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Adrien war ganz in der Betrachtung des Fleischhauers versunken gewesen. Er räusperte sich. »Ich suche ein Mädchen«, klang seine Stimme dumpf durch den Helm.

»Ich habe keine Tochter und kenne keine Mädchen.« »Das Blumenmädchen vom Heumarkt?«

Die Augen des alten Metzgers weiteten sich. »Was ist mit der?« »Wo finde ich sie?«

Der Alte wischte sich die Hände an der Schürze ab, obwohl sie nicht schmutzig waren.

»Ja, die. Die ist früher manchmal gekommen. Ein hübsches Ding.«

Adrien musste an sich halten. »Wo steckt sie?«

»Die Stadtwachen haben sie geholt. Sie war irgendwie auch im Geschäft mit Würsten.«

Er grinste anzüglich. »Hat ihr mehr gebracht als ihre Blümchen, denke ich.«

»Sie war auch bei dir, nicht wahr?«

Der Fleischhauer kniff die Augen zusammen. »Na und? Daran war nichts Verbotenes.

Ich hab immer ordentlich gezahlt. Mit ... «

Adrien gebot ihm mit einer harschen Geste zu schweigen. Wenn er sich das Blumenmädchen und den Alten vorstellte, wurde ihm übel. »Was ist bei der Stadtwache mit ihr geschehen? Wohin hat man sie gebracht?«

»Keine Ahnung. Sie war einfach fort. Von einem Tag auf den anderen. In den Kerker ist sie nicht gegangen. Davon hätte ich gehört. Normalerweise hätte man sie in ein Badehaus gesteckt. Aber auch das ist nicht geschehen. Zumindest ist Elodia nicht in Nantour.«

»Elodia? Ist das ihr Name?«

»Ihr sucht dieses Mädchen und kennt nicht einmal ihren Namen?«

»Elodia«, sagte er noch einmal leise, um den Klang ihres Namens zu kosten. Sollte das alles sein, was von ihr geblieben war?, dachte er verzweifelt. Adrien atmete schwer aus. So viele Stunden hatte er mit der Erinnerung an sie verbracht. Manches Mal hatte er sich schlimme Dinge vorgestellt. Hatte sich ausgemalt, was ihr alles zustoßen könnte. Aber dass sie einfach verschwinden würde ... Er griff nach seiner Geldkatze und holte ein kleines, verbogenes Stück Gold hervor, Beute seiner endlosen Grabungen. Er hatte einige Beutel voll davon mitgenommen. Natürlich hätte er auf Jules hören und allein auf Tjured vertrauen können, aber Adrien hatte das Gefühl, dass Gott lieber Ritter hätte, die in der Lage waren, sich selbst zu helfen, und für so alltägliche Dinge wie einen vollen Bauch nicht auf seine Hilfe angewiesen waren.

Er legte das Goldstück vor dem Alten auf die zerfurchte Tischplatte. Der nahm es auf.

Betrachtete es misstrauisch von allen Seiten und nahm es sogar einmal kurz in den Mund. »Ist das …?«

»Ja, das ist Gold.«

»Ich weiß wirklich nicht, wo sie ist, Herr. Ich habe Euch alles gesagt. Das müsst Ihr mir glauben.«

»Das Gold ist für ihren Namen. Und für einen Jungen, der vor sieben Jahren die Dachschindeln deiner Räucherkammer beiseitegeschoben hat, um zwei Würste zu stehlen. Betrachte es als späte Entschädigung.«

Der Fleischhauer runzelte die Stirn. Es war unübersehbar, dass er befürchtete, einen Verrückten vor sich zu haben. Einen Bewaffneten mit einer Börse voller Gold. Er setzte ein falsches Lächeln auf. »Kennt Ihr den Jungen, Herr?«

»Den Jungen gibt es nicht mehr. Aber die alte Schuld hat fortbestanden. Hiermit ist sie getilgt.«

»Das ist zu viel, Herr, ich will Euch nicht bestehlen. Den Namen hätte ich Euch auch so genannt. Dafür müsst Ihr mir nichts geben.« Er senkte den Blick. »Ich hab sie auch gemocht. Sie war ... Sie war ein gutes Mädchen.«

Das war das Letzte, was er aus dem Mund des alten Hurenbocks hören wollte! Er versuchte nicht daran zu denken, was der Fleischhauer sich unter einem guten Mädchen vorstellte. Mit kühler Höflichkeit sagte er. »Es ist in der Tat viel Gold für zwei Würste. Wenn du vor den Augen Tjureds Buße für deine Sünden tun willst, dann wirst du heute Abend einen großen Korb mit Würsten packen und sie unter den Bettlern der Stadt verschenken. Und sag jedem, dass dies eine Gabe der Ritter des Ordens vom Aschenbaums sei. Des Ritterordens der Tjuredkirche.«

Der Alte sah ihn verwirrt an. »Ihr seid ein Ritter Gottes?«

»Ich diene Tjured und seiner Kirche und verteidige sie, wo sie angegriffen werden.«

Adrien deutete eine knappe Verbeugung an. »Ich hoffe, du wirst dein Versprechen halten und den Bettlern helfen. Ich werde von dir hören.« Mit diesen Worten verließ er den schäbigen Laden.

