»Genau.« Allmer betätigte den Hebel, der die Luke schloß, und wartete schweigend ab, während Ken die Steuerung seiner Anlage betätigte. Die Temperatur im Inneren des Torpedos stieg an, da nun die Öffnung fehlte, durch die Wärme hatte entweichen können. Eigentlich hätte auch der Druck ansteigen müssen. Zu Kens immenser Befriedigung tat er es nicht, ja, er fiel statt dessen. Auf sein Ersuchen hin wurde die Luke kurz geöffnet und gleich darauf wieder geschlossen. Als Folge davon fiel der Druck auf seinen früheren Wert zurück und sank sogar noch darunter. Das Titan ging offensichtlich mit einer gasförmigen Komponente der umgebenden Atmosphäre eine Verbindung ein, die allerdings nicht so heftig war, daß man von einer Verbrennung hätte sprechen können.
»Und jetzt runter auf die Oberfläche, wenn Sie an den Rand des Leitstrahls kommen«, sagte Ken schließlich. »Ich möchte wissen, welcher Prozentsatz der Luft so reagiert, und damit die Sache möglichst genau wird, brauche ich gleich am Anfang den größtmöglichen atmosphärischen Druck.«
Feth Allmers Bewegung sollte ein Nicken ausdrücken. »Wir sind jetzt ein Stück zum Rand hin«, sagte er. »Ich kann jetzt schnurstracks runter, wenn Sie wollen. Soll die Luke offen oder geschlossen sein?«
»Geschlossen. Ich werde die Probe ein wenig abkühlen lassen. Auf diese Weise bekommen wir nach der Landung Normaldruck, ohne daß alles verbraucht wird. Dann erhitze ich sie wieder und überprüfe, wieviel Luft in der Kammer verbraucht wurde.« Feth zeigte sich einverstanden. Gleich darauf ertönte ein schwacher Pfeifton, als das Torpedo ohne Antriebskraft in freien Fall überging. Es verfügte über Lautsprecher und Schallempfänger, da Allmer die Anlage nicht ausgebaut hatte. Acht Kilometer – sieben… zwei – eins… Mit trügerischer Lässigkeit fing der Techniker den Fall bei einer Höhe von dreihundert Meter ab und ließ das Torpedo sanft abwärtsgleiten. Dabei deutete er mit einem Tentakel auf eine andere Skala. Ken verstand nach einem Augenblick des Zögerns. Das Torpedo befand sich bereits unterhalb der Höhe der Zielflugfunkstelle.
»Ich nehme an, daß die Anlage auf einem Berg steht und wir unser Torpedo in einem Tal landen«, erläuterte Feth, ohne die Augen von den Instrumenten zu nehmen.
»Eigentlich ganz klar. Die Gegend galt ja immer als sehr rauher Teil des Planeten«, meinte Ken. »Sehr gut. Die Möglichkeit, entdeckt zu werden, ist damit geringer. Was ist denn – noch immer nicht ganz unten?«
Der Höhenmesser stand auf Null, die Abwärtsbewegung war aber noch im Gange. Während der letzten Sekunden war ein leises Rascheln hörbar geworden, jetzt kam ein lauteres Schnalzen und Knistern dazu. Die Abwärtsbewegung kam zum Stillstand. Ein Hindernis, das Radarwellen reflektierte und das Gewicht des Torpedos aushalten konnte, war im Weg. Mit einem Minimum an Abwärtsantrieb setzte die Bewegung wieder ein. Dann kam der endgültige Stillstand. Geräusche und Bewegung waren gleich Null, auch als Allmer sekundenlang die Energie verdoppelte und vervierfachte. Er wandte sich an Ken.
»Sieht aus, als wären wir gelandet. Ob der Boden so ist, wie wir ihn kennen, kann ich nicht garantieren. Hier ist der Lukenschalter, falls Sie das noch nicht wissen sollten. Jetzt machen Sie ganz allein weiter. Hoffentlich stört es Sie nicht, wenn ich bleibe und zugucke. Der Chef wird auch bald zur Stelle sein. Er müßte sein Torpedo inzwischen schon in den Orbit gebracht haben.«
»Klar, bleiben Sie ruhig da. Ich bin sogar froh darüber, weil wir das Ding vielleicht wieder bewegen und den Standort verlegen müssen.« Dabei hatte er die Luke aufgehen lassen und beobachtete voller Interesse, wie der Druckanzeiger auf einen Wert hochschnellte, der zwei Drittel über Sarr-Normal lag. Gleichzeitig stieg der Temperaturanzeiger des noch immer heißen Titanschmelzofens plötzlich an. Die größere atmosphärische Dichte hatte die leichte Abkühlung, die stattgefunden hatte, mehr als wettgemacht. Das Metall war in Brand geraten. Ken schloß hastig die Luke.
Die Temperatur stieg noch ein wenig, während die Lichtintensität in der Frachtkammer des Torpedos auf einen Wert gesteigert wurde, der selbst für die an die starke Sonne Sarrs gewöhnten Augen unerträglich gewesen wäre. Die interessanteste Meldung aber lieferte der Druckanzeiger. Kens Aufmerksamkeit blieb daran hängen.
