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Eine geisterhafte Gestalt glitt durch die Wand. Ein riesiger Hund. Emerelle malte mit den Fingern ein Zeichen in die Luft und flüsterte etwas.

Der Geisterhund schreckte zurück. Er wich aus, glitt durch die Lacktruhe an der Wand und ließ sie keinen Herzschlag lang aus den Augen.

»Das Fenster. Spring durch das Fenster, Falrach!«

Er konnte sie nicht allein lassen. Ganz gleich, was sie ihm befahl. Er zog seinen Dolch und überließ sich den Instinkten seines fremden Leibes. Er schnellte vor. Das Messer glitt durch die Kehle des Geisterhundes. Wirkungslos. Raureif lag auf der Klinge. Seine Hand fühlte sich an, als habe er sie zu lange in das eisige Wasser eines winterlichen Flusses gehalten.

Noch immer woben Emerelles Hände verschlungene Muster in die Luft. Ein flüchtiger roter Schein begleitete ihre Bewegungen. Er erinnerte an das tiefe Rot langsam erkaltenden Stahls.

Plötzlich fuhr sie herum und schrie ihm ein Wort der Macht entgegen. Die Luft verdichtete sich. Ihm wurde der Atem aus den Lungen gezogen. Ein Luftstoß mit der Kraft einer Trollfaust traf ihn mitten auf die Brust, riss ihn von den Beinen und schleuderte ihn dem Fenster entgegen.

Hilflos mit den Armen rudernd, sah er einen zweiten Geisterhund aus der Zimmerdecke hinabstoßen. Falrach schleuderte seinen Dolch, als er selbst schon durch das Fenster stürzte. »Über dir!« Das Letzte, was er von Emerelle sah, waren ihre schreckensweiten Augen.

Sein Körper schien besser als er zu wissen, was bei einem Sturz zu tun war. Obwohl es kaum einen Herzschlag dauerte, bis er auf das Pflaster traf, hatte er sich ein wenig gedreht. Er landete im Stand, federte in die Hocke, rollte über die linke Schulter ab und war wieder auf den Füßen.

Im Reflex griff er nach seinem Schwert. Doch seine Hand fuhr ins Leere. Er war vollkommen unbewaffnet. Der Schwertsplitter der Gazala, den er in einem Beutel an seinem Gürtel trug, war alles, was er noch besaß.

Geisterhaftes Licht drang aus dem Fenster. Was ging dort oben vor sich? Er musste wieder hinauf! Aus den Augenwinkeln sah er eine Bewegung. Der Lutin.

»Was ist geschehen?«

»Öffne ein Tor auf dem Albenpfad hier im Hof!« Der Fuchsmann sah ihn erschrocken an. »Das geht nicht.«

»Das will ich nicht hören«, entgegnete Falrach scharf. »Tu es!«

»Aber es ist nur ein einzelner Pfad. Wir werden verlorengehen, wenn es mir überhaupt gelingt…«

»Wir werden sterben, wenn du es nicht tust!«

Emerelle sprang rückwärts aus dem Fenster. Sie zog die Beine an, machte einen formvollendeten Salto und landete schwer auf den Füßen. Das Pflaster des Hofs vibrierte unter ihrem Aufschlag, während sie ein Wort rief, so dunkel und fremd, das es nicht für elfische Kehlen geschaffen schien. So hob den Kopf in den Nacken und blickte mit weit ausgestreckten Armen zum Nachthimmel empor. Nackt bis auf den Lendenschurz, mit Lehm beschmiert, ihr Haar zu einem strähnigen, schlangenhaften Zopf gewunden, sah sie aus wie ein rachsüchtiger Waldgeist, der sich aus dem morastigen Boden einer herbstlichen Lichtung erhoben hatte. Wild und bedrohlich erinnerte nichts mehr an die kalte Eleganz der Emerelle von einst.

Falrach blickte unwillkürlich zum Firmament. Er hätte schwören mögen, die Sterne erzitterten, als Emerelle das fremde Wort rief. Das Licht eines jeden Einzelnen wurde einen Herzschlag lang blasser, als lege sich ein Gazeschleier über den ganzen Himmel, um seine Pracht vor den Blicken der Albenkinder zu verbergen. Kaum einen Lidschlag währte dies furchteinflößende Schauspiel, als

die beiden Geisterhunde aus der Wand hoch über ihnen glitten.

Kaum waren sie zu sehen, fuhr ein gleißendes, blauweißes Licht vom Himmel hinab.

Heller als ein Blitz, doch ohne einen Donnerschlag. Es nahm jegliche Farbe aus der Nacht. Bannte das Dunkel. Falrach musste sich abwenden. Seine Augen brannten. Er fürchtete, geblendet zu sein.

Selbst durch die geschlossenen Lider sah er das Licht.

Als er es wagte, die Augen wieder zu öffnen, sah er nur verschwommene Schemen.

Ein seltsamer Wohlgeruch lag über dem Hof.

