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»Ich hatte nicht den Mut, sie zu bitten: >Lehre mich, deinen Körper verstehen!< Aber als ich dich getroffen habe, sah ich dein Licht, verliebte ich mich sofort in dich, dachte, daß ich zu diesem Zeitpunkt meines Lebens, an dem ich nichts mehr zu verlieren hatte, ehrlich mit mir selbst sein konnte – und zu der Frau, die ich an meiner Seite haben wollte.«

Meine Zigarette schmeckte großartig, und ich hätte ihn gern gebeten, mir ein bißchen Wein einzuschenken, wollte aber nicht vom Thema ablenken.

»Warum denken die Männer immer nur an Sex, anstatt das zu tun, was du mit mir getan hast, nämlich herauszufinden, wie ich mich fühle?«

»Wer sagt denn, daß wir immer nur an Sex denken? Ganz im Gegenteiclass="underline" Wir bringen Jahre unseres Lebens damit zu, uns davon zu überzeugen, daß Sex für uns wichtig ist. Prostituierte oder Jungfrauen führen uns in die körperliche Liebe ein, wir erzählen unsere Abenteuer jedem, der sie hören will, und wenn wir älter sind, paradieren wir mit einer jungen Geliebten am Arm, um unseren Geschlechtsgenossen zu zeigen, daß wir genau dem Bild entsprechen, das Frauen von uns Männern haben.

Aber soll ich dir mal was sagen? Wir verstehen überhaupt nichts. Wir glauben, daß Sex und Ejakulation ein und dasselbe sind, was sie eben gerade nicht sind. Wir lernen nichts dazu, weil wir nicht den Mut haben, der Frau zu sagen: >Lehr mich, deinen Körper zu verstehen.< Wir lernen nichts dazu, weil die Frau auch nicht den Mut hat, zu sagen: >Lerne zu verstehen, wie ich bin.< Wir bleiben beim ursprünglichen Fortpflanzungstrieb stehen, und das war's dann. Weißt du, was wichtiger für einen Mann ist als Sex?«

Ich dachte, es sei vielleicht Geld oder Macht, sagte aber nichts.

»Sport. Und weißt du, warum? Weil ein Mann den Körper eines anderen Mannes versteht. Dort, beim Sport, sieht man den Dialog zwischen Körpern, die sich verstehen.«

»Du bist verrückt.«

»Mag sein. Aber hast du schon einmal überlegt, was die

Männer, mit denen du im Bett warst, fühlen?«

»Ja, das habe ich; sie waren alle unsicher. Sie hatten Angst.«

»Schlimmer noch als Angst. Sie waren verletzlich. Sie begriffen nicht recht, was sie taten. Sie wußten nur, daß die Gesellschaft, die Freunde, ihre Frauen es für wichtig hielten. >Sex, Sex, Sex, das ist das Salz des Lebens<, so heißt es überall, in der Werbung, in den Filmen, in den Büchern. Keiner weiß, wovon er redet. Nur daß der Trieb stärker ist als wir alle.«

Genug jetzt. Ich hatte versucht, Sexlektionen zu erteilen, um mich zu schützen, und er machte es genauso. Und so weise er sich dabei auch ausdrückte, um mich zu beeindrucken – so wie auch ich ihn immer beeindrucken wollte –, so dumm war es und unserer Beziehung unwürdig. Ich zog ihn an mich, denn unabhängig davon, was er mir alles noch sagen oder ich von mir denken mochte – so viel hatte ich immerhin begriffen: Am Anfang war alles Liebe und Hingabe gewesen. Aber dann war die Schlange zu Eva gekommen und hatte gesagt: »Was du gegeben hast, wirst du verlieren.« So war es mit mir gewesen ich wurde noch in der Schulzeit aus dem Paradies vertrieben, und seither habe ich stets versucht, der Schlange zu sagen, daß sie sich irrte, daß leben wichtiger sei, als etwas für sich zu behalten. Aber die Schlange hatte recht und ich unrecht.

Ich kniete nieder, zog ihn langsam aus und sah, daß sein Geschlecht ruhte, nicht reagierte. Ihn schien das nicht zu stören, und ich streichelte ihn zwischen den Beinen, kitzelte seine Füße. Sein Geschlecht begann langsam zu reagieren, und ich berührte es, dann nahm ich es in den Mund, und ohne Hast – damit er es nicht als >los, mach dich bereit zu handeln< mißverstand – küßte ich ihn zärtlich wie jemand, der nichts erwartet, und gerade deshalb gelang mir alles. Ich fühlte, daß er erregt wurde, und er begann meine Brustwarzen zu berühren, umkreiste sie wie in jener Nacht vollkommener Dunkelheit, weckte in mir den Wunsch, ihn wieder zwischen meinen Beinen oder in meinem Mund zu haben oder wie auch immer er mich besitzen wollte.

