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Jules schrie auf vor Wut und Verzweiflung.

Etwas krachte zu Boden.

Er fuhr herum. Das Weib stand mitten im Zimmer. Sie hatte die Wasserschale fallen lassen. In Scherben lag sie auf dem gestampften Lehmboden.

»Eine großartige Hilfe.«

»Warum habt Ihr geschrien? Was ist? Bitte, sagt es mir!«

»Es geht ihm schlecht. Jetzt geh hinaus und hol Wasser!«

»Könnt Ihr ihm helfen?«

»Vielleicht, wenn ich Wasser habe, um seine Wunden zu säubern.«

Endlich eilte sie davon. Jules strich über den Kopf des Jungen. Er hätte ihn nicht verlassen dürfen. »Elo... Elodia.«

Jules seufzte. Selbst jetzt, wo es ans Sterben ging, hatte der Junge nichts als sein Blumenmädchen im Kopf.

Das Weib kehrte zurück. Sie hatte einen ganzen Eimer voller Wasser geholt. Sie kam ihm bekannt vor. Er sah sie scharf an. Er vergaß nie ein Gesicht. Sie hatte früher anders ausgesehen. Mädchenhafter. Jetzt hatte sie einen harten Zug um die Mundwinkel.

Aber es konnte keinen Zweifel geben. Adrien hatte zuletzt doch noch sein Blumenmädchen gefunden!

»Lass mich allein mit ihm!«

»Das geht nicht!«, sagte sie entschieden. »Ich habe ihm versprochen, bei ihm zu sein, wenn es … Wenn er …« »Wenn er stirbt?« Sie nickte.

»Du bist Elodia, nicht wahr?« Sie nickte erneut.

»Hör mir gut zu, Elodia. Ich brauche jetzt niemanden, der mir im Weg steht, der mir über die Schulter gafft und dumme Fragen stellt. Ich werde all meine Kraft aufbieten müssen, wenn ich um sein Leben kämpfe! Wenn ich diesen Kampf verliere ... wenn es ans Sterben geht, dann werde ich dich rufen. Dann gehört er dir. Bis dahin lass mich mit ihm allein!«

»Aber ... «

»Ich werde dich rufen. Wenn du ihn sterben sehen möchtest, bitte dann bleib hier. Ich verrichte mein Werk am besten allein. Wenn du ihm helfen willst, dann vergeude nicht länger meine Zeit und warte draußen.«

Ihre Lippen zitterten, als würde sie jeden Augenblick in Tränen ausbrechen. Sie beugte sich hastig vor und hauchte Adrien einen Kuss auf sein Haar. Dann ging sie endlich.

»Elo...«, stöhnte der Junge.

Jules wurde klar, dass Adrien ihn nicht mehr erkennen würde. Nur ein Wunder könnte den Jungen noch retten. Es war verrückt mit den Menschenkindern. Da vergeudete er seinen letzten Atem, um den Namen eines Mädchens zu flüstern, das er kaum gekannt hatte.

Er griff nach der Hand des Jungen und drückte sie sanft. Dann sprach er mit der Stimme Elodias. »Ich bin bei dir. Hab keine Angst. Alles wird wieder gut.«

Jules schluckte. Es war lange her, dass ihm eine Lüge so schwer über die Lippen gegangen war.

Adrien tat einen tiefen Seufzer. Er hatte mit aller Kraft darum gekämpft, noch einmal ihre Stimme zu hören.

Die letzte Stimme

»Orgrim, Herzog der Nachtzinne. Deine Stimme!« Diesmal war es Falrach, der die Fürsten zur Wahl aufrief.

Emerelle war unruhig. Ihre Zukunft lag in den Händen eines Trolls, und sie konnte nichts dagegen tun. Nachdem sie Gilmarak gerettet hatte, hatte sie Skanga gebeten, noch zwei weiteren Fürsten das Wahlrecht zuzustehen. Doch die alte Schamanin hatte abgelehnt. Sie beide waren keine Todfeinde mehr. Aber Unterstützung würde sie von ihr wohl nie erwarten dürfen. Jetzt durchbohrte Skanga Orgrim geradezu mit ihren Blicken.

Der Trollherzog zögerte immer noch. Auch Falrach wurde jetzt ungeduldig.

»Orgrim, Herzog der Nachtzinne. Deine Stimme!«, sagte er noch einmal, fordernder jetzt.

Es genügte, wenn der Troll sich ein zweites Mal der Stimme enthielt, dann würde sie die Krone ebenso wenig erlangen wie Gilmarak.

»Ich stimme für Emerelle.«

Emerelle atmete erleichtert auf. Es war vollbracht! Der Alpraum von einem Land in Asche abgewendet. Doch sie musste auch an das blonde Mädchen aus ihren Träumen denken, dem sie nun niemals begegnen würde.

»Herrin, gestattet Ihr, dass ich Euch zur Wahl zur Königin gratuliere?« Alvias verstrahlte eine etwas steife, konservative Eleganz wie immer. Allerdings konnte sich Emerelle nicht erinnern, ihn jemals so herzlich lächeln gesehen zu haben.