Zwanzig Sekunden lang hielt die Reaktion unverändert an. Dann wurde sie schwächer, und nach zehn weiteren Sekunden fiel die Temperatur wieder ab. Der Grund war klar. Der Druck war auf weniger als zwei Prozent seines früheren Wertes gefallen. Es war praktisch nichts mehr übrig, worin sich die Reaktion hätte abspielen können.
Ken entlockte seiner Geräuschmembran jenes laute Dröhnen, das auf Sarr die Bedeutung eines erstaunten Pfiffes hatte.
»Ich wußte, daß geschmolzenes Titan voll reagieren würde, aber hier hielt ich es für unwahrscheinlich. Ich habe mich verschätzt. Eigentlich erwartete ich ein Stoffgemisch, dessen Entstehungswärme eine solche Reaktion verhindert hätte. Na ja, vermutlich wird dieses Gemisch unter dieser Temperatur nicht sehr stabil sein…«
»Davon verstehe ich nichts, aber gebrannt hat es«, bemerkte Feth Allmer. »Und was ist mit den anderen Proben? Lassen Sie sie sofort schnell ablaufen, oder warten Sie ab, bis die Temperatur Normalhöhe erreicht hat?« Ehe Ken antworten konnte, war sein Blick auf eine Anzeige gefallen.
»He, wer hat das Natrium in Brand gesetzt?« fragte er, ohne auf Allmers Frage einzugehen. »Es kühlt bereits ab, aber es muß bei Luftzufuhr eine Weile gebrannt haben.«
»Lassen Sie mehr Luft rein, und warten Sie ab.« Der Hebel rastete ein. Ein Knall ertönte, als Luft in das Vakuum einströmte. Das Natrium kühlte sich weiter ab.
»Vielleicht wurde es durch einen Funken aus dem Titan-Behälter entzündet.«
Ohne zu antworten schloß Ken wieder die Tür und fing an, den Natrium-Behälter zu erhitzen. Feth hatte mit seiner Vermutung nicht weit daneben getroffen. Es war nur sehr wenig zusätzliche Wärme nötig, um das Metall zu entzünden. Diesmal setzte die Reaktion aus, nachdem der Druck um ein Sechstel abgesunken war. Dann wurde die Luke wieder geöffnet, und die Reaktion setzte unter dem Einfluß künstlich zugeführter Wärme wieder ein. Diesmal hielt sie so lange an, bis das Natrium verbraucht war.
»Ich möchte ausreichend Arbeitsmaterial, wenn das Torpedo zurückkommt«, erklärte Ken. »Ich bin schließlich nicht der weltbeste analytische Chemiker.«
Der Tiegel mit Kohlenstaub lieferte äußerst merkwürdige Ergebnisse. Irgend etwas hatte sich getan, denn das Material behielt seine Temperatur nicht nur bei, nachdem die Wärmezufuhr abgestellt worden war, es steigerte sie sogar noch. Doch gab es in der geschlossenen Kammer kein Anzeichen für einen Leistungsverbrauch oder für ein Entstehen von Gas. Ken und Feth staunten nicht schlecht. Als Antwort auf die fragende Miene des Technikers mußte Ken zugeben, daß die Tatsache wahrscheinlich sehr bedeutsam war, daß er aber keine Erklärung dafür zur Hand hatte.
Proben von Eisen, Zinn, Blei und Gold kamen als nächstes an die Reihe. Keines dieser Elemente zeigte unter dem Einfluß dieser eigenartigen Atmosphäre unter jeglicher Temperatur irgendeine Reaktion mit Ausnahme des Eisens vielleicht. In diesem Fall war der Druckabfall zu gering, um eine sichere Aussage zuzulassen, da in jedem dieser Fälle die Erwärmung zu einem Druckanstieg geführt hatte, den man in Rechnung stellen mußte. Magnesium verhielt sich bemerkenswert ähnlich wie Natrium, bis auf den Umstand, daß es noch heller brannte als Titan.
Da entschloß Ken sich zu einem letzten Versuch, indem er das Metall bei offener Luke wieder zum Glühen brachte. An diesem Punkt wurde das Testprogramm plötzlich unterbrochen.
Beiden Sarrianern war klar, daß bei offener Luke ein Lichtstrahl die Dunkelheit durchschneiden mußte. Beide machten sich jetzt deswegen keine Sorgen mehr. Auch das brennende Natrium war, wenn auch schwächer, sichtbar gewesen und auch das Glühen von Eisen und Gold. Eine eventuelle Entdeckung erschien ihnen jetzt weniger wahrscheinlich. Seit der Landung des Torpedos war eine volle Stunde vergangen, da zwischen den einzelnen Tests immer Abkühlperioden eingeschoben werden mußten. Es gab bislang keine Anzeichen dafür, daß sie bemerkt worden waren. Ken hätte an die Schwierigkeiten denken sollen, die ihnen beim Aufsetzen auf den Boden begegnet waren.