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Einer der acht sog geräuschvoll Luft ein. »Deine Witterung ist mir vertraut, Menschentochter.« Der Troll, der sprach, hatte eine dunkelgraue Haut mit hellen Einsprengseln. Er stützte sich auf eine schwere Kriegskeule mit einem großen Steinkopf. Reste von verharschtem Schnee klebten an seiner Haut. Kadlin blickte flüchtig zu den eingeschneiten Felsen, die ihr auf dem Weg zur Höhle aufgefallen waren. Sie waren verschwunden. Wie dumm sie gewesen war! Die Trolle hatten sie nun auf dieselbe Weise getäuscht, wie sie und Melvyn vor ein paar Tagen ihre Späher hereingelegt hatten.

»Überheblichkeit, Menschentochter, ist der erste Schritt in den Untergang. Dein Leben ist verwirkt. Du wusstest, dass du nicht hierherkommen durftest.« Die Augen des Trolls hatten die Farbe von Bernstein. Er lächelte. Oder bleckte er die Zähne wie ein Raubtier? Er sah furchterregend aus. Und er war mehr als einen Schritt größer als sie. Muskelstränge, dick wie Ankertaue, spannten sich an seinem Arm, als er die Kriegskeule hob.

»Du hast Mut, Menschentochter. Wenn du gut kämpfst und gut stirbst, werde ich meine Krieger nicht in dein Dorf führen. Meine Männer glauben, ihr Menschenkinder hättet den Respekt vor uns verloren. Sie wollen ins Fjordland einfallen und ein paar Dörfer und Städte niederbrennen. Ich werde es ihnen erlauben, wenn du mich enttäuschst.«

Kadlin schloss die Augen und atmete schwer aus. Al es war so gekommen, wie Lambi es ihr vorhergesagt hatte. Sie hätte nicht hierherkommen dürfen! Ein dumpfer Schmerz strahlte von der Wunde an ihrem Hinterkopf. Sie kniete nieder.

Der Troll sah sie verwundert an. Er hob die Keule, wie ein Scharfrichter auf dem Henkersplatz sein Schwert gehoben hätte.

Kadlin griff in den Schnee. Sie rieb eine Handvoll Schnee ins Haar. Die Kälte tat gut.

Das Pochen der Wunde ließ ein wenig nach.

»Kannst du kämpfen?«

Sie nickte dem Troll zu. Etwas regte sich in ihrem Bauch. Deutlich spürte sie einen Fußtritt. Ein dicker Kloß stieg ihr in den Hals. Sie würde ihr Kind ermorden! Und wofür? Für einen Toten!

Kadlin erhob sich. Sie hatte immer noch weiche Knie. Sie spannte ihre Muskeln und versuchte sich an all die Dinge zu erinnern, die Silwyna ihr einst beigebracht hatte.

Silwyna, die Elfe, die so oft in das verborgene Tal gekommen war, in dem Kadlin ihre Kindheit verbracht hatte.

Wortlos zog die Königin ihr Schwert und hob es zum Fechtergruß.

Der Troll knurrte etwas, das sie nicht verstand. Dann ließ er die riesige Kriegskeule in weitem Kreis über seinem Kopf wirbeln und griff an. Er unterschätzte sie!

Sie stürmte vor und unterlief die wuchtige Waffe. Auch ihr blieb nicht der Platz, um auszuholen. Sie versuchte ihm in den Unterbauch zu stechen, doch der Hüne reagierte mit einem überraschend flinken Schritt zur Seite, so dass ihre Klinge ins Leere stieß.

Kadlin ahnte, was kommen würde, und warf sich flach in den Schnee.

Keinen Augenblick zu spät! Die riesige Keule sauste in einem Rückhandschlag nieder und verfehlte sie nur um wenige Fingerbreit.

Die Königin rollte sich auf die Seite und sprang auf die Beine.

Der Troll bleckte erneut die Zähne zu einem Lächeln. »Nicht schlecht, Menschentochter. Wenn du es schaffst, ein wenig von meinem Blut zu vergießen, bevor du stirbst, dann hast du die Deinen vor einem Kriegszug bewahrt.«

Kadlin war noch immer benommen. Helle Lichtpunkte tanzten ihr vor den Augen.

Fieberhaft überlegte sie, wie ein so übermächtiger Gegner zu besiegen war. Ein wenig Blut zu vergießen, war ihr nicht genug! Sie wollte ihn töten. Ihr Bruder Ulric hatte einen Troll getötet, als er noch ein Kind gewesen war. Ihr Vater hatte während der Schlachten des Elfenwinters ebenfalls mehrere Trolle erschlagen. Sie würde die Familientradition fortsetzen. Ihre Klinge sollte diesen stinkenden Fleischberg an dessen eigene Lektion zur Überheblichkeit erinnern!

Der Troll hielt seine Keule diesmal flacher. Er ließ sie in langsam pendelnder Bewegung hin und her schwingen. Die Waffe schnitt mit einem satten Zischen durch die Luft. Er kam langsam auf sie zu. Er war wie eine Lawine. Eine Naturgewalt. Selbst ohne Keule könnte er sie mit bloßen Fäusten zerschmettern.