»Ich bin blind«, wimmerte der Lutin. Er kauerte bei einem Lichtbogen, die Hände vor das Gesicht geschlagen.

Emerelle schwankte, als sei sie verletzt. Sie brach in die Knie. Der Geruch von verbranntem Leder mischte sich unter den fremdartigen Duft. Klirrend fiel Falrach das Metallstück der Gazala vor die Füße. Es hatte sich durch den Lederbeutel gebrannt.

Immer noch jammerte der Lutin. Er hatte ein Tor auf dem Albenpfad geöffnet, doch allein sein Erscheinungsbild machte deutlich, dass es nicht ratsam war, auf diesem Weg zu fliehen. Der Lichtbogen war instabil. Er dehnte sich und sackte dann wieder fast in sich zusammen. Keine zwei Herzschläge behielt er dieselbe Form.

Aber sie würden ihn nicht mehr brauchen. Was immer Emerelle getan hatte, die Geisterhunde schienen besiegt.

Tränen rannen Falrach aus den brennenden Augen. Langsam sah er wieder etwas deutlicher. Er ging zur Königin und hob sie auf. Sie lehnte den Kopf an seine Schulter.

Alles war gut. Und von nun an würde alles anders werden! Sie waren gerettet. Es war geschafft!

»Wasser«, flüsterte Emerelle. »Bitte, Wasser.«

Ihre Lippen hatten sich dunkel verfärbt. Sie fühlte sich unnatürlich warm an. In einer Ecke des Hofs tröpfelte Wasser aus einem Löwenkopf in eine Pferdetränke.

Vorsichtig bettete Falrach die Königin auf den Boden. Er strich ihr das schmutzige Haar aus dem Gesicht. »Ich hole Wasser.«

Nirgends konnte er einen Eimer oder ein anderes Gefäß entdecken. Also streifte er seine Tunika über den Kopf und hielt den Stoff in das tröpfelnde Rinnsal. Es dauerte lange, bis er sich so weit vollgesogen hatte, dass er Emerelle genügend Wasser in den Mund träufeln könnte. Er würde sie danach in die nasse Tunika wickeln, um ihr Fieber zu kühlen. Wenn er doch nur zaubern könnte!

Der Lutin war verstummt. Kälte kroch Falrach über den Rücken.

Der Elf fuhr herum. Über Emerelle kauerte ein Geisterhund, die Schnauze tief in ihrer Brust versenkt!

Das Ende der Zeit

Alyselle hätte aufjauchzen mögen. Das Licht aus der Brust der Elfenkönigin war reine Kraft. Sie sah Emerelles Haut unter dem Schmutz welken. Die Königin war wehrlos.

Völlig entkräftet vom Mord an ihren beiden Gefährten. Doch ihr Licht war noch immer unendlich viel stärker als jedes andere, das sie gekostet hatte.

Alyselle merkte, wie sich ihr Körper zu verändern begann. Er wurde stofflicher. Ihre Macht wuchs. Es stimmte also, was die Schamanin gesagt hatte! Wenn man nur genug vom Licht in sich aufnahm, dann erlangten die Shi-Handan einen stofflichen Leib ...

Schritte ließen sie aufblicken. Ollowain stürmte ihr entgegen. Mit bloßen Händen.

Lächerlich. Sie ließ kurz von Emerelle ab. Die Königin würde nicht mehr fortlaufen. Sie konnte sich also ruhig am Licht des Schwertmeisters und des wimmernden Kobolds laben.

Ollowain hielt inne. Er schrie sie an und winkte mit den Armen. Der Narr! Dachte er, sie sei irgendein Raubtier ohne Verstand? Die Bestie in ihr rebellierte. Sie wollte den Ritter töten. Vielleicht ... Ja, sie würde ein Spiel mit ihm treiben. Es konnte nicht schaden, sich zu vergnügen und an seiner Hilflosigkeit zu weiden, bevor sie ihn und die gefallene Königin tötete.

Alyselle wich ein wenig zurück. Sollte er sie doch für eine hirnlose Bestie halten! Das Ungeheuer in ihr bestürmte sie zu bleiben. Seine Gier nach dem Lebenslicht der Königin war schier überwältigend. Aufschub kannte es nicht. Es wollte das Festmahl beenden.

Kaum dass sie zurückgewichen war, stürmte der Schwertmeister vor. Er hob etwas vom Boden auf. Einen Stein? Lächerlich. Bildete er sich ein, sie mit Steinwürfen vertreiben zu können?

Sie glitt noch ein Stück zur Seite.

Ollowain stellte sich breitbeinig über seine Königin. Ein anrührendes Bild. Er war ganz der strahlende Held der Geschichten, die sie über ihn gehört hatte. Eifersucht stach in ihr Herz. Auch sie war eine Heldin! Sie hatte ihr Leben für ihre Herrin Alathaia gegeben, aber über sie würde niemand berichten. Sie war einfach verschwunden.