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Sie hörte dumpfen Hufschlag. Elodia begann zu stöhnen. Nur Augenblicke später erschien er. Ein Reiter ganz in Weiß, auf einem Schimmel. Das Gesicht verborgen hinter einem silbernen Maskenhelm. Er wirkte unheimlich.

»Was ist geschehen, meine Dame?« Er schwang sich aus dem Sattel. Er hatte sich nicht einmal umgesehen. Völlig arglos war er.

»Ein Dachs ... Er kam plötzlich aus dem Dickicht. Mein Pferd hat mich abgeworfen und ist durchgegangen.« Sie versuchte aufzustehen und ließ sich mit einem Stöhnen zurücksinken. »Mein Fuß ... «

Er wirkte unschlüssig, soweit man das bei einem Mann mit einer Maske aus gehämmertem Silber beurteilen konnte.

»Könntet Ihr mir aufhelfen? Vielleicht, wenn ich erst einmal stehe ... « Sie legte die Hand an den Mund. »Jetzt erkenne ich Euch. Ihr müsst der berühmte Tjuredritter sein!

Gott sei gepriesen! Einen besseren Retter hätte ich mir nicht erträumen können.«

Er räusperte sich verlegen. »Ich bin nur ein Mann, der versucht, nach den Geboten Tjureds zu leben.« Er beugte sich zu ihr hinab und streckte ihr die Arme entgegen. »Wenn Ihr gestattet, meine Dame.«

Er war rührend! Die meisten Männer, denen Elodia bisher begegnet war, hätte sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, sie auf den Arm zu nehmen, und dabei mehr oder weniger diskret zu betatschen. Aber er wartete auf ihre Zustimmung, sie zu berühren.

»Bitte, edler Ritter.« Sie streckte ihm die Hände entgegen. »Ich fürchte, ohne Eure Hilfe kann ich mich nicht erheben.«

Er nahm ihre Hände. Unglaublich! Er wagte sie nicht anderswo zu berühren. Oder fand er sie abstoßend? Vor einigen Wochen hatte sie an ihren Schläfen die ersten grauen Haare entdeckt. Sie hatte Narben. An den Armen und auf dem Rücken. Die Zeit in Drusna hatte sie für immer gezeichnet.

Sehr behutsam, mit ruhiger Kraft zog er sie hoch. Sie spielte ihm vor, wie sie versuchte, den verletzten Fuß zu belasten. Mit einem leisen Schmerzenslaut ließ sie sich gegen seinen Arm sinken. Sie war froh, dass sie einen langen Reitrock und unter ihrer Weste ein hochgeschlossenes Mieder trug. Ihre Reize zu deutlich zur Schau zu stellen, wäre die falsche Strategie gewesen.

Er räusperte sich wieder. Elodia stellte sich vor, wie er hinter seiner Maske rot wurde.

Wie er wohl aussah? Warum verbarg er sein Gesicht? War er hässlich? In den Geschichten, die sie über ihn gehört hatte, hieß es, er sei ein stattlicher junger Mann. Eine ungewöhnliche Rüstung trug er. All das weiße Leder. So etwas hatte sie noch nie gesehen.

»Mir scheint, Ihr solltet besser nicht Euren verletzten Knöchel belasten, meine Dame.«

»Ja.« Sie stöhnte leise. »Er schmerzt sehr.«

»Wenn Ihr mir gestattet, Euch bei den Hüften zu fassen, würde ich Euch in den Sattel meines Pferdes heben. Dann könnten wir uns auch auf die Suche nach Eurem Pferd begeben.«

Sie senkte den Blick und tat verlegen. »Das ist zu großzügig von Euch.«

»Nein, es wäre mir eine Freude! Ich meine, Euch zu helfen ... Ich möchte nicht Euer Ungemach missbrauchen, um Euch unsittlich zu berühren. Ich hoffe, Ihr denkt jetzt nicht schlecht von mir ... Ich ... Ich bin nicht sehr erfahren im Umgang mit Damen.«

Sie unsittlich berühren, dachte Elodia und lächelte in sich hinein. So hatte noch nie ein Mann zu ihr gesprochen! »Es ist mir nicht in den Sinn gekommen, dass Ihr versuchen könntet, meine Lage auszunutzen. Im Gegenteil! Ihr seid der ritterlichste Kavalier, der mir je begegnet ist.«

Wieder sein Räuspern. Einen Augenblick stand er verlegen da. Dann nahm sie seine Hände und legte sie auf ihre Hüften. »Wird es so gehen?«

»Ahm ... gewiss.«

Er hob sie ohne Mühe. Sie setzte sich in den Damensitz, obwohl sie diese Art des Reitens nicht mochte.

Er griff nach dem Zügel und führte seinen Schimmel. Kein Versuch, sich hinter ihr in den Sattel zu drängen. Wieder plagte sie ein Anflug von Zweifeln. Fand er sie nicht hübsch?

