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Es war totenstill in der weiten Kammer. Der muffige Geruch von vor Tagen vergossenem Blut hing schwer in der Luft. Es war kühl. Das Blau gewann weiter an Kraft in der Aura des Lutin. Skanga konnte riechen, wie er schwitzte.

»Elija sagt, dass die alten Herrscher sich niemals damit abfinden werden, dass das Volk sie aus den Palästen vertrieben hat. Alles, was bisher geschah, war nur ein lauer Wind. Wir müssen einen Sturm heraufbeschwören, der sie für immer hinwegfegt.

Einen Sturm, der ein Volk von einigen Brüdern zurücklässt...«

»Genug! Ich will nicht wissen, was dein Bruder denkt. Hast du eine eigene Meinung?«

»Ich denke, es ist die Tat von Konterrevolutionären. Sie wollen unsere Herrschaft erschüttern, bevor sie sich festigt. Sie wollen zeigen, dass sie noch da sind, auch wenn nun Trolle und Kobolde auf den Elfenthronen sitzen. Wir müssen diese Flamme ersticken, bevor sie zu einem Brand wird, den wir nicht mehr beherrschen können.«

Die Schamanin hatte noch immer das Gefühl, durch Nikodemus die Stimme seines Bruders Elija zu hören. Doch wenn Nikodemus eine wirre Auswahl von Sätzen aus den aufwühlenden Reden seines Bruders wiederholte, war es, als blicke man auf ein nacktes Skelett. Alles Fleisch fehlte. Er hatte nicht die unheimliche Begabung, die Elija bis in den Schatten hinter den Thron gebracht hatte.

Skanga kratzte sich grübelnd an der Nase. Ihm zuzuhören war, als blicke man auf ein Knochenorakel. Es galt, in dem Durcheinander ein Muster zu finden. Die Wahrheit, die sich hinter den Phrasen verbarg. Skanga glaubte nicht, dass Emerelle ihren Thron zurückwollte. Nicht so schnell. Wollte sie Unruhe stiften?

»Was glaubst du, wohin die Elfen geflohen sind?«

Ihr freundlicher Tonfall ließ das Blau der Angst in seiner Aura verblassen. Wie die meisten Lutin hatte er Freude daran, sich schwatzen zu hören. »Sie ist eine Elfe. Sie ist schlau. Sie wird wissen, dass wir von ihr erwarten, nicht das Naheliegende zu tun.

Und weil sie das weiß, wird sie sich ganz sicher fühlen, wenn sie es doch tut.

Naheliegend wäre es, einen etwas entfernteren Albenstern zu benutzen. Und da sie auch arrogant ist, wird sie außerdem noch ... «

Skanga räusperte sich. Einem Lutin länger als einige Augenblicke zuzuhören, bereitete ihr Kopfschmerzen. »Du glaubst, du weißt also, wohin sie geflohen ist?«

»Nein, nein. Das sage ich nicht. Ich weiß nicht, wohin sie geht, aber ich denke, ich weiß, welchen Weg sie nimmt. Sehr schön ... «

»Dann wirst du dich gemeinsam mit Madra auf den Weg machen und diese beiden Elfen suchen. Wenn ihr sie gefunden habt, dann werdet ihr sie unauffällig beobachten.«

»Wie soll ich mit einem mehr als drei Schritt großen Troll zwei Elfen unauffällig beobachten?«

»Betrachte es als eine Herausforderung«, entgegnete Skanga gehässig. »Und noch was.

Du solltest Madra nicht reizen. Er wirkt sehr ruhig, aber ich habe gehört, dass er einmal einem Schwarzbären alle Glieder ausgekugelt hat, weil er an einen Beerenstrauch gepinkelt hat, von dem er gerne naschte.«

Ein schlammfarbenes Braun zog sich durch die Aura des Lutin. Offenbar wollte er Skangas Worte für einen Scherz halten! Er musterte Madra. Und Zweifel überkamen ihn.

»Ist es klug, ihn zu schicken?«, flüsterte ihr Birga ins Ohr. »Ich denke, sein Bruder würde es nicht schätzen, wenn ihm etwas zustößt. Und Elija hat sehr viel Einfluss unter den Kobolden.«

»Überlass das Denken den Mammuts, die haben einen größeren Kopf!« Sie wollte, dass ihm etwas zustieß! Sollte Nikodemus es schaffen, Emerelle zu finden, dann würde er sich gewiss nicht unauffällig verhalten. Und wenn die Elfe sich dazu hinreißen ließ, ihm etwas anzutun, dann hätte sie sich Elija Glops zum Feind gemacht. Elija war rachsüchtig, er würde Emerelle finden. Und er wäre im Gegensatz zu seinem Bruder eine wirkliche Gefahr!

