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Da war es zwar nicht stiller gewesen, aber wenigstens kälter. Hier wuchsen schon überall Blumen! Nach ihrem Gefühl war es dazu viel zu früh im Jahr. Zu viel Blumen und Sonnenlicht. Wer brauchte das?

Birga stand hinter ihr. Sie wirkte angespannt. Sie fürchtete, dass der Kobold etwas falsch machte. Sie hatte ihn empfohlen.

»Wen hast du denn alles schon umgebracht, Skorpion?« Die Farbe seiner Aura änderte sich. Da war ein Anflug von Ärger.

»Es gehört zu meinem Geschäft, mich mit meinen Taten nicht zu rühmen. Ebenso wenig erzähle ich, wer mich beauftragt hat. Wenn das deine Fragen sein sollten, wirst du keine Antworten erhalten.«

»Du hast deine Meuchler sicher auch hier in der Burg.« Skanga erwartete keine Antwort. Sie wollte sehen, ob sich die Aura des Kobolds veränderte. Das Licht um seinen Kopf veränderte sich zu einem Schlammbraun. Die Farbe des Zweifels.

Natürlich sagte er nichts.

»Ich möchte, dass du weißt, dass man mir nichts vormachen kann. Du bist nicht in Gefahr. Noch nicht... Dein Geschäft ist der Tod. Und es gibt jemanden, den ich tot sehen möchte. Emerelle!«

»Da solltest du es lieber mit Elfen versuchen. Soweit ich weiß, gab es ein Komplott gegen die ... gegen Emerelle auf dem letzten Krönungsfest in Vahan Calyd.«

»Ich dachte, du hasst Elfen, Madrog. Es war doch ein Elf, der deine große Liebe ermorden ließ, oder? Warum zögerst du?«

»Ich würde nicht nahe genug an Emerelle herankommen. Ich fürchte, niemand kann das. Welche Aussichten hätte ein Floh, ein Mammut zu töten? Ganz gleich, wie zornig und entschlossen der Floh ist.«

»Du hast doch bereits einen Elfenfürsten mit seiner gesamten Sippe hingemordet. Hast du keinen Ehrgeiz?«

»Ehrgeizige Meuchler sterben jung. Ich bin erfolgreich, weil ich meine Grenzen kenne.«

Der Kobold überraschte sie. Sie hatte einen anderen Mann erwartet. »Hast du keine Angst vor meinem Zorn?«

»Ich glaube, du verwechselst etwas, ehrwürdige Schamanin. Ich habe keine Angst vor dem Tod. Also fürchte ich dich nicht. Ich fürchte auch Emerelle nicht. Aber ich übernehme keinen Auftrag, bei dem ich nur scheitern kann.«

Er spielte ihr nichts vor. Noch immer war keine Spur von Blau in seiner Aura. Er hatte tatsächlich keine Angst.

Der kleine Kerl verblüffte sie. Jemandem wie ihm war sie schon lange nicht mehr begegnet. »Ich schätze das offene Wort.«

Sie hörte Birga hinter sich schneller atmen. Ihre Schülerin fürchtete, bestraft zu werden. »Vielleicht hast du ja einen Rat für mich, Madrog? Wie kann man Emerelle ermorden?«

»Nun, Herrin. Man sagt, du hättest die Mittel, die Shi-Handan zu rufen. Wenn du zwei oder drei zu Emerelle schickst, dann ist sie sicherlich in Gefahr.«

Jetzt hielt Birga hinter ihr die Luft an. Wusste der Kobold, was er da sagte? Wollte er sie reizen? Genau das hatte sie schon einmal getan und war gescheitert. Wollte er ihr auf diese Weise vor Augen führen, wie aussichtslos es war, Emerelle ermorden zu wollen?

»Ein wertvoller Hinweis ... Da wir nicht ins Geschäft kommen werden, kannst du nun gehen.«

Der Kobold verneigte sich nicht einmal. Er drehte sich einfach um und verließ den Saal. Mangel an Respekt war der erste Schritt hin zum Aufstand. Das konnte sie nicht dulden. Vielleicht ließen es sich die Kobolde ja einfallen, bald schon gegen ihr Volk zu rebellieren.

