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Nachdem Arsi so leicht reiche Beute gemacht hatte, stand zu befürchten, dass diese Hinterwäldler sich untereinander vertragen würden und nun alle einen Kriegszug nach Westen unternahmen.

Cabezan betrachtete die Magd, die ängstlich das Blut vom Boden schrubbte. Sie wagte es nicht, in seine Richtung zu blicken. Überall auf den Gazeschleiern vor seinem Bett waren Blutspritzer. Tankret zog mit langen, hingebungsvollen Strichen seinen Wetzstein über sein Schwert. Ein Wink hatte genügt, und der Ritter war enthauptet, der die Nachricht von den Überfällen gebracht hatte. Das war sicherlich ungerecht, aber er war König, dachte Cabezan wütend. Er konnte es sich leisten, auf Gerechtigkeit zu verzichten. Jedenfalls, solange man ihn fürchtete.

Er betrachtete die junge Frau, die auf dem Boden kauerte. Ihr Körper bewegte sich beim Schrubben rhythmisch vor und zurück. Er hatte gehört, die Lungen würden sich wie rote Flügel erheben, wenn man die Rippen entlang der Wirbelsäule durchtrennte und mitsamt dem Fleisch des Rückens zur Seite klappte. Er hatte das immer einmal sehen wollen. Das Mädchen war jung und kräftig. Sie würde bestimmt nicht sofort ohnmächtig werden. Cabezan blickte zu Tankret. Der Krieger hob fragend eine Braue.

Ein Räuspern riss Cabezan aus den Gedanken an blutrote Flügel. Balduin war zwischen den Gazeschleiern hervorgetreten. Missbilligung stand ihm in sein altes, faltiges Gesicht geschrieben.

»Was!«, herrschte der König ihn an. »Steht noch eine Stadt in Flammen?«

Der impertinente Alte erdreiste sich zu lächeln. »Noch nicht, aber bald, mein Gebieter.«

»Wir werden also belagert.«

»Nicht wir. Der Piratenfürst aus Zeola. Die Flotte Iskendrias hat sich vor zwölf Tagen eine gewaltige Seeschlacht mit den Fürsten der Aegilischen Inseln geliefert. Mehr als dreihundert Galeeren sollen gesunken oder verbrannt sein. Und nun blockiert die siegreiche iskendrische Flotte Zeola und hat Truppen an Land gesetzt. Die Nachrichten sind vor nicht einmal einer Stunde eingetroffen.«

»Was für eine überaus erfreuliche Schicksalswende! Wenn ich Zeit habe, werde ich heute Nacht zu den alten Göttern und zu Tjured beten. Und ich werde sie bitten, den verfluchten Drusniern die Pest ins Land zu schicken.«

»Mit Verlaub, Majestät, aber das war weit mehr als nur eine erfreuliche Schicksalswende. Es war der Dolch, den Ihr ins Schlafzimmer des Promachos geschickt habt, der die Piratenflotten und die Schiffe Iskendrias künftig von unserer Küste fernhalten wird. Vor einigen Tagen schon ist das Mädchen Elodia nach Marcilla zurückgekehrt und befindet sich nun auf dem Weg zum Möns Gabino. Ich habe nur einen sehr knappen Bericht von ihr erhalten, aber wie es scheint, hat sie Promachos getötet und den Krieg zwischen Iskendria und den aegilischen Fürsten angestiftet. Ihr solltet sie adeln, Herr. Sie hat uns vor einem Krieg bewahrt, den wir nicht hätten gewinnen können.«

»Wie hieß das Mädchen?«

»Elodia, Herr.«

»Ich erinnere mich nicht.«

»Sie hatte einen kleinen Bruder. Er war zu Gast in Eurem Bad, Herr.«

Cabezan überlegte kurz. »Da waren so viele ... Ich erinnere mich nicht. Schreib einen Brief ans Refugium. Sprich ihr meinen tief empfundenen Dank aus. Das übliche Blabla.

Du weißt, wie man so etwas macht. Und dann schick sie nach Drusna. Wir brauchen jemanden, der diesem verfluchten Fürsten Arsi die Kehle durchschneidet. Schick auch noch fünf oder sechs andere Mädchen. Viel hilft viel.«

»Bei allem Respekt, Herr!« Während er das sagte, hatte Balduin einen Gesichtsausdruck, der es an jeglichem Respekt mangeln ließ. »Dieses Mädchen war zwei Jahre lang im Feindesland. Es hat mit seiner Tapferkeit ganz allein einen Krieg von unserem Königreich abgewendet und hat es gegen widrigste Umstände geschafft, zu entfliehen und dafür zu sorgen, dass keinerlei Verbindung zwischen ihr und Fargon gezogen werden wird. Unter all den Fürsten unseres Königreiches kenne ich keinen Einzigen, der je etwas Vergleichbares geleistet hätte. Und schon gar nicht unter den Speichelleckern hier bei Hofe!« Balduin konnte es sich nicht verkneifen, bei seinen letzten Worten zu Tankret zu blicken.