»Danke, mein Freund.«

»Wäre es kühn, zu hoffen, dass Ihr womöglich noch einmal in Erwägung zieht, mich zu Eurem Hofmeister zu machen?«

Jetzt musste sie lächeln. »Wer sonst sollte es sein?«, sagte sie freundlich. »Ich freue mich, dich wieder an meiner Seite zu wissen. Und nun walte deines Amtes. Verkünde dem Volk den Ausgang der Königswahl.«

Voller Stolz trat er an die Reling der Prunkbarkasse. Er straffte sich noch einmal.

»Kinder Albenmarks!« Er legte Magie in seine Stimme, so dass sie weit in die Straßen Vahan Calyds trug, ohne dass er geschrien hätte. »Unsere Völker haben eine neue Königin.«

Erste Jubelrufe erklangen.

»Es ist die Elfe Emerelle aus dem Volk der Normirga. Möge ihre Herrschaft uns Frieden und Wohlstand bringen!«

Emerelle sah, wie die Trolle die Prunkbarkasse verließen, während sie mit frenetischen Rufen gefeiert wurde. Sie ging zu Skanga und hielt die alte Schamanin zurück. Ihre ständige Begleiterin, die vermummte Birga mit ihren abstoßenden Masken, flüsterte ihrer Herrin etwas ins Ohr.

»Wollt ihr nicht bleiben?«

»Das ist nicht unser Fest«, entgegnete die Alte. Mit toten, weißen Augen starrte sie Emerelle an. »Wir kehren zurück in die Snaiwamark.«

»Wird es Frieden geben?«

Skanga schüttelte den Kopf. »Dafür ist zu viel geschehen. Aber wir könnten die Kämpfe einstellen. Sehen wir, was danach kommt.«

Die Trolle zogen ab. Sie ragten unter der Masse der Feiernden auf. Erste Lichter erstrahlten am Nachthimmel. Magier aus ganz Albenmark würden sich nun ein friedliches Duell liefern und versuchen, sich gegenseitig zu überbieten. Erste Blumen erblühten vor dem Schwarz des Firmaments. Das waren noch die Übungen der Novizen.

Sie blickte zu Orgrim. Er war als einziger Troll auf der Barkasse geblieben. Mit seiner tapferen Entscheidung hatte er sich wahrscheinlich zum Geächteten in seinem eigenen Volk gemacht.

Ein Drache aus blauweißem Licht stieg über dem Mond türm auf, Alathaias Palast in Vahan Calyd. Ein Raunen lief durch die Menge. Gewiss war es die Elfenfürstin selbst, die diesen Zauber gewoben hatte. Der Drache weitete seinen Flügel, durch die das Licht der Sterne schimmerte.

Ein Schauder überlief Emerelle. Sie dachte an die lang vergangenen Kämpfe mit den Drachen. Doch dies war nur eine Illusion, ermahnte sie sich in Gedanken.

Der Drache stürzte vom Himmel herab, den Kais entgegen. Etliche Zuschauer schrien auf. Er glitt dicht über ihnen hinweg, gewann mit einem Flügelschlag wieder etwas an Höhe, doch nicht schnell genug. Einige der Mastspitzen glitten durch seinen Leib. Er drehte ab und flog auf das Meer hinaus. Dort verblasste er.

Emerelle sah zum Mondturm. Was für eine machtvolle Zauberin Alathaia geworden war!

Wie ein Wunder

Silbernes Licht rahmte die Berge am Horizont. Endlich war diese endlose Nacht vorüber, dachte Elodia müde. Sie ging vor der Hütte auf und ab. Manchmal hielt sie inne und lauschte an der Tür. Doch sie hatte schon lange keinen Laut mehr dort drinnen gehört. Mitten in der Nacht hatte der alte Wanderpriester das Fenster verhängt.

Die ganze Nacht über hatte sie immer wieder gebetet. Unermüdlich hatte sie Tjured um ein Wunder angefleht. Sie sah zum Schimmel, der bei der Tränke stand. Als sie befürchtete, vom untätigen Warten wahnsinnig zu werden, hatte sie das Blut von seinem Sattel gewaschen und aus seinem Fell. So viel Blut!

Wieder sah Elodia zur Tür. Wenn die Sonne aufging, würde sie in die Hütte gehen, ganz gleich, was der griesgrämige Priester sagte.

Lebte Adrien noch? War es ein gutes Zeichen, dass der Priester sie nicht gerufen hatte, oder hielt er sich einfach nicht an sein Versprechen? Der Alte war ihr unheimlich. Er erinnerte sie an den Priester, der vor vielen Jahren bei den Stadtwachen gewesen war, als man sie und ihren Bruder aus Nantour verschleppt hatte.

Ein Geräusch ließ sie aufblicken. Die Tür! Innen war der Riegel zurückgeschoben worden. Kam der Alte sie nun holen? War es so weit? Sie hatte oft gehört, dass der Tod mit dem ersten Morgenlicht kam. Sie unterdrückte ihre Tränen und fuhr sich mit fahrigen Händen durchs Haar, um es zu richten. Adrien sollte sie zum Abschied nicht zerzaust und weinend sehen!