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Das sind die echten Haifische unter den Insecten, und bei einem Kampfe zwischen Sirafus und einem wirklichen Hai würde ich ohne Bedenken auf die Ersteren wetten.

Er durchsuchte die verborgensten Winkel. (S. 276)

– Und wo findet man diese Sirafus gewöhnlich? fragte da Dick Sand.

– In Afrika, antwortete Vetter Benedict, und zwar in dessen mittleren und südlichen Provinzen. Afrika ist das Land der Ameisen par excellence!

Der Gelehrte tummelte das Steckenpferd weiter. (S. 279.)

Darüber muß man lesen, was Livingstone in den letzten, von Stanley aufgefundenen Berichten niedergeschrieben hat. Vom Glücke mehr begünstigt als ich, hat der Doctor einem wahrhaft homerischen Kampfe zwischen einem Heere schwarzer und einem solchen weißer Ameisen beiwohnen können. Die, welche die Gelehrten »drivers« und die Eingebornen Sirafus nennen, blieben die Sieger. Die anderen, die »Tschungus«, ergriffen die Flucht und nahmen, nach ehrenvoll hartnäckiger Vertheidigung, ihre Eier und Jungen mit sich fort. Niemals, so spricht sich Livingstone ungefähr aus, loderte die Kampfeswuth heftiger auf, weder bei Menschen noch bei Thieren! Mit ihrem kräftigen Kiefer, der dem Angegriffenen ganze Stücke aus dem Körper reißt, treiben sie den tapfersten Mann in die Flucht. Selbst die größten Thiere, wie Löwen und Elefanten, fliehen vor ihnen. Dabei hält nichts sie auf, weder Bäume, welche sie bis zum letzten Gipfel erklettern, noch Bäche, über die sie aus ihren eigenen, aneinander geklammerten Leibern eine Brücke zu schlagen verstehen. Und wie zahlreich sind sie dabei! Du Chaillu z.B., ein anderer Afrika-Reisender, sah einmal eine Ameisen-Colonne zwölf Stunden hindurch vorüberziehen, ohne daß diese sich jemals aufgehalten hätte. Was ist aber über solche Myriaden besonders zu verwundern? Die Fruchtbarkeit der Insecten ist eben eine unglaubliche, und, um auf unsere kriegerischen Termiten zurückzukommen, man hat constatiren können, daß ein einziges Weibchen in einem Tage 60.909 Eier legte! Dabei liefern diese Neuropteren den Eingebornen übrigens eine kräftige Nahrung. Geröstete Ameisen, meine Freunde, o, ich kenne nichts Besseres in der Welt!

– Haben Sie denn solche gegessen, Herr Benedict? fragte Herkules.

– Nein, erwiderte der gelehrte Professor, aber ich thät’s jeden Augenblick.

– Wo?

– Hier auf der Stelle.

– Hier sind wir aber nicht in Afrika! warf Tom schnell ein.

– Nein… freilich nicht, bestätigte Vetter Benedict, und doch wurden die kriegerischen Ameisen sammt deren dorfähnlichen Ansiedelungen bisher nur auf dem afrikanischen Continente beobachtet. Ah, da hat man nun die Reisenden! Sie verstehen nicht zu sehen! Nun, desto besser, ich habe in Amerika ja schon einen Tetse aufgefunden! Zu diesem rühmlichen Erfolge füge ich nun auch noch den, die kriegerischen Termiten in demselben Erdtheile zuerst entdeckt zu haben. Welche Fülle von Stoff für eine Denkschrift, welche das gelehrte Europa in Aufregung versetzt, vielleicht für einen Folianten mit Platten und Abbildungen neben dem Texte!…«

Offenbar war das Licht der Erkenntniß in Vetter Benedict’s Gehirn noch nicht aufgegangen. Der arme Mann und alle die Uebrigen, mit alleiniger Ausnahme Dick Sand’s und Tom’s, glaubten sich da und mußten sich wohl da glauben, wo sie in der That nicht waren. Es bedurfte noch anderer Vorkommnisse, schwerer in’s Gewicht fallender Thatsachen als einiger wissenschaftlicher Curiositäten, um sie aus ihrer Täuschung zu reißen.