Skanga tastete über ihre Amulette. Es dauerte ein wenig, bis sie den Lamassuknochen mit den Federschnitzereien fand. Sie drückte ihn Madra in die Hand. »Wenn ihr die Elfen aufspürt und wenn du das Gefühl hast, ein weiteres Gemetzel wie hier in Feylanviek steht bevor, dann wirf diesen Knochen fort. Er wird zu mir finden und mir den Weg zu euch weisen.«

Madra nahm den Knochen mit spitzen Fingern. Magie war ihm augenscheinlich unheimlich. Zugleich strahlte seine Aura in klarem Gelb. Er war ein Jäger, und er war zuversichtlich, seiner Aufgabe gewachsen zu sein. Kurz überlegte Skanga, ob es besser wäre, ihm zu sagen, wen er jagte. Doch das würde ihn nur verunsichern. Sie deutete mit weit ausholender Geste auf den blutbesudelten Holzboden. »Wenn ihr die beiden Elfen findet, beobachtet sie nur. Versucht nicht, sie zu stellen. Ihr beide wisst, wozu sie fähig sind.«

Das verbrannte Land

Dem gleißenden Licht folgte eine Hitze, die Falrach im ersten Augenblick den Atem nahm. Blinzelnd sah er sich um. Aus den Augenwinkeln sah er den Bogen aus pulsierendem Licht in sich zusammensinken, durch den sie dieses fremde Land betreten hatten. Vor ihnen erstreckte sich eine sanft abfallende Ebene. Es war ein trostloses, sonnenverbranntes Land. Einzelne Felsbrocken erhoben sich aus rötlichem Geröll. Tiefe Furchen ausgetrockneter Wasserläufe durchzogen in weiten Abständen die Ebene. Verkrüppelte, kleine Büsche, an denen kaum Blätter gediehen, und braunes, sonnenverbranntes Gras, das hier und da im Geröll spross, bildeten den einzigen Bewuchs.

Die Luft erzitterte in der Hitze. Ein wenig entfernt schien sie wie geschmolzenes Glas über die Felsen dahinzufließen.

Falrach streifte seinen Umhang ab und dann die gefütterte braune Weste. Er hatte die Kälte des Windlands gehasst, aber das hier war um keinen Deut besser. Schon stand ihm Schweiß auf der Stirn. Wieder einmal fühlte er sich gefangen in Olowains Körper, den Mächten der Natur gegenüber hilflos wie ein Kind.

»Wo sind wir?«

Emerelle machte einen melancholischen Eindruck. Sie blickte über die Ebene zum Horizont, und er hatte den Eindruck, dass sie etwas sah, das seinen Augen verborgen blieb. »Früher einmal, als noch die Drachen herrschten, hieß dieses Land Bainne Tyr. Milchland. Es war eine wunderschöne grüne Ebene. Elfen und Pegasi lebten hier.«

Falrach wischte sich über die schweißnasse Stirn. »Warum sind wir hier? Wir hätten überall hingehen können ... Warum musste es eine Wüste sein?«

»Es gibt hier nur sehr wenige Albensterne. Sie liegen Hunderte Meilen voneinander entfernt. Es verirren sich keine Reisenden hierher. Es gibt keine Städte. Keine Elfen und keine Trolle. Hier wird uns niemand aufspüren. Hier werden wir Frieden finden.

Dieser Ort ist besser für uns als die Snaiwamark oder das Herzland. Wenn wir wollen, gibt es nur uns, Falrach. Es ist an der Zeit, ganz von vorne zu beginnen.« Ein verheißungsvolles Lächeln begleitete ihre Worte.

Er hatte gehört, dass manche Emerelle die Königin der tausend Gesichter nannten.

Durfte er wirklich hoffen, dass ihre Liebe zu ihm doch nicht ganz erloschen war?

Konnte sie ein ganzes Zeitalter vergessen und Ollowain hinter sich lassen? Er drehte sich langsam um die eigene Achse und suchte nach einem Ort, um der Hitze zu entfliehen. Weit im Westen zeichneten sich die Umrisse von Bergen blau gegen den Horizont ab.

Ein bunter Fleck sprang ihm ins Auge. Ein Felsblock, vielleicht dreißig Schritt entfernt, war bemalt. Verwittertes Weiß und strahlendes Rot schmückten die Felsflanke.

Inmitten der trostlosen Landschaft mit ihren staubigen Braun- und Rottönen wirkten die frischeren Farben anziehend. Falrach ging zu dem Felsen. Hinter sich hörte er Emerelles Schritte.

Auf den Stein waren merkwürdige Symbole gemalt. Kreise mit Kreuzen, krumme Runenzeichen, wie er sie noch nie zuvor gesehen hatte. Dazwischen waren weiße und rote Gestalten abgebildet, die tanzten, auf dem Feld arbeiteten oder auf die Jagd nach Drachen zogen.

Falrach atmete schwer aus. Drachen! Eines war gewiss. Diese Zeichnung war nicht viele Jahrhunderte alt. Und es war noch nicht sehr lange her, dass jemand hier gewesen war, denn am Fuß des Felsens standen geflochtene Schalen mit Maiskolben darin und ein halbes Dutzend blass-orangefarbener Kürbisflaschen. Er hatte das Gefühl, das alles verzehrende Feuer wieder auf seiner Haut zu spüren, das ihm das Leben genommen hatte. Drachen! War dieser Fluch denn immer noch nicht gebannt?