Er zog meinen Mantel nicht aus; beugte mich nach vorn auf den Tisch, bis mein Oberkörper darauf lag und meine Beine fest auf dem Boden standen. Er drang langsam in mich ein, diesmal ohne Hast, ohne Angst, mich zu verlieren – denn im Grund hatte er auch schon begriffen, daß dies ein Traum war und für immer ein Traum bleiben, niemals Wirklichkeit werden würde.

Als ich ihn in mir spürte und er meine Brüste, mein Geschlecht kundig liebkoste wie eine Frau, begriff ich, daß wir füreinander geschaffen waren, beide mit unserer weiblichen und männlichen Seite, daß die beiden Teile, die einander verloren hatten, sich wiedergefunden hatten.

Als er in mich eindrang und mich liebkoste, spürte ich, daß er nicht nur mit mir Liebe machte, sondern mit dem ganzen Universum. Wir hatten Zeit, Zärtlichkeit, und wir kannten einander. Ja, es war wunderbar gewesen, mit meinen Koffern zu erscheinen; auch dieser Augenblick, als er mich auf den Boden zog, ich erst gehen wollte, dann aber sein heftiges Eindringen genoß; aber es war auch gut, zu wissen, daß die Nacht nie aufhören würde und daß der Orgasmus hier am Küchentisch nicht das Ziel, sondern der Beginn unserer Begegnung war.

Sein Geschlecht in mir bewegte sich nicht, während seine Finger sich schnell bewegten, und ich hatte nacheinander, ein, zwei, drei Orgasmen. Ich wollte ihn wegstoßen, der Schmerz der Lust war so groß, daß er mich fast in die Knie zwang, aber ich hielt stand, nahm hin, daß es so war, daß ich noch einen Orgasmus würde ertragen können und noch einen und noch einen…

…und plötzlich explodierte eine Art Licht in mir. Ich war nicht mehr ich selbst, sondern ein Wesen, das allem, was ich kannte, unendlich überlegen war. Als seine Hand mich zum vierten Orgasmus führte, trat ich in einen Raum ein, in dem alles Frieden war, und bei meinem fünften Orgasmus trat ich aus mir heraus und gab mich ganz hin.

Ich war die Erde, die Berge, die Flüsse, die in die Seen flossen, die Seen, die zum Meer wurden. Er bewegte sich immer schneller, und der Schmerz vermischte sich mit Lust, und ich hätte sagen können »ich halte es nicht mehr aus«, aber das wäre nicht richtig gewesen, denn jetzt waren er und ich nur noch ein einziges Wesen.

Ich ließ ihn gewähren. Seine Fingernägel krallten sich in mein Gesäß, und als ich dort bäuchlings auf dem Küchentisch lag, dachte ich, es gibt keinen besseren Ort, um sich zu lieben. Die Tischbeine knirschten, sein Atem ging immer schneller, seine Fingernägel taten mir weh. Geschlecht schlug gegen Geschlecht, Fleisch gegen Fleisch, und zusammen trieben wir auf einen neuen Orgasmus zu, und keiner spielte dem anderen etwas vor.

»Komm«, sagte er.

Und ich wußte, daß der Augenblick da war, spürte, wie mein ganzer Körper erschlaffte, wie ich aufhörte, ich selbst zu sein ich hörte, sah und schmeckte nichts mehr, fühlte nur noch.

»Komm!«

Und ich kam mit ihm. Es waren keine elf Minuten, sondern eine Ewigkeit, in der wir beide aus unseren Körpern heraustraten und freudig und einträchtig durch die Gärten des Paradieses wandelten. Ich war Frau und Mann, und er war Mann und Frau. Ich weiß nicht, wie lange es gedauert hat, aber alles schien still und ins Gebet versunken zu sein, als hätten das Universum und das Leben aufgehört zu existieren und wären zu etwas Namenlosem, Zeitlosem, Heiligem geworden.

Doch dann kehrte ich ins Jetzt zurück, und ich hörte seine Schreie, und ich schrie mit ihm. Die Tischbeine scharrten, und keinen von uns kümmerte es, was der Rest der Welt denken mochte.