Jetzt war es neun Uhr Abends. Vetter Benedict hatte lange gesprochen. Bemerkte er denn gar nicht, daß seine in den Einzelabtheilungen des Termitenbaues verkrochenen Zuhörer während seines entomologischen Vortrages nach und nach eingeschlafen waren? Allem Anschein nach, nein. Er docirte für und vor sich selbst weiter. Dick Sand unterbrach ihn mit keiner Frage und regte sich nicht, obwohl er keineswegs schlief. Herkules hatte noch etwas länger als die Anderen zu widerstehen vermocht; allmälig schloß die Abspannung jedoch auch ihm die Augen und mit den Augen zugleich die Ohren.

Vetter Benedict ließ seiner Beredtsamkeit noch immer freien Lauf. Endlich machte das Bedürfniß nach Schlummer seine Rechte geltend und er kletterte nach einer der oberen, schon früher als Schlafstätte auserkornen Abtheilungen des Kegels empor.

Jetzt herrschte tiefes Schweigen im Innern des Termitenbaues, während das Unwetter draußen mit Blitz und Donner weitertobte und nichts auf ein nahes Ende dieses Kampfes in der Natur hinzuweisen schien.

Die Laterne war ausgelöscht worden. Das Innere des beschränkten Obdachs lag in schwarzer Finsterniß.

Ohne Zweifel schliefen die Insassen desselben… Nur Dick Sand allein suchte im Schlummer nicht die ihm doch so nothwendige Ruhe. Seine sorgenden Gedanken hielten ihn wach. Er dachte an seine Gefährten, die er um jeden Preis retten wollte. Der Schiffbruch des »Pilgrim« bezeichnete noch keineswegs das Ende ihrer Prüfungen; noch weit schwerere standen ihnen ja bevor, wenn sie Eingebornen in die Hände fielen.

Auf welche Weise war aber diese Gefahr, offenbar die schlimmste aller, bei der Rückkehr nach der Küste zu vermeiden? Sicherlich hatten Harris und Negoro sie nicht ohne die geheime Absicht, sich ihrer zu bemächtigen, hundert Meilen weit in das Binnenland Angolas verlockt. Was hatte der elende Portugiese aber dann mit ihnen vor? Wem galt denn sein tödtlicher Haß? Der junge Leichtmatrose erinnerte sich, daß nur er ihm feindlich gegenübergetreten sei, und überflog im Geiste noch einmal alle mit der Ueberfahrt des »Pilgrim« verknüpften Ereignisse, die Auffindung des Wracks mit den Negern darin, die Jagd auf den Walfisch, das traurige Ende des Kapitän Hull und seiner ganzen Mannschaft.

Dick Sand sah sich, trotz seiner Jugend, berufen zum Commando eines Schiffes, das seiner Boussole und seines Logs durch Negoro’s verbrecherische Handlungsweise sehr bald verlustig ging. Es trat ihm die Scene wiederum vor Augen, wo er dem unverschämten Koche gegenüber seine Autorität geltend machen mußte, indem er ihm strengen Arrest in Aussicht stellte, oder ihm gar eine Revolverkugel durch den Kopf zu jagen drohte. Ach, warum hatte er es damals nicht gethan! Negoro’s Leiche wäre über Bord geworfen und die ganze Reihe der nachfolgenden Unfälle verhütet worden!

Das war etwa der Gedankengang des jungen Leichtmatrosen. Dann verweilte er bei dem Schiffbruch, der sich am Ende der Ueberfahrt des »Pilgrim« ereignete; wie hierauf der Verräther Harris auftrat und die vermeintliche Provinz Südamerikas sich allmälig verwandelte. Bolivia vertauschte sich gegen das entsetzliche Angola mit seinem Fieberklima, seinen wilden Thieren und noch wilderen Eingebornen. Konnte die kleine Gesellschaft wohl auf dem Rückweg zur Küste allen drohenden Gefahren entgehen? Versprach jener Fluß, den Dick Sand so emsig suchte und auch noch zu finden hoffte, sie sicherer und müheloser zum Uferland hinab zu tragen? Er sträubte sich, daran zu zweifeln, denn er wußte nur zu gut, daß eine Fußreise von über hundert Meilen, mitten durch diese ungastliche Gegend und jeden Augenblick zu fürchtende Gefahren zu den Unmöglichkeiten gehörte.

»Zum Glück, sprach er leise für sich, kennt weder Mrs. Weldon, noch ahnen die Uebrigen den Ernst unserer Lage! Der alte Tom und ich, wir allein wissen es, daß Negoro’s teuflische Bosheit uns nach der Küste Afrikas geführt, daß Harris uns in das Herz von Angola geschleppt hat!«