Eine ganze Weile schwiegen sie beide. Er drehte sich nicht einmal um. Sie hatte reichlich Zeit, ihn zu betrachten. Er war gut gebaut. Trotz der Rüstung konnte man sehen, dass er sehr muskulös sein musste. Und er hatte eine schmale Taille. Sie mochte das bei Männern. Bäuche, die über Gürtel quollen, verabscheute sie. Die meisten Männer, denen sie sich hingegeben hatte, hatten so ausgesehen.

»Es war eine Gnade Gottes, die Euch zu mir geführt hat«, sagte sie endlich, um wieder ein Gespräch in Gang zu bringen.

»In der Tat, es war eine glückliche Fügung.« Ein Räuspern.

Sie wartete darauf, ob noch etwas käme. Wieder erstarb ihr Gespräch.

Bald entdeckte er ihr Pferd. Leise auf die Stute einredend, schaffte er es, nach ihrem Zügel zu greifen und sie einzufangen. Bei Pferden schien er nicht um Worte verlegen zu sein, dachte sie ein wenig ärgerlich. Er hatte sie bisher nicht einmal nach ihrem Namen gefragt!

Er saß auf ihrer Stute auf und ritt nun neben ihr her. »Man hat mir gesagt, dass es auf diesem Weg ein Wirtshaus geben soll«, sagte er schließlich nach einer Ewigkeit.

»Es wäre schön, bald rasten zu können und meinen verletzten Knöchel zu kühlen.«

»Wir können sofort rasten, wenn Ihr erschöpft seid.«

»Nein, nein. Es geht noch. Allerdings könntet Ihr mir eine Freude machen. Ich hätte eine Bitte. Verzeiht mir, wenn ich wage, sie vorzutragen und sie Euch vielleicht lä-

cherlich erscheinen mag. Ich bin nur ein törichtes Weib ... Aber Ihr würdet mir eine große Freude bereiten, wenn Ihr den Helm abnehmen könntet. Es heißt, Ihr seid so schön wie die Heiligen auf den Glasfenstern der Tempeltürme.«

Wieder räusperte er sich. Steckten ihm denn die Worte im Hals fest? »Ich glaube, ich werde eine Enttäuschung sein«, brachte er schließlich hervor. Aber er griff nach dem Helm. Er klappte die Maske weg, nahm ihn ab und klemmte ihn sich unter den linken Arm. Sein Haar war ein wenig zerzaust. Das Gesicht war ebenmäßig. Besonders sein edel geschnittener Mund zog ihre Blicke an. Kein Wunder, dass er als Kirchenritter nie seinen Helm abnahm. Jeder normalen Frau mussten unsittliche Gedanken kommen, wenn sie so einen Mann zu Gesicht bekam.

Er errötete leicht, als sie ihn immer weiter anstarrte. »Ihr seid wirklich so schön, wie man sich erzählt. Sicher seid Ihr mit einem Edelfräulein verlobt.«

»Ahm ... nein.«

»Ein so schöner Mann ist allein?«

»Da ... da vorne. Das muss das Wirtshaus sein. Ich werde vorausreiten und den Wirt bitten, kühlen Essig und eine Bandage für Euren Knöchel bereitzustellen.« Mit diesen Worten preschte er voraus.

Elodia fluchte stumm. Sie hätte zu gerne gewusst, wie es um ihn und die Frauen stand.

Als sie das Wirtshaus erreichte, erwartete sie eine Magd, die ihr beim Absteigen half.

Elodia sah ihren Ritter beim Stall. Er vermied es, in ihre Richtung zu sehen.

Sie spielte weiter ihre Rolle. Auf die Magd gestützt, humpelte sie in das Wirtshaus.

Dort bestellte sie ein Brathuhn, frisches Brot, ein wenig Käse und einen Krug mit Wein.

Es dauerte lange, bis er kam. Das Essen stand schon auf dem Tisch. Außer ihnen und dem Wirt mit seiner Magd waren nur zwei weitere Reisende im Schankraum. Alle blickten verstohlen in seine Richtung. Jeder in Drusna hatte schon Geschichten über den weißen Ritter gehört.

»Bitte, mein Retter!« Sie deutete auf den Platz neben sich auf der Bank.

Wieder errötete er.

»Bitte! Das Huhn, das für uns sein Leben gegeben hat, hat verdient, dass wir es warm verspeisen.«

Jetzt lächelte er zum ersten Mal. Er sah einfach hinreißend aus. Warum hatte er sich nur gegen den König verschwören müssen! Verdammter Narr! Sie sollte es schnell hinter sich bringen.

»Ihr trinkt doch sicherlich ein wenig Wein.« Sie schenkte ihm ein. Sein Becher war schon vorbereitet. Sie hatte einen Fingerbreit Gift hineingeschüttet. Es war klar wie Wasser, roch ein wenig nussig, und Schwester Anais hatte behauptet, es sei ohne Geschmack. Elodia mochte das nicht ganz glauben. Wer kostete schon freiwillig von einem Gift, um dessen Geschmack zu ergründen? Auf jeden Fall würde der starke Rotwein den Geschmack überdecken, wenn es denn einen gab.