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Den Magistern sei Dank - der kluge, aber verfressene Vogel hatte sich auch heute wieder von mir bestechen lassen!

Ich pfiff Drupi herbei, und wir verließen das Haus an der Brücke. Ich vergöttere diese Institution, und die Arbeit im Kleinen Geheimen Suchtrupp ist für mich oft ein Fest, aber nichts ist schöner, als sich ab und an vom Arbeitsplatz zu stehlen. Vermutlich entspricht das meiner naiven Vorstellung von Freiheit.

Mein Haus sah von außen sehr interessant aus, denn es war bis unters Dach bewachsen. Ich überlegte, meine Residenz zu meinem Wohnsitz zu machen, wenn ich eines nicht mehr fernen Tages nicht mehr König der Nomaden wäre. Als Erstes würde ich dann die Geschenke meines Volkes aus dem Fenster werfen und meine vielen Diener in die Wüste schicken.

»Gehe ich recht in der Annahme, dass du extrem selten hier auftauchst?«, fragte mich Melifaro. »Es ist eine Ironie des Schicksals, dass ein Barbar wie du eine so schöne Residenz bekommen hat.«

»Im Gegenteiclass="underline" Ich habe die Schönheit des Hauses sofort zu schätzen gewusst und erkannt, dass es zu mir passt. Nur brauche ich etwas Zeit, um mich einzuleben. In meinem Haus an der Straße der gelben Steine bin ich auch noch nicht richtig eingezogen, obwohl ich dort nur zwei Stockwerke und sechs Zimmer habe.«

»Wann bist du eigentlich das letzte Mal in deiner Wohnung gewesen?«, fragte mich Melifaro mit unschuldig interessierter Stimme.

Ich runzelte die Stirn und versuchte, mich zu erinnern.

»Du brauchst mir nicht zu antworten. Zwar hast du diverse Adressen, doch du ziehst es vor, die Barhocker der Wirtshäuser zu polieren«, sagte Melifaro beim Aussteigen.

Auch Drupi sprang aus dem Wagen auf den Gehsteig und bellte laut. Offenbar war das seine neue Leidenschaft, und anders als ich fühlte er sich in meiner Residenz wie zu Hause.

Im Foyer hatte ich den Eindruck, Melifaro und ich seien wieder im Haus an der Brücke, denn aus einem Zimmer kamen uns Sir Kofa Joch und Lady Kekki Tuotli entgegen.

»Hat das Haus an der Brücke meine Residenz etwa als Außenstelle übernommen?«, wollte ich wissen. »Wo soll dann mein Hund schlafen? Schließlich ist er ein königliches Tier.«

»Ich habe mich schon daran gewöhnt, hier ständig auf Melifaro zu treffen«, brummte Kofa Joch, »und ich bin mir ziemlich sicher, den Grund seiner häufigen Besuche zu kennen. Aber was treibt dich hierher, Max?«

»Theoretisch wohne ich hier.«

»Das ist mir klar, aber um diese Zeit solltest du im Büro von Sir Juffin sein und die Beine auf den Tisch legen.«

»Ich bin für kurze Zeit geflohen, aber wenn wir schon pingelig sein wollen, solltest du jetzt im Wirtshaus sitzen und beruflich die Löffel spitzen, stimmt's?«

»Da hast du leider Recht, und ich geh auch gleich. In letzter Zeit habe ich allerdings festgestellt, dass es unter meiner Würde ist, Wirtshäuser in Gesellschaft von nur einer Dame zu betreten. Deshalb habe ich beschlossen, mir alle deine drei Damen auf einmal auszuleihen.«

»Und sie sind schon seit über einer halben Stunde dabei, sich anzuziehen«, seufzte Lady Kekki. »Das sind wirklich waschechte Königinnen.«

»Dann habe ich ja Glück«, hörte ich Melifaro hinter mir sagen. »Ob es euch passt oder nicht - ich komme mit. Dich hat man übrigens schon lange nicht mehr im Haus an der Brücke gesehen«, sagte er giftig zu mir und zog eine fürchterliche Fratze. »Es ist längst dunkel, und du hast noch niemanden umgebracht. Unerhört!«

»Meine unschuldigen Opfer müssen sich eben noch ein wenig gedulden«, sagte ich. »Außerdem muss ich irgendwo etwas zum Abendessen bekommen.«

»Du hättest dich wenigstens umziehen können«, maulte Kofa. »Dein Todesmantel wird uns alle kompromittieren.«

»Was soll ich denn anziehen? Ich habe hier keine persönlichen Sachen.«

»Dann müssen wir dir helfen, dich herzurichten«, sagte Melifaro wie eine gutmütige Tante. »Schließlich wird uns dein Todesmantel die Verdauung ohnehin nicht erleichtern.«

Er zog einen kleinen Gegenstand aus der Hosentasche, rieb ihn in den Händen und warf ihn mit Schwung vor seine Füße. Ich staunte nicht schlecht, als gleich darauf ein königsblauer Lochimantel mit gemustertem Saum auf dem Boden lag.