»Birga! Nimm dir ein paar Wachen! Schnapp dir den Kerl! Und wenn ihr ihn habt, steckt ihn in eine Kiste mit Eisenbändern und versenkt sie im See hinter der Burg.«

»Ja, Meisterin.«

Ihre Schülerin eilte zum Portal, durch das der Kobold verschwunden war. Skanga sah ihr eifersüchtig nach. Was würde sie dafür geben, noch einmal so junge Beine zu haben! Madrog hatte ihr nichts gesagt, woran sie nicht selbst schon gedacht hätte. Er war eben doch nicht so gut wie sein Ruf. Skanga spielte nachdenklich mit den Amuletten auf ihrer Brust. Die Shi-Handan waren geisterhafte Wölfe. Durch und durch bösartige Geschöpfe. Unvergleichliche Jäger. Mahta Naht, ihre Lehrerin, hatte ihr einst beigebracht, wie man sie erschuf. Man brauchte dazu einen Yingiz. Und eine starke Seele. Nach all dem, was geschehen war, war es nicht klug, einen Yingiz zu rufen.

Vielleicht sollte sie doch noch einmal einen Blick in die Silberschale wagen. Das Knochenorakel zu deuten, war schwer. Hatte sie einen Fehler gemacht? Aber nein.

Emerelle musste sterben, nur so war die Herrschaft Gilmaraks sicher. Nur so würde ihr Volk endlich Frieden finden!

»Herrin.«

Skanga blickte auf. Birgas Aura strahlte hellblau. »Ja.« »Er ist verschwunden.«

»Was war so schwer daran, einen einzelnen Kobold zu greifen?«

»Herrin, bitte«, stammelte Birga. »Er hat uns hereingelegt …«

»Dich, Birga! Mir wäre er gewiss nicht entwischt. Dich hat er hereingelegt!«

»Herrin ... Er trug einen braunen Mantel und eine auffällige, schwarze Mütze. Ganz anders als die anderen Kobolde. Aber jetzt war die Burg plötzlich voll von Kobolden mit braunem Mantel und schwarzer Mütze. Wir haben ein paar gefasst. Sie sind Madrog nie begegnet. Fremde haben sie dafür bezahlt, diese Kleider zu tragen. Sie haben ihnen die Kleider sogar geschenkt.«

Skanga fluchte. Zugleich empfand sie Respekt. Dieser kleine Hurensohn! Er musste geahnt haben, dass sie ihn nicht lebend ziehen lassen würde. Nun hatte sich gezeigt, dass er tatsächlich so gut war wie sein Ruf. Ob er ihr den Mordversuch übelnahm? Sie hatte keine andere Wahl gehabt. Sie konnte es sich nicht leisten, dass sich herum-sprach, dass sie Meuchler nach Emerelle ausschickte. Man würde glauben, sie hätte Angst vor der Elfe. Womöglich würde sogar Emerelle davon erfahren. Wer wusste schon, wie viele Spitzel sie in der Burg hatte?

»Such mir zwanzig stattliche Trollkrieger, Birga! Sie sollen etwas hermachen! In zwei Stunden erwarte ich dich mit den Kriegern im Thronsaal.«

Die kleine Schlampe war klug genug, sie nicht mit Fragen zu verärgern. Sie würden eine Reise machen. Letztlich war das Gespräch mit dem Kobold doch etwas wert gewesen. Er hatte nicht Unrecht gehabt mit seinem Rat. Sie wusste nun, wo sie jemanden finden würde, der Emerelle von ganzem Herzen verabscheute. Und sie sollte nach Orgrim schicken. Sie brauchte jemanden, der jede Rebellion im Keim ersticken könnte. Feylanviek war womöglich erst der Anfang. Es war besser, vorbereitet zu sein.

Die Geschichte eines Schattens

»Heute ist der letzte Tag, an dem du auf der faulen Haut liegen wirst, Junge!« Bruder Jules war nur ein Schattenriss in der Tür der Hütte, in der sie beide hausten. Hütte war nicht ganz das richtige Wort. Es war einmal etwas Größeres gewesen. Aber jetzt stand nur noch eine Mauerecke mit einer Tür, die Jules stets wohl verschlossen hielt. Die beiden anderen Wände waren aus groben Brettern gefertigt. Jules hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, die Ