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Vielleicht war es auch der Augenblick gewesen, in dem der Junge die Rüstung gewählt hatte. Seine Rüstung, die er einst erschaffen hatte! War es Zufall, dass sein Sohn ausgerechnet die Eberrüstung gewählt hatte? Oder hatte er etwas gespürt, was sich nicht in Worte fassen ließ.

Jules schloss die Augen und konzentrierte sich auf den Jungen, bis dessen Bild in seinem Geiste erstand. Er sah ihn mit gesenktem Kopf zwischen den Schutthügeln bergab gehen. Er war nicht reif für die Welt. Es war vor schnell gewesen, ihn zu der Rüstung zu führen und dann fortzuschicken. Adrien hatte ja keine Ahnung, was ihn außerhalb der Berge erwartete. Als Bettlerjunge hatte er sich gut durchschlagen können. Aber wie lange würde er als Ritter bestehen? Und wie lange würde es dauern, bis Cabezan von ihm hörte? Die Rüstung wäre eine Versuchung für den alten König. Jules wusste genau, dass Cabezan nichts unversucht lassen würde, um sie an sich zu bringen, wenn er erfuhr, wie anders sie war. Dass ihr Träger schier unverwundbar war.

Wäre Adrien dem alten König gewachsen? Jules fluchte leise. Er würde nicht noch einen Sohn an den König verlieren! Natürlich könnte er einfach in Cabezans Palast gehen und den verdammten Alten töten. Aber das war kein gutes Ende. Er wollte nicht im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen. Dazu hatte er Adrien auserwählt. Der Junge sollte zur Kirchenlegende werden. Aber dazu musste er überleben.

Zögernd öffnete er die Tür der Hütte. Er wollte in der Nähe seines Sohnes bleiben.

Aber Adrien durfte nichts davon merken. Das wäre schlecht für ihn. Er musste auf eigenen Füßen stehen!

Eigentlich hatte Jules daran gedacht, wieder zu wandern wie in den Jahren, bevor er Adrien zu sich genommen hatte. Das Leben als wandernder Tjuredpriester hatte ihm Freude bereitet. Die Arglosigkeit der Menschen. Die Winkelzüge, mit denen er die Tjuredkirche formte.

Diese Freude musste warten. Er kauerte sich nieder. Nur einen Gedanken später hatte er die Gestalt eines Adlers angenommen.

Mit kräftigen Flügelschlägen erhob er sich in den Himmel. Bald sah er den Jungen. Er sollte ihn mit anderen Augen betrachten. Er war längst kein Kind oder Jüngling mehr.

Er war zu einem stattlichen jungen Mann herangewachsen. Die Jahre der Mühen hatten sich bezahlt gemacht. Adrien war gut gewachsen und muskulös. Er würde ein prächtiger Ritter sein. Auch wenn er einem guten Schwertkämpfer aus dem Volk der Elfen wahrscheinlich nicht gewachsen wäre, gab es mit Sicherheit nur wenig Menschen, die mit der Klinge gegen ihn bestehen würden.

Als Adler war er ihm nicht nahe genug. Aber er könnte... Statt eines Lachens entsprang seiner Kehle der helle, herausfordernde Schrei eines Adlers. Adrien blickte zu ihm auf.

Der Junge winkte ihm. Der kleine Narr. Er würde sich von jedem Maulwurf verabschieden, dem er hier begegnet war.

Mit kräftigen Flügelschlägen stieg Jules weiter in den Himmel hinauf. Er musste nicht als Wanderprediger umherziehen, um seinen Spaß zu haben.

Als er den Fluss erreichte, landete er dort, wo Adrien in ein paar Stunden erscheinen würde. Er brauchte eine Weile, um sich auf die Gestalt zu besinnen, die er annehmen wollte. Es war sehr lange her, dass er sie das letzte Mal gewählt hatte.

Schließlich verwandelte er sich in einen Schimmel. In ein prächtiges Schlachtross.

Aufgezäumt für einen Ritter mit einem schweren Kriegssattel.

Jules lief am Ufer auf und ab, um sich an den unvertrauten Körper wieder zu gewöhnen. Schließlich warf er den Kopf in den Nacken und stieß ein wildes, herausforderndes Wiehern aus. Er würde Spaß haben, schwor er sich. Und dennoch würde er seine Pläne vorantreiben. Die Ritter würden die Speerspitze der Tjuredkirche sein. Sie würden helfen, den Tjuredglauben schneller zu verbreiten. Und letztlich würde dieser Speer Albenmark den Todesstoß versetzen!

