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»Solltet Ihr wirklich glauben, dass ich nach Eurem Thron strebe, dann werde ich mir hier und jetzt den Dolch in die Brust stoßen.«

Cabezan lachte. »Noch so ein melodramatischer Auftritt. Diese Seite an dir kenne ich noch gar nicht.«

»Und Elodia?«

Langsam ärgerte ihn das Betragen des Alten. »Ehrlich gesagt, schätze ich das Leben eines jedes Leibeigenen in meinem Königreich höher als das einer Hure. Und ich bin mir völlig sicher, dass die überwiegende Mehrheit meiner Untertanen ganz genau derselben Meinung ist. Deinen Einsatz für dieses Mädchen finde ich überaus befremdlich. Würde ich dich nicht so gut kennen, würde ich unterstellen, dass du sie dir in dein eigenes Bett holen möchtest. Weil sie dem Königreich gut gedient hat, soll sie zwei Monde auf dem Möns Gabino verbringen. Und dann schickst du sie nach Drusna.

Hoffe nicht darauf, dass ich das vergessen werde. Du darfst nun gehen und mir morgen einen Plan unterbreiten, wie wir die verdammten drusnischen Räuber in ihren Wäldern ausräuchern können!«

Balduin zog sich zurück, und es entging Cabezan nicht, dass der Alte sich nicht verbeugte, bevor er die Kammer verließ.

Das Mädchen kauerte noch immer am Boden und schrubbte. Es war schwer, das Blut aus den schmalen Fugen des Mosaikbodens zu entfernen. Das Auf und Ab ihres Hinterns hätte ihn früher erregt. Sie war nicht hässlich. Etwas zu dürr und flachbrüstig, aber sie hatte ein hübsches Gesicht.

Cabezan versuchte sich Elodias Antlitz ins Gedächtnis zu rufen. Er war sich natürlich bewusst, dass sie Großes geleistet hatte. Er war kein Narr! Und weil er das nicht war, musste das Mädchen verschwinden. Hätte er sie gerecht behandelt, dann hätte sie eine Heldin sein sollen. Zum Glück würde eine Hure sich kaum in der Öffentlichkeit ihrer Taten in den Betten fremder Tyrannen brüsten. Und sollte sie doch so dumm sein, es zu tun, durfte sie kaum auf großen Zuspruch hoffen. Aber sie war eine Heldin.

Und um Helden mochte sich Widerstand bilden. Ohne es zu ahnen, hatte sie ja bereits seinen Hofmeister auf ihre Seite gebracht. Wer würde als Nächster kommen?

Sie musste nach Drusna! Da würde sie sang- und klanglos in den Wäldern verschwinden. Sie würde eine Mission bekommen, die sie in den Tod führte. Vielleicht könnte er ja dafür sorgen, dass Fürst Arsi wusste, wer sie war? Es wäre nicht schwer, einen Boten an Elodia auf einen Weg zu schicken, der ihn sicher zu einer Begegnung mit drusnischen Strauchdieben führte.

Cabezan drehte sich auf seinem Lager auf die Seite, um das Mädchen besser beobachten zu können. Sie hatte etwas Sinnliches. Und er würde sie nicht besitzen können. Auch Tankret sah sie an.

Der Zustand seiner Männlichkeit war Cabezan ein steter Verdruss. Vor ein paar Tagen erst hatte er es mit Rehblut versucht. Die Barbaren weit im Osten behaupteten, es würde selbst tote Glieder wieder erstarken lassen. Seines nicht!

Wenn er das Mädchen nicht haben konnte, dann sollte es auch kein anderer besitzen!

»Hast du schon einmal einen Adler gesehen, Mädchen. Von nahem?«

Die Kleine stutzte. Sie wagte es nicht aufzublicken. »Nein, mein König«, sagte sie mit vor Angst heiserer Stimme.

»Ich auch noch nicht«, log er. »Würdest du mir helfen, die Schwingen eines Adlers betrachten zu können, wenn du die Macht dazu hättest?«

»Ganz gewiss, Herr. Aber ich weiß nicht, was ich tun könnte ... «

»Mach dir keine Sorgen, Mädchen. Tankret wird dir helfen, mir diesen kleinen Wunsch zu erfüllen.«

Raoul

Er hatte keine Schwierigkeiten, sich zurechtzufinden. Nantour hatte sich in den sieben Jahren, die er fort gewesen war, kaum verändert. Allerdings kam ihm die Stadt jetzt kleiner vor. Die großen Lagerhäuser am Fluss ragten für ihn nicht mehr bis in den Himmel. Der neue Tempelturm mit seinen Fenstern aus buntem Glas beeindruckte ihn nicht mehr, nachdem er die Wunder des Steinernen Walds gesehen hatte.

Hoch zu Ross, war er flankiert von einer Schar Kinder, die zwar ein wenig Abstand hielten, aber sich nicht entgehen lassen wollten mitzuerleben, was dieser seltsame Mann mit dem silbernen Gesicht wohl in der Stadt tun würde. Adrien hatte sich inzwischen daran gewöhnt. In seinem Aufzug war es unmöglich, unbemerkt zu reisen.

