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Jules trabte langsam los. Er konnte spüren, wie der Junge im Sattel hin und her schwankte. Wenigstens fiel er nicht gleich herunter.

Wir haben noch einige Wochen Arbeit vor uns, bis du dich aus den Bergen herauswagen kannst. Du bist kein Ritter, du bist eine Witzfigur Die Leute würden sich totlachen, wenn sie dich reiten sehen.

»Stimmt, wir brauchen noch einige Zeit, bis wir so weit sind. Mit so einem Pferd könnte ich mich nicht blicken lassen.«

Jules blieb so abrupt stehen, dass Adrien aus dem Sattel gestürzt wäre, hätte er sich nicht im letzten Moment in der Mähne festgehalten. Was soll das denn heißen? Du wirst in ganz Fargon keinen verdammten Gaul finden, der es an Kraft und Ausdauer mit mir aufnehmen könnte. Von meinem Aussehen wol en wir erst gar nicht reden!

»Ein Pferd mit deinem Benehmen passt nicht zu einem heldenhaften Ritter. Wenn das nicht besser wird, werde ich wieder zu Fuß gehen.«

Du willst ein Geschenk Gottes zurückweisen?

»Ich bin mir sicher, wenn Tjured deinen Charakter besser kennen würde, dann hätte er dich nicht geschickt.«

Vielleicht bin ich ja eine Prüfung für dich? Das hatte gesessen. Adrien sagte eine ganze Weile nichts mehr. Sie trotteten am Ufer entlang. Als ein Flusskahn in Sicht kam, wich Jules in den Wald aus. Der Junge sollte besser nicht gesehen werden. Er war einfach noch nicht so weit.

Wie kommst du darauf, dass du ein heldenhafter Ritter bist? Was hast du denn schon geleistet?

Vielleicht habe ich ja schon einmal von dir gehört?

»Das glaube ich eher nicht. Ich ... Ich habe einen fliegenden Löwen getroffen, der ganz aus Gold und Silber gefertigt war. Und eine Rüstung gefunden, die von den alten Göttern für einen König gefertigt wurde. Ahm ... Das war es erst mal. Aber ich weiß, ich werde noch andere Heldentaten begehen.«

Heldentaten begehen? Jules schüttelte sich. Das hört sich ja an, als wolltest du jemanden umbringen. Ich wil dir ja nicht zu nahe treten, aber mir scheint es so, als hättest du noch nichts Besonderes geleistet. Wie heißt du eigentlich?

»Michel Sarti.«

Jules war zufrieden, dass sich der Junge an ihre Abmachung hielt und sogar gegenüber einem Pferd seinen wirklichen Namen verschwieg.

»Wie heißt du denn?«

Weißer Donner.

»Ziehst du mich wieder auf?«

Warum? Ist mit dem Namen etwas nicht in Ordnung?

»Nun ... Er hört sich irgendwie seltsam an.«

Seltsam! Ich bin ein Schimmel, und meine Hufe dröhnen wie Donnerschlag, wenn ich galoppiere. Was also ist an meinem Namen seltsam?

»Ist schon gut, ich wollte dich nicht beleidigen.« Der Junge versank wieder in Schweigen. Jules brachte sie zu ihrem Ausgangspunkt zurück, wo noch der Schild und das Schwert im hohen Gras lagen.

Adrien stieg ab. Er nahm ein Stück altbackenes Brot aus seinem Beutel, ließ sich auf dem umgestürzten Baumstamm nieder und begann zu essen.

Jules war hungrig. Gibst du mir was ab?

Der Junge sah ihn verwundert an. »Hier gibt es doch genug frisches Gras.«

Ich mag kein Gras. Fast hätte er gesagt, das sei etwas für Ziegen und Gäule.

»Aber du bist ein Pferd! Al e Pferde fressen Gras!«

Ich nicht. Mir wird von Gras übel.

Adrien reichte ihm ein Stück Brot. Es war jämmerlich wenig. Er hatte einen Pferdeappetit. »Was frisst du denn sonst? Hafer?« Ich mag gebratene Hühner.

Adrien wäre fast das Brot aus der Hand gefallen. »Du frisst Fleisch? Pferde fressen kein Fleisch!«

Ich schon. Andere Pferde reden ja auch nicht. Ich bin eben anders.

»Wir werden Schwierigkeiten bekommen, wenn wir zusammen reisen.«

Nur wenn du in aller Öffentlichkeit mit mir redest.

