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Nasses Hanf und Leinen von Tauwerk und Segeltüchern der vielen Frachtkähne, die das Eis gefangen hielt. Den beißenden Rauch der Torffeuer in den Häusern. Tausend Geschichten vom Leben in der Stadt erzählten ihm all die Gerüche.

Der Troll über ihm hob seine Keule.

»Noch gehört dir mein Herz nicht«, stieß Falrach schwach hervor. Er presste die Handflächen auf das nasse Pflaster und stemmte sich hoch. Mühsam kam er auf die Beine. Ihm war schwindelig.

Der Troll ließ seine Waffe nicht sinken. Unschlüssig blickte er zu Dalmag.

»Lass ihn. Wenn er laufen kann, soll er die Schmiede sehen.«

Falrach war kurz versucht, sich auf den Troll zu stützen. Aber sein Stolz verbot ihm diese Geste der Schwäche. Seine Wache ließ ihn nicht aus den Augen. Ahnte der Troll, was er gerade gedacht hatte? Der Elf streckte den Rücken durch. Stechender Schmerz war sein Lohn.

»Los!« Dalmag eilte zur Spitze des Zuges.

Eine Schar Kobolde umringte Falrach. Sie fuchtelten mit ihren Spießen unter seiner Nase herum. »Komm, Elflein. Fall um, und wir kitzeln dich ein wenig.«

»Lasst ihn!« Der Troll schob sie mit der Keule zur Seite.

Mit geflüsterten Verwünschungen wichen sie aus. Einer versuchte, Falrach mit seinem Speer in den Schenkel zu stechen. Wie ein Falke stieß die Hand des Elfen nieder.

Schmerz und Erschöpfung waren verflogen. Er packte den Schaft der Waffe und drehte sie dem Kobold mit einem Ruck aus der Hand.

»Fang nicht schon wieder an«, drohte der Troll.

Falrach senkte die Speerspitze zum Boden hin und stützte sich auf die Waffe. »Nur eine Krücke«, sagte er beschwichtigend.

Sein Wächter grunzte etwas, machte aber keinen Versuch, ihm die Waffe abzunehmen.

Sie marschierten den Kanal entlang, bis sie vor sich die niedergebrannte Schmiede sahen. Die blasse Wintersonne stand tief am Himmel. Im Westen waren dunkle Wolken aufgezogen. Es roch nach Schnee.

Immer wieder blickte Falrach zum Kanal hinab. Er und Emerelle könnten auf dem dünnen Eis laufen. Die geschickteren unter den Kobolden wohl auch. Aber einen Troll würde das Eis nicht tragen. Wenn sie flohen, dann sollten sie es über den Kanal tun.

Dort würde die Übermacht ihrer Feinde keine Bedrohung sein. Die Aussichten, auf diesem Weg zu entkommen, waren nicht schlecht. War das auch Emerelle bewusst?

Hatte sie sich deshalb so bereitwillig in das Urteil gefügt? Hatte sie längst geplant, auf welchem Weg sie beide in die Freiheit entkommen konnten? Er sollte ihr vertrauen!

Entlang der Ufer des Kanals sammelten sich mehr und mehr Kobolde. Boten mussten die Nachricht vom Urteil in die Stadt getragen haben. Betroffen sah Falrach, wie viele von ihnen verstümmelt waren.

Nur wenige Kobolde schwatzten miteinander. Die meisten standen einfach still da. Es war schwer, die Gedanken an ihren Gesichtern abzulesen. Sie wirkten verschlossen.

Verbittert!

Sie wurden zwischen verkohlten Balken hindurchgeführt. Shandrals Schmiede lag mitten auf einer Brücke. Der Großteil der Wände war eingestürzt. Die Zuschauer an den Ufern konnten ohne Mühe verfolgen, was vor sich ging.

Zwei Trolle trugen zwischen langen Stangen einen eisernen Korb mit glühenden Kohlen zur Schmiede. Ein Schwert steckte darin. Falrach stockte der Atem. Er erkannte den Griff. Die geschwungene bronzene Parierstange. Den fast dreieckigen Knauf. Es war sein Schwert.

Der Elf sah zum anderen Ufer. Noch immer wuchs die Menge der Kobolde weiter an.

Eine stumme, dunkle Flut. Ein Meer von Blicken. Obwohl er nichts Unrechtes getan hatte, fühlte Falrach sich schuldig. Die letzten Gespräche unter den Kobolden waren verstummt. Vereinzelte Schneeflocken trieben im Abendrot, das lange Schatten auf den Kanal warf. Das leise Knirschen des Eises war das einzige Geräusch. Dann war das Schlagen von Hämmern zu hören. Ein scharfes Kommando.

