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Das Wort ›Zuhause‹ war zufällig eben behandelt worden. Mr. Wing glaubte die Zusammenhänge richtig klargemacht zu haben. Und er hatte das Gefühl, daß der Zeitpunkt gekommen war, eine seiner Karten auszuspielen.

Er fing an, indem er mit einer Armbewegung den ganzen Horizont umfaßte. »Erde«, sagte er dazu. Der Sarrianer wiederholte das Wort, aber ohne eigene Geste, die angedeutet hätte, daß er verstand. Mr. Wing wiederholte das Wort und stampfte dabei auf dem Boden auf. Dann nahm er eine neue Seite aus dem Notizbuch und zeichnete darauf eine Skizze des Planeten, so wie er sich ihn aus dem All gesehen vorstellte. Und als letzte Demonstration formte er eine Kugel aus einem Knetmaterial, das sich im Spielzimmer gefunden hatte und sich bereits als sehr nützlich erwiesen hatte. Dann deutete er auf Kugel, Zeichnung und Boden, und wiederholte dabei jedesmal das Wort ›Erde‹.

Ken begriff. Er zeigte es, indem er selbst eine Skizze auf den Boden zeichnete. Dazu langte er so gut es ging seitlich von dem Backofen herunter und benutzte den Metallstab. Es war eine eindeutig erkennbare Zeichnung der Sonne und der Umlaufbahnen der ersten drei Planeten. Er wußte, daß er damit vielleicht irdische Astronomiekenntnisse überforderte, doch die Tatsache, daß der Eingeborene die Form seiner Welt kannte, war ermutigend.

Prompt zog Mr. Wing Dons Diagramm hervor, das im Grunde Kens Zeichnung entsprach, bis auf den Umstand, daß auch Umlaufbahn und Position des Mars gezeigt wurden. Er brauchte eine gewisse Zeit, bis er alle Planeten genannt hatte und auch den Gattungsbegriff vermittelt hatte. Dann verbrachten sie eine gewisse Zeit mit einer Spielerei. Ken fügte Jupiter und Saturn ins Diagramm ein, um herauszubekommen, wie viel Ahnung diese Wesen von Astronomie hatten. Mr. Wing nannte ihm die Namen und fügte Uranus, Neptun und Pluto hinzu. Don, der bis zu diesem Augenblick noch nichts gesagt hatte, nahm eine Korrektur an der Umlaufbahn Plutos vor, so daß diese die Bahn Neptuns an einem Punkt kreuzte. Dann fing er an, in rasender Eile Satelliten einzuzeichnen. Aus dem Lautsprecher drang nun eine wahre Sturzflut sarrianischer Wörter, die sie als Zeichen für das Staunen des Fremden werteten und entsprechend erfreut waren.

Ken staunte aus mehr als nur einem Grund.

»Drai, falls Sie zuhören, diese Typen hier sind alles andere als Wilde. Sie müssen über eine hochentwickelte Wissenschaft verfügen. Hier kennt man neun Planeten in diesem System während wir nur von sechs Planeten wissen. Eben jetzt erfahre ich, daß es jede Menge Monde gibt. Planet Vier hat sogar zwei, und uns ist kein einziger aufgefallen. Entweder kennen die hier Raumfahrt oder haben verdammt gute Teleskope.«

»Wir haben in zwanzig Jahren kein einziges Raumschiff gesichtet«, rief Feth ihm ins Gedächtnis. Ken gab keine Antwort. Mr. Wing hatte wieder zu sprechen begonnen. Er zeigte auf Planet Drei seiner eigenen Zeichnung und wiederholte den Namen.

»Erde… mein Zuhause.« Mit einer Hand deutete er auf sich, um das Personalpronomen zu betonen. Dann zeigte er mit dem Finger auf die innerste Welt. »Merkur… dein Zuhause.« Und er deutete auf Sallman Ken.

Die Reaktion enttäuschte ihn, was nicht der Fall gewesen wäre, wenn er das Mienenspiel eines Sarrianers besser zu deuten gewußt hätte. Ken war volle zehn Sekunden wie vor den Kopf geschlagen. Als er endlich wieder seine Stimme in der Gewalt hatte, wandte er sich eher an die fernen Zuhörer als an den Erdenmenschen.

»Sicher wird es Sie interessieren, daß er weiß, daß wir von Planet Eins kommen. Ich glaube, er meint, wir leben dort. Ein geringfügiger Irrtum unter diesen Umständen.«

Nun meldete sich Drais Stimme. »Sie sind wohl verrückt! Sie selbst müssen es ihm verraten haben! Wie kann er das ohne Hilfe erfahren haben?«

»Ich habe nichts gesagt. Sie haben die ganze Zeit über zugehört und sollten es eigentlich wissen. Und ich sehe nicht ein, warum man von mir erwartet, ich solle erklären, wie er es herausbekommen konnte. Ich sage Ihnen jetzt bloß, was hier im Moment vorgeht.«

»Sie dürfen nicht zulassen, daß er es glaubt! Streiten Sie es ab! Er weiß zuviel.«

»Na, und was ist dabei?« fragte Ken ganz vernünftig.

