die sie gestern abend über den grünen Samtsessel geworfen hatte. Es fiel ihr nicht leicht, die bestürzenden Traumbilder abzuschütteln. Als sie die marineblaue Hose hochzog, fiel ihr Blick auf ihre dicken Schenkel. Geschwind zog sie den Stoff darüber. Beim Schließen des Hosenladens mußte sie daran denken, wie Trixie sich immer über die Hose lustig gemacht hatte. Moniert hatte, daß sie das allerletzte wäre und Janet, was Mode anbelangte, keinen Durchblick besäße.

  Sie band sich die alte Armbanduhr ihrer Großtante mit dem Seidenuhrband um, bevor sie in ihr eigenes Zimmer zurückkehrte, sich kaltes Wasser ins Gesicht spritzte und es mit einem harten Frotteehandtuch trocken tupfte. Sie bürstete ihr verfilztes Haar durch, ohne einen Blick in den Spiegel zu werfen. An Essen war nicht zu denken (seit Trixies Verschwinden hatte sie kaum was zu sich genommen), aber ihr Mund war ungewöhnlich trocken, und es gelüstete sie nach einer Tasse Tee.

  In der Küche hing der Geruch von verbranntem Toast. Heather saß am Tisch, aß Müsli und las in The Secret Commonwealth of Elves, Fauns and Fairies. Als sie Gesellschaft bekam, schlug sie das Buch zu und stand auf. Ihre Miene signalisierte tiefe Anteilnahme.

  »Aloha, Janet - geh in Frieden.«

  »Ich bin erst gerade gekommen.«

  »Laß mich dir Tee bringen.«

  Sie schlug jenen Tonfall an, den Janet immer als »die zuckersüße Kleinmädchenstimme« bezeichnete. Genauso redeten die Leute, die auf Channel Four die Andachten hielten.