»Deine Lieblingsfarben versetzen mir immer wieder einen Kulturschock. Wenigstens hast du mir nichts Himbeerrotes verpasst«, sagte ich und zog den Mantel an.

»Vorwürfe bekomm ich zu hören, aber kein Wort des Dankes. Schnöde Welt!«, rief Melifaro mit gekünstelter Trauer. »Noch so eine Bemerkung, und ich nehme dir den Mantel wieder weg. Dann kannst du dich in einen Residenzteppich wickeln.«

»Schon gut. Mach mir bitte keine Angst. Schleppst du eigentlich immer Klamotten mit dir herum?«

»Natürlich - schließlich muss ich für den Fall gerüstet sein, dass du in Dienstkleidung mit uns zu Abend essen willst. Wie du siehst, kümmere ich mich aufopfernd um dich.«

»Warum machst du das eigentlich?«

»Was für eine Frage!«, meinte Melifaro achselzuckend. »In unserem Beruf kommt es nicht zuletzt darauf an, durch die Kleidung einen bestimmten Eindruck zu erwecken. Wir können es uns nicht erlauben, einfach irgendwas anzuziehen. Darum ist es gut, einen Klamottenvorrat dabeizuhaben. Habe ich mich Euch verständlich machen können, Hoheit?«

Die Hoheit nickte und staunte über Melifaros Umsicht.

Drei gleich aussehende Schwestern erschienen im Foyer. Als sie mich erblickten, zuckten sie ein wenig zusammen, kamen dann aber rasch auf uns zu.

Eigentlich sahen sie einander gar nicht mehr so ähnlich. Einige Spaziergänge durch die Stadt und ein paar Einkäufe in den beliebtesten Boutiquen hatten dazu geführt, dass jede ihren eigenen Geschmack entwickelt hatte. Die eine Schwester bevorzugte puristisches Schwarzweiß; die andere trug begeistert Grün; die Dritte hatte einen kornblumenblauen Lochimantel und eine dazu passende Skaba erstanden. Das ist bestimmt Melifaros Auserwählte, dachte ich resignierend. Die beiden dürften atemberaubend gut zusammenpassen.

Wir verließen das Haus. Die drei Schwestern unternahmen einen letzten Versuch, sich als Einheit zu präsentieren, indem sie sich an den Händen hielten oder eingehakt die Straße entlanggingen. Allerdings wehte es auch recht kalt. Zum Glück gibt es in Echo aber eigentlich nie Frost.

»Wir passen nicht alle in ein A-Mobil, und ich habe keine Lust, mit dir ein Rennen zu machen«, sagte Kofa lächelnd. »Also gehen wir ins nächste Wirtshaus, ins Gesättigte Skelett. Das ist keine schlechte Idee, oder?«

»Und wieder wandern ein paar Kronen in die Tasche von Gopa Talabun, dem Besitzer aller Skelette von Echo«, bemerkte ich nickend.

Abends hatte ich stets gewaltigen Hunger. Daher verbrachte ich im Wirtshaus eine halbe Stunde mit rhythmischem Kauen und nahm nicht am Gespräch teil, sondern beobachtete nur. Mir fiel auf, dass die Schwestern Sir Kofa für eine Art Vater hielten, den sie ja - wie die Legende der Chencha berichtete - nie gehabt hatten. Auch Lady Kekki Tuotli genoss das volle Vertrauen meiner drei Gattinnen. Ich hätte gern gewusst, wie oft die fünf schon zum Abendessen hier gewesen waren. Es entging mir nicht, dass die Schwestern Melifaro sehr schüchtern ansahen.

Nachdem ich endlich gesättigt war, konnte ich mich von meinem Teller trennen und am Gespräch beteiligen. »Vielen Dank, Kofa, dass du dich so aufopfernd um meine merkwürdige Familie gekümmert hast, während ich durch die Weltgeschichte getigert bin.«

»Weltgeschichte? Jetzt übertreibst du aber, Max. Ich weiß schließlich, wo du dich in letzter Zeit herumgetrieben hast«, sagte er lächelnd. »Aber das ist nicht der Rede wert. Solltest du in deiner Eigenschaft als König weitere Frauen angetragen bekommen, werde ich auch sie in meine Obhut nehmen.«

Lady Kekki lächelte in sich hinein. Offenbar hätte auch sie nichts gegen Frauennachschub.

»Ich muss mit dir reden«, sagte ich zu Kofas Freundin. »Heute hat sich ein Bekannter von mir darüber beklagt, dass du dich zu wenig um den Koffer kümmerst, der aus dem Nachlass seines Großvaters gestohlen wurde.«