Würste für Bettler, wahrhaft eine glorreiche erste Tat für den ruhmreichen Orden vom Aschenbaum. Ist dir nichts Besseres eingefal en?

»Ich übe noch«, sagte er leise. Auf der Straße hatten sich außer den Kindern und ein paar erwachsenen Gaffern nun ein halbes Dutzend Stadtwachen eingefunden. Die Krieger hielten respektvollen Abstand. Sie wirkten angespannt.

Ein Mann mit Schwert und Langdolch am Gürtel trat zwischen ihnen hervor. Er trug einen leicht rostigen Schuppenpanzer über einer abgetragenen Tunika. Ein weißer Schal mit Rostflecken war um seinen Hals geschlungen. Lange, graue Locken fielen ihm auf die Schultern. Er war glattrasiert. Das Gesicht war wettergegerbt und müde.

»Einen Mann wie dich habe ich noch nie gesehen. Wer bist du?«

Adrien stellte sich höflich als Michel Sarti vor.

Der Krieger legte den Kopf schief und musterte ihn eindringlich. »Ich kannte einmal einen Michel Sarti. Das ist lange her. Er hat wenig Ähnlichkeit mit dir.«

»Dann könnte er mein Vater gewesen sein.« Durch den Helm klang seine Stimme stets ein wenig bedrohlich. Adrien sah, wie sich der Krieger anspannte. Einige der Stadtwachen senkten ihre Speere. »Wer bist du?«

»Raoul Deleau, Befehlshaber der Stadtwache von Nantour.«

»Dann bist du der Mann, den ich suche. Ich muss etwas über ein Mädchen wissen, das du vor sieben Jahren verschleppt hast.«

»Ich verschleppe keine Mädchen!«, entgegnete Raoul kühl. »Und du nimmst jetzt deinen Helm ab, denn ich möchte sehen, wer es wagt, mich hier auf offener Straße inmitten meiner Stadt zu beleidigen.«

Mit denen wirst du leicht fertig. Ich übernehme ein paar von ihnen.

Adrien war überrascht, sein Schlachtross so streitlustig zu erleben. Ein Kampf mit der Stadtwache wäre schlecht für den Ruf des Ordens vom Aschenbaum. Er musste sich hier mit Autorität und nicht mit der Klinge in der Hand Respekt verschaffen.

Unsinn! Die wollen dich langmachen.

Adrien öffnete den Verschluss am Hals, nahm den Helm ab und klemmte ihn unter den Arm. Er konnte sehen, wie sich der Befehlshaber der Stadtwache ein wenig entspannte. Es war wichtig für dessen Ansehen gewesen, dass er dem Befehl des alten Kriegers nachkam.

»Ich bin erst seit etwas mehr als einem halben Jahr in Nantour, und ich versichere dir, ich habe in meinem ganzen Leben noch kein Mädchen verschleppt.«

»Dann möchte ich das Archiv der Stadt einsehen. Dort wird es ... «

Der Krieger schüttelte den Kopf. »Stadthalle und Archiv sind beim großen Brand im letzten Sommer vernichtet worden. Es tut mir leid.«

Adrien schloss kurz die Augen. War denn jegliche Spur des Blumenmädchens getilgt?

»Wo finde ich den Mann, der vor dir die Stadtwache befehligt hat?«

»Ich bringe dich gerne zu ihm. Er ist draußen vor den Toren der Stadt.« Er winkte den Stadtgardisten zu. »Geht eurer Wege! Ich brauche keine Eskorte. Michel Sarti ist ein Mann der Kirche. Ein Mann von Ehre!«

Adrien fühlte sich geschmeichelt.

Ja, Esel lieben Ohrenbläser!

Er fragte sich, ob auch andere Ritter mit solchen Pferden geschlagen waren oder ob Tjured allein ihm diese Prüfung vorbehalten hatte.

Raoul machte einen Umweg mit ihm. Er führte ihn durch die Seilergasse zum großen Markt, dessen Westseite von Gerüsten beherrscht wurde. Die Baustelle lag dort, wo früher einmal die Stadthalle gestanden hatte.