»Das werde ich schon nicht tun! Aber was glaubst du, was die Leute von einem Pferd halten, das Hühner frisst? Die werden in dir ein dämonisches Elfenpferd sehen, dich auf den nächsten Scheiterhaufen stellen und verbrennen.«

Keine Sorge. Ich werde schon keine Hühner verputzen, wenn ein Priester neben mir steht. Hast du noch etwas Brot?

Adrien gab ihm tatsächlich noch mehr zu fressen. Viel eicht hoffte er darauf, dass morgen durch ein göttliches Wunder der Brotbeutel wieder voll wäre. Er sollte sich nicht zu sehr an Wunder gewöhnen! Morgen würde er ihn Fische fangen schicken. Was wird denn deine erste Heldentat? Wirst du einen tyrannischen Grafen stürzen? Eine berüchtigte Räuberbande gefangen nehmen oder eine entführte Jungfrau befreien?

»Das mit der Jungfrau trifft es fast. Ich werde ein Mädchen retten. Mein Mädchen!«

Du hast ein Mädchen?

»Naja, nicht so richtig?«

Nicht so richtig? Wie hat man denn ein Mädchen richtig oder falsch? Ich bin nur ein Pferd. Ich kenn mich da nicht aus. Entweder habe ich eine Stute besprungen oder nicht. Nicht so richtig gibt es bei uns nicht.

Adrien wurde rot. »Also ...« Er räusperte sich. »Besprungen habe ich sie nicht...«

Also war da das, was ihr Küssen nennt. »Nein, auch nicht.«

Jules schnaubte. Aber sie ist dein Mädchen? Wie heißt sie denn? Ihm schwante Übles. »Das weiß ich nicht.«

Er schüttelte den Kopf. Also habt ihr nur ein bisschen geredet.

»Nein, auch nicht.« Adrien war jetzt sehr kleinlaut. »Aber ich werde sie retten. Ich habe es meinem Lehrer nie gesagt, aber ich habe es mir schon ganz zu Anfang geschworen. Sobald ich ein Ritter bin, werde ich nach Nan-tour reiten und das Blumenmädchen vom Heumarkt retten.«

Was gibt es bei einem Blumenmädchen denn zu retten? Jules war froh, dass er dieses Ärgernis schon vor Jahren aus der Welt geschafft hatte. Er hatte es von Anfang an geahnt, dass Adrien diese Elodia noch im Kopf herumspukte. Wahrscheinlich war sie schon längst verreckt.

»Also, sie ist...«, druckste der Junge herum und wurde noch röter. »Sie muss sich manchmal verkaufen, weil das Geld, das sie mit dem Blumenverkaufen verdient, nicht zum Leben genügt.«

Ich verstehe das richtig? Du bist ein junger Ritter, der im Namen Tjureds große Heldentaten vollbringen wil . Und das Erste, was du tust, ist, eine Hure zu retten?

»Sie ist keine Hure!«

Aber du sagtest doch, sie verkauft...

»Sie ist keine Hure! Wage es nie wieder, sie so zu nennen. Es ist nicht ihre Schuld, dass sie in Not ist und keinen anderen Weg sieht. Ich werde sie retten. Ich habe Gold. Es wird ihr nie wieder an etwas fehlen. Ich werde sie finden!«

Wann hast du sie denn zum letzten Mal gesehen?

»Vor sieben Jahren«, sagte er kleinlaut.

Und du glaubst, du findest sie noch auf dem Heumarkt von Nantour. Sieben Jahre ist eine lange Zeit für ein Mädchen, das…

»Ich werde sie finden, ganz gleich, wo sie ist. Ich bin ein Ritter! Ich lasse mich von Schwierigkeiten nicht abschrecken. Ich werde sie finden, du wirst es sehen!«

Von blutigen Adlerschwingen und einer unmoralischen Heldin

Cabezan war schlecht gelaunt. Die Lage an der Grenze zu Drusna geriet mehr und mehr aus dem Ruder. Dieses barbarische Königreich, von dem es nicht einmal vernünftige Landkarten gab, war in etliche Fürstentümer zerfallen, und jeder dieser Fürsten tat, was ihm gefiel. Es gab zwar einen König, doch von dem ließen sich die Fürsten nichts sagen.

Fürst Arsi war ins nördliche Fargon eingefallen und hatte zwei kleine Städte und etliche Dörfer ausgeplündert. Sein König hatte ihm das verboten, und Arsi hatte darauf geschissen. Waren die Plünderer erst einmal in Drusna, war es schwer, sie zu verfolgen. In den dichten, weglosen Wäldern waren seine Ritter den Barbaren hoffnungslos unterlegen. Wann würde der nächste Fürst über Fargon herfallen?