Kadlin atmete aus, so wie Silwyna es sie einst gelehrt hatte, als sie auf Wolfspirsch waren. Und mit dem Atem zugleich floss die Angst aus ihr.

Sie täuschte einen Stich an, der auf den rechten OberSchenkel des Trolls zielte, und die pendelnde Waffe ihres Gegners geriet aus ihrem Rhythmus. Kadlin änderte die Schlagrichtung, wirbelte um den Hünen herum und versuchte ihn mit einem Rückhandhieb zu treffen. Klirrend schlug Stahl auf steinhartes Holz. Wie hatte der Bastard es geschafft, so schnell zu reagieren? Wer war das, gegen den sie da antrat?

Mit drei Schritten zurück vergrößerte sie rasch den Abstand zu der Keule. Der Troll setzte ihr nicht nach. Sein Blick war einschüchternd siegesgewiss.

»Wie heißt du? Wenn ich ein Duell austrage, weiß ich ganz gerne den Namen desjenigen, den ich zu seinen Ahnen schicke.«

»Das ist nicht dein erstes Duell? Dann hast du wenig gelernt.«

»Es wird reichen, um dir deine Raubtierschnauze einzuschlagen!«

Ihr Gegner lachte laut auf, und seine Kumpane fielen in das Gelächter mit ein. Die übrigen Trolle hatten inzwischen einen weiten Kreis um sie beide gebildet. Jede Flucht war unmöglich!

»Du kommst mit ausgestrecktem Schwertarm kaum bis zu meinem Kinn, Menschentochter. Ich fürchte, es wird dir schwerfallen, deine Drohung wahrzumachen.« Wieder lachte er. »Und mein Name ist Orgrim, Kind. Ich nenne ihn dir, damit du ihn deinen Ahnen sagen kannst, wenn du ihnen in den Goldenen Hallen begegnest.«

Orgrim! Sie hatte schon oft vom Herzog der Nachtzinne gehört. Kadlin war überrascht, wie gut der Troll sich auskannte. Er wusste, woran sie glaubte! Sie hingegen hatte keine Ahnung, welche Reise ein Troll nach seinem Tod antreten würde.

Der Herzog stieß einen Schlachtruf aus, der ihr durch die Glieder fuhr. Gleichzeitig stürmte er vor, als wolle er sie einfach niederrennen. Sie machte einen Hechtsprung zur Seite. Er wechselte seine Angriffsrichtung, und wäh rend sie noch versuchte, wieder auf die Beine zu kommen, versetzte er ihr einen Fußtritt.

Ihre Reaktion kam zu langsam! Er traf sie zwar nicht mitten im Leib, aber doch an der Schulter. Sie wurde herumgerissen und ein paar Schritt weit durch die Luft gewirbelt.

Der Schnee dämpfte ihren Aufprall. Ihr Mund war voller Blut. Sie hatte sich die Unterlippe durchgebissen. Taumelnd kam sie hoch. Ihre linke Schulter war taub. Ihre Schwerthand zitterte. Breitbeinig stellte sie sich dem Troll in den Weg, als sich ein sengender Schmerz in ihren Rücken bohrte und sie von den Beinen gerissen wurde.

Knochenarbeit

Skanga saß an einer Feuergrube in einem der großen Koboldpaläste Feylanvieks. Auf ihren Befehl hin war der Boden aus Rosenholz entfernt worden, damit man eine Grube für eine Feuerstelle ausheben konnte. Das Haus lag nahe am Kanal und war nicht unterkellert.

Sie streckte die Hände dem Feuer entgegen und genoss die Wärme. Sie sehnte sich nach ihrer Höhle in den Bergen der Snaiwamark zurück. Und sie wusste, dass sie zu Burg Elfenlicht zurückkehren musste. Sie durfte den jungen König Gilmarak nicht zu lange den Schmeichlern und Ohrenbläsern bei Hof überlassen. Sie würden ihm schaden.

Skanga hob den Beutel mit den alten Knochen auf, der neben ihr lag. Ein halbes Leben lang hatte sie diese Knochen gesammelt. Sie alle waren einzigartig. Eine Rippe des Menschenkönigs Horsa, ein Fingerknochen aus einer früheren Fleischwerdung Herzog Orgrims, die Kralle eines Drachen, der gerade erst aus dem Ei geschlüpft war, als ihn sein Schicksal ereilte, ein Knochen einer Kreatur, die vor langer Zeit ans Ufer der Walbucht gespült worden war und für die niemand einen Namen gehabt hatte. Ein halbes Schienbein der Elfe Aileen, die einst die Geliebte des Helden Farodin gewesen und die von dem Trollherzog Dolgrim erschlagen worden war. Der Schädel eines Hasen, der so unglaublich köstlich gewesen war, dass sie sich bis ans Ende aller Tage an ihn erinnern würde.