»Stellen Sie sich bloß vor, wenn die auch noch Raumfahrt betreiben! Das fehlte jedoch, daß die uns einen Besuch machen! Ich habe diesen Ort hier zwanzig Jahre geheimhalten können.«

Ken verkniff es sich, die Fehler in dieser Beweiskette aufzuzeigen.

»Da ich nicht weiß, wie überzeugt sie von diesen Tatsachen sind, halte ich ein Leugnen für ausgesprochen dumm. Und wenn sie ihrer Sache sicher sind, wissen sie ohnehin, daß ich lüge. Die Folgen könnten übel ausfallen.«

Drai gab darauf keine Antwort, und Ken wandte sich wieder dem Erdenmenschen zu, der das Gespräch verständnislos mitangehört hatte.

»Merkur. Ja«, sagte der Sarrianer.

»Ich verstehe. Heiß«, antwortete Mr. Wing.

»Nein. Kalt.« Ken suchte nach Worten. »Wenig heiß. Für dich heiß. Heiß für…« Er schwenkte den Ärmel seines Panzers in einem großen Kreis… »Pflanzen, für diese Dinge. Kalt für mich.«

Don murmelte seinem Vater zu: »Wenn ihm Merkur zu kalt ist, muß er irgendwo aus dem Inneren eines Vulkans stammen. Die meisten Astronomen geben sich damit zufrieden, daß es keinen Planeten gibt, der näher zur Sonne steht, und er zeigte keinen auf seiner Skizze.«

»Wäre gut, wenn wir wüßten, wie heiß er es gern hat«, meinte Mr. Wing. Er wollte sich eben an Ken mit einer entsprechenden Frage wenden, als plötzlich ein Schwall fremder Wörter aus dem Torpedolautsprecher dröhnte.

»Ken! Dieser…« Nur diese zwei Worte. Feths Stimme. Dann war die Verbindung mit einem Klicken unterbrochen. Ken rief Feths Namen mehrmals in sein eigenes Mikro. Es kam keine Antwort. Nun überstürzten sich seine Gedanken.

Die Eingeborenen starrten ihn stumm an. Vermutlich ahnten sie, daß es irgendeine Panne gegeben hatte. Er fühlte sich wie ein Taucher, der mitanhören muß, wie die Mannschaft, die seine Luftpumpe bedient, in Streit gerät. Was um alles in der Galaxis, hatten die dort oben vor? Hatte Drai sich am Ende entschlossen, ihn ganz fallenzulassen? Nein, auch wenn der Rauschgifthändler entschieden hatte, Ken wäre nutzlos, so würde er doch nie die teure Ausrüstung in den Wind schreiben, nur um ihn loszuwerden. Drai würde es sicher vorziehen, ihn an Entzugserscheinungen sterben zu sehen, vermutete Ken, der sich gleichzeitig bewußt war, daß er Drai damit vielleicht Unrecht tat. Was dann? War Drai plötzlich raffiniert geworden und hatte die Anlage oben ausgeschaltet in der Hoffnung, Ken würde sich irgendwie verraten? Unwahrscheinlich. In diesem Fall hätte Feth sicher versucht, ihn irgendwie zu warnen, und seine Worte, die er noch übermitteln konnte, hätten nicht so erschrocken geklungen.

Vielleicht hatte Drais unter den gegebenen Umständen verständliches Mißtrauen einen Punkt erreicht, an dem er sich entschied, das Vorgehen seines gezähmten Mitarbeiters persönlich zu überwachen. Ken konnte sich trotzdem nicht vorstellen, daß Drai sich, wenn auch gepanzert, auf die Oberfläche der Eiswelt wagen würde, um irgend etwas herauszufinden.

Es gab aber keinen anderen Weg, wenn er persönlich herunterkommen wollte. Lee würde natürlich nicht begeistert sein. Er würde seinen Chef vielleicht sogar davon überzeugen können, daß es viel zu gefährlich sei. Versuchen würde er es sicher. Aber wenn Drai es sich wirklich in den Kopf gesetzt hatte, dann war es sehr wahrscheinlich, daß er Lee gar nicht anhören würde.

In diesem Fall konnte der Schatten der Karella sich jeden Augenblick über sie senken. Damit war auch Feths Warnversuch erklärt und die darauf folgende abrupte Unterbrechung, War dies wirklich der Fall, dann brauchte er sich keine Sorgen zu machen. Sein Gewissen war rein. Drai sollte ruhig sehen, was hier vorging, und wenn ihm dabei die Augen an den Scheiben anfroren.