Und es waren stets die Kinder, die ihm als Erste folgten, wohingegen Erwachsene trotz seiner weißen Rüstung Gefahr wähnten, wenn man allzu aufdringlich wurde. Doch zumindest ihre Blicke folgten ihm, und er ahnte, dass das Gesehene Gesprächsstoff für die nächsten Tage und Wochen liefern würde.

Er zog es vor, auf einsamen Landstraßen zu reiten, wo er ungestört mit seinem wundersamen Pferd reden konnte. Begafft zu werden, empfand er als anstrengend, obwohl ihm klar war, dass es seine Aufgabe als künftiger Ordensgründer war, möglichst viel Aufmerksamkeit zu erregen. Aber noch waren ihm die Blicke eine Bürde. Er konnte sie nicht genießen. Würde sich das ändern?

Er war auf dem Heumarkt gewesen, um nach seinem Mädchen ...

Nach deinem Schwärm! Von seinem Mädchen sollte man wenigstens den Namen kennen. Sie ist nur dein Schwärm, du Traumtänzer!

Adrien war froh, dass er eine Maske trug und niemand sehen konnte, wie er die Fassung verlor. Dieser Gaul konnte nicht nur reden, er konnte ihm auch in die Gedanken blicken! Am liebsten hätte er ihm geantwortet. Aber vor all den Kindern konnte er sich schlecht mit seinem Pferd streiten. Es genügte, eine Antwort zu denken. Aber das war nicht annähernd so befriedigend, wie auszusprechen, was er diesem Gaul sagen wollte.

Lass mich in Ruhe, du Besserwisser! Kennst du die Namen aller Stuten, denen du begegnet bist?

Schweigen. Über sich selbst redete sein ach so gesprächiges Pferd eher selten. Adrien zügelte es ein wenig härter, als notwendig gewesen wäre, und saß ab. Er trat in eine Pfütze, die nach Verwesung stank und auf der Schlieren von Blut trieben. Auch das hatte sich nicht geändert. Der Fleischhauer schüttete das wenige, was bei seiner Arbeit an Abfällen anfiel, direkt vor seine Tür.

Ein alter Hund wich ihm mürrisch knurrend aus. Die Kinder blieben in ein paar Schritt Abstand stehen. Er hörte sie flüstern. Ein Witzbold war davon überzeugt, er würde jetzt den Schlachter schlachten.

Der Schmutz perlte von seinen weißen Stiefeln ab. Er stieß die Tür des alten, grauen Steinhauses, ohne zu klopfen, auf. Der Fleischhauer stand hinter einem von tiefen Furchen zernarbten Tisch. Eine grauhaarige Frau schob gerade einige Würste in ihren Korb. Bei seinem Anblick fiel ihr die letzte Wurst aus der Hand.

Adrien hob sie auf und reichte sie ihr mit galanter Geste. »Werte Dame, würdet Ihr mich mit dem Herrn al ein lassen? Ich habe einige private Dinge mit ihm zu besprechen.«

Eine der Würste, für die er zum Dieb geworden war und für die das Blumenmädchen sich verkauft hatte, nach all den Jahren nun wieder in der Hand zu halten, berührte ihn tiefer, als er erwartet hätte.

»Ich danke Euch, hoher Herr.« Die Frau verbeugte sich, was ihr sichtlich Mühe machte.

Er nahm sie bei der Hand. »Ich bin keineswegs von höherem Stand als Ihr, meine Dame.« Sie schenkte ihm ein zahnloses Lächeln und ließ sich ohne Widerstand zur Tür geleiten.

Als er sich umdrehte, lag ein schweres Fleischermesser auf dem Tisch. Er hätte schwören mögen, dass es eben nicht da gewesen war. Aber immerhin hielt der Fleischhauer es nicht in der Hand.

»Womit kann ich Euch dienen, Herr?« Er war angespannt. Sein Gesicht hatte eine ungesunde, käsig weiße Farbe. Tiefe Ringe hatten sich unter seine Augen gegraben.

Offensichtlich rasierte er sich nur unregelmäßig. Seine Wangen waren mit grauen Stoppeln bedeckt. Sein Haar war schütter, und sein Versuch, die ausufernde Glatze zu bekämpfen, indem er Haare über die kahlen Stellen legte, betonte sie nur noch mehr, statt sie zu verstecken. Er hatte eine Lederschürze umgebunden, die sich straff über seinen Spitzbauch spannte. Dunkles, fast schwarzes Blut hatte sich seit Jahren ins Leder gezogen. Die Arme des Fleischhauers waren nackt. Knotige Muskeln verrieten seine Kraft. Hände und Finger waren mit weißen Narben bedeckt, Spuren unachtsamer Augenblicke in einem Geschäft mit scharfen Messern. Der Mann wirkte schmuddelig und verhärmt. »Herr?«