Wieder fuhren Hämmer nieder. Noch ein drittes Mal. Dann erklang ein Geräusch wie ein heiseres Seufzen. Es folgten hastige Rufe. Eis splitterte.

Darauf schien Dalmag nur gewartet zu haben. Er winkte einem Troll zu, der im Nordteil der Schmiede stand. Dort hatte das Feuer nicht alles vernichtet. Der Krieger drückte einen schweren, vom Feuer geschwärzten Hebel nieder. Etwas rumpelte unter der Brücke. Plötzlich erklang das Geräusch fallenden Wassers.

Hölzernes Räderwerk setzte sich in Bewegung. Eine schwere Kette rasselte.

Zwei Trolle packten Emerelle und führten sie zu einer Reihe von drei großen Ambossen. Über dem mittleren erhob sich ein Hammerkopf, größer als ein Pferdeschädel.

Die Trolle zwangen Emerelle niederzuknien.

»Leg deine rechte Hand auf den Amboss!«, befahl Dalmag.

Die Elfenkönigin wirkte völlig ruhig. Sie sah kurz zum Anführer der Kobolde. Dann blickte sie zum Ufer. Inzwischen waren dort Hunderte versammelt. Selbst auf den Dächern hockten sie, um dem Schauspiel beizuwohnen.

»Ist es das, was ihr wollt? Soll ein Unrecht mit Unrecht vergolten sein? Muss erneut Blut fließen, damit euer Rachdurst gestillt ist?«

Einzelne Schneeflocken funkelten wie ein Diadem im Haar der gefallenen Königin.

Falrach packte den Spieß, den er den Kobolden entrissen hatte, fester. Er würde nicht zusehen, wie sie Emerelle demütigten.

Starke Hände legten sich auf seine Schultern.

Der Elf bäumte sich auf, aber es war unmöglich, dem eisernen Griff zu entkommen.

Einen Augenblick nur hatte er über das, was sich dort abspielte, alles andere vergessen. Nur einen Herzschlag lang war er unachtsam gewesen!

»Löst den Hammer!«, befahl Dalmag.

Ein erneutes Krachen lief durch das Räderwerk. Eichenholzzapfen griffen ineinander.

Der riesige Hammerkopf hob sich dem Abendhimmel entgegen.

Wie gebannt starrte Falrach auf die zierliche Hand, die auf dem schwarzen Amboss lag. Die Finger waren gespreizt.

Der Hammer sauste nieder.

Schwer dröhnte der Hammerschlag über den Kanal.

Falrach hatte die Augen zusammengekniffen. Als er sie wieder öffnete, hob sich der Hammerkopf erneut dem Himmel entgegen. Ein einzelner Bluttropfen löste sich von dem schwarzen Metall und fiel hinab. Er streifte Emerelles Wange und hinterließ eine dünne rote Linie auf der marmorbleichen Haut. Sie sah zum Himmel auf. Ihre Augen waren weit aufgerissen. Kein Schmerzenslaut kam über ihre Lippen.

»Du musst ihr die Hand abtrennen«, sagte Dalmag. Sein Tonfall war sachlich, doch ein hämischer Unterton begleitete sie. »Ihre Hand wird nie mehr heilen. Wenn man sie nicht sauber abschneidet, wird die Wunde brandig. Dann ist sie in einer Woche tot.«

Falrach zwang sich, auf den Amboss zu blicken. Der Kobold hatte Recht. Keine Magie Albenmarks könnte das heilen. Er rang nach Luft.

»Wenn du es nicht tust, dann wird es niemand tun. Wir können auch einfach einen Lappen darum wickeln. Übrigens, dies ist der Ort, an dem du morgen sterben wirst.

Sieh dir ihre Hand gut an. Das machen wir mit deinen Armen und Beinen.« Dalmag gab dem Troll einen Wink, der Falrach gepackt hielt. »Lass ihn los. Hast du schon einmal eine brandige Wunde gerochen? Sonst stinkt ihr Elfen ja nie. Glaubst du, auch Wundbrand wird bei euch von Wohlgerüchen begleitet?«

Der Troll setzte ihn tatsächlich ab. Falrach atmete tief durch. Er hielt den Blick fest auf das Schwert gerichtet. Feine Schneeflocken streichelten über sein Gesicht. Die Sonne war hinter den steilen Dächern der Stadt verschwunden. Die Glut der Kohlen tauchte die ausgebrannte Schmiede in unstetes, rotes Licht, das geisterhafte Schatten zwischen dem Gerippe verkohlter Dachbalken tanzen ließ.

»Denk nicht einmal daran«, sagte Dalmag hinter ihm. »Ich habe einige Armbrustschützen in der Ruine. Deine Vorführung in der Halle war sehr eindrucksvoll. Glaubst du, du wirst das auch schaffen, wenn sieben Schützen gleichzeitig auf dich schießen?«