Der König lächelte. Sein bester Berater wurde von Jahr zu Jahr tollkühner. Ob das am Alter lag oder daran, dass er keine Nachkommen und keine lebenden Verwandten hatte? Er war schwer zu erpressen. Er hatte es sogar gewagt, dem Mädchen und dem Jungen, die er ihm vor ein paar Wochen zum Bad geschickt hatte, die Freiheit zu schenken. Unter all den Männern und Frauen bei Hof war Balduin der Einzige, der nicht erpressbar war. Cabezan wusste, dass sein Hofmeister ihn zutiefst verachtete.

Wahrscheinlich blieb er allein deshalb, weil er glaubte, von etlichen Unschuldigen Unheil abwenden zu können, so lange er diese bedeutende Stellung bekleidete.

Cabezan hatte schon verschiedentlich davon gehört, dass Balduin Befehle abänderte oder einfach nicht weiterleitete. Wenn der Alte ansonsten nicht so gute Arbeit geleistet hätte, so hätte er ihm schon längst Tankret geschickt.

»Hochverehrter Balduin, ich bin verblüfft, dass sich ein Mann Eures Alters und tadellosen Rufes so vehement für ein kleine Hure einsetzt. Hat sie Euch auch schon den Schwanz gelutscht?« Der Alte wurde erst bleich, dann lief er rot an. Es war so leicht, ihn mit einer einzigen vulgären Bemerkung aus der Reserve zu locken.

»Wie Ihr schon richtig anmerktet, bin ich zu alt, um mich solch fragwürdigen Genüssen hinzugeben. Wir haben sie hier in dieser Kammer zur Hure des Königreichs gemacht. Ich erinnere mich noch sehr genau an diesen Abend. Und das Versprechen, das wir ihr gegeben haben, wurde nach nicht einmal einem Mond gebrochen.«

Cabezan erinnerte sich genau an die kleine Schlampe. Aber er zog es vor, dass Balduin ihn für vergesslich hielt und dachte, er verliere über die Angelegenheiten des Kö-

nigreichs langsam den Überblick. »War sie nicht schon eine Hure, bevor sie in den Dienst des Königreichs trat?

Üblicherweise wählen wir doch Mädchen mit etwas Erfahrung aus. Davon zu sprechen, dass wir sie hier in dieser Kammer zur Hure gemacht hätten, erscheint mir etwas melodramatisch, mein Guter.«

In Balduins Gesicht arbeitete es. Ehrenhafte Männer waren so leicht zu manipulieren!

»Was ich meinte, mein König, war lediglich, dass uns Elodia einen unermesslich großen Dienst erwiesen hat. Sie war so erfolgreich, weil sie sehr gut auf ihre Aufgabe vorbereitet wurde. Warum sollten wir eine solch wertvolle Waffe im Kampf um die Macht leichtfertig zerbrechen? Sie nach Drusna zu schicken, ohne dass sie sich mit der Sprache und den Gebräuchen des Landes vertraut machen kann, ist ganz so, als würden wir sie dem Henker überantworten. Ganz gleich, ob sie eine Hure ist oder nicht. Unser Königreich schuldet ihr Dank und nicht ein Todesurteil!«

»Unser Königreich?« Er machte eine lange Pause, um den Worten Nachdruck zu verleihen. »Teilen wir uns etwa den Thron, mein lieber Balduin?«

»Ich meinte das nicht so!« Seine Worte überschlugen sich fast. »Das war nur so eine Redensart … Ich würde niemals …«

»Du bist der Einzige, dem ich so etwas durchgehen lasse, alter Freund.« Cabezan deutete auf die Blutspritzer auf den Vorhängen. »Der Mann, der vor dir hier war, hat aus einem sehr viel nichtigeren Grund seinen Kopf verloren.« Er sah, wie sich die Züge seines Hofmeisters verhärteten. Er fürchtete den Tod nicht. Begrüßte er ihn vielleicht sogar? Es machte keinen Spaß, jemanden mit etwas zu bedrohen, wovor er keine Angst hatte. Im Übrigen war Balduin unleugbar nützlich. Seine Worte waren nicht weit von der Wirklichkeit entfernt gewesen. Er, Cabezan, siechte in diesem Palast vor sich hin.

Er war der König. Ein gefürchteter Tyrann. Aber Balduin lenkte die Verwaltung. Er entschied über all die tausend bedeutsamen Kleinigkeiten, die zu langweilig waren, um sich der Aufmerksamkeit eines Königs zu erfreuen. Allerdings war Cabezan nicht so dumm, aus den Augen zu verlieren, dass es gerade diese unbestechliche, zuverlässige Arbeit seines Hofmeisters war, die das Königreich erblühen ließ.