Er würde nicht lange ein Pferd sein. Wenn der Junge zurechtkam, würde er ihm ein anders Pferd besorgen. In ein paar Wochen wäre er so weit.

Er versteckte sich zwischen den jungen Birken am Ufer und wartete. Es dauerte lange, bis Adrien kam. Man konnte ihm schon von weitem seine Niedergeschlagenheit ansehen. Mit müdem Schritt und hängendem Kopf kam er den Bergpfad hinab. Einen schönen Ritter gab er ab. So würde er nicht zum Helden von Legenden werden!

Als Adrien ihn sah, blieb er verblüfft stehen. Dann streckte er vorsichtig eine Hand vor.

»Nicht fortlaufen, mein Schöner. Ganz stil . Du musst keine Angst vor mir haben.

Ruhig.«

Ich steh hier schon seit Stunden und warte auf dich. Du brauchst dich nicht wie ein Idiot aufzuführen. Ich werde nicht fortlaufen!

Adrien starrte ihn mit schreckensweiten Augen an. Dann wich er zurück. »Geh aus meinem Kopf!«

Das werde ich nicht tun. Wie sol te ich sonst mit dir reden!

»Es gibt keine Pferde, die reden!« Der Junge wich weiter zurück, stolperte über einen morschen Baumstamm und stürzte ins Gras.

Sol ich dir einen Huftritt verpassen, damit du glaubst, dass es mich gibt? Er trottete langsam auf ihn zu, was lediglich dazu führte, dass Adrien rückwärts vor ihm wegkroch, was ziemlich lächerlich aussah.

Der Junge zog sein Schwert. »Weiche von mir, Pferd! Sonst werde ich dich bekämpfen!«

Jules wieherte. Du würdest ein Geschenk Gottes für dich erschlagen? Das einzige sprechende Pferd, das es auf dieser Welt gibt? Du bist ja noch dämlicher, als ich befürchtet hatte.

»Du bist ein Geschenk Tjureds?« Der Junge hatte wirklich ein Talent, unritterlich auszusehen.

Was glaubst du, wer sonst noch sprechende Pferde verschenken könnte?

Adrien stand auf. Er räusperte sich verlegen. Dann legte er den Kopf in den Nacken und blickte zum Himmel hinauf.

Du wirst ihn da nicht sehen.

»Wie ist er?«

Jules schnaubte. Du wil st dich mit einem Pferd über Gott unterhalten?

»Hast du ihn gesehen? Wie sieht er aus?«

Er hat drei Köpfe, ist groß wie ein Berg und hat dreiundzwanzig Arme. Das liegt daran, dass er einen Arm im Kampf verloren hat...

Adrien glotzte ihn auf seine unnachahmliche Weise an.

Natürlich sieht er nicht so aus, du Trottel. Er ist überall, in jeder Gestalt. Er sieht dich gerade.

Und ich weiß nicht, ob er amüsiert oder entsetzt über den Narren ist, der den ersten Ritter seiner Kirche abgibt.

Adrien klopfte sich das Gras vom Umhang und bemühte sich ritterlich auszusehen.

»Darf ich dich besteigen?«

Nein!

»Aber ... «

Du darfst auf mir reiten. Und da endet unsere Freundschaft. Jules schnaubte. Mich besteigen!

Also wirklich ...

»Entschuldige. Ich ... Ich habe nicht viel Erfahrung mit Pferden.«

Da wäre ich jetzt nicht drauf gekommen. Also los, sitz auf. Wollen wir mal sehen, wie du dich im Sattel hältst. Und lass den Schild und dein Schwert erst mal unten.

Er tat es! Der Junge hörte auf ein Pferd! Wie sollte das erst werden, wenn er in der ersten Stadt an irgendwelchen Abschaum geriet? Sein Versuch, in den Sattel zu steigen, war erbärmlich. Er brauchte eine Ewigkeit.

Ich brauch dich nicht einmal zu sehen, um zu wissen, dass du mit der lässigen Grazie eines Sacks Bohnen dort oben thronst.

»Sind alle Pferde wie du?«

Nein, die meisten keilen aus oder beißen, wenn sie einen wie dich tref en. Einige besonders Üble würden dich auch abwerfen und darauf hof en, dass du dir den Hals brichst. Jetzt nimm die Zügel und fall mir bloß nicht herunter. Ich will schließlich keinen Ärger!

»Wenn ich mir den Hals breche, wirst du wohl keinen Ärger mehr bekommen.«

Ich rede doch nicht von Ärger mit dir. Um mit dir Ärger zu bekommen, müsste ich dich ernst nehmen, und davon sind wir noch weit entfernt. Ich dachte an anderen Ärger. Schon vergessen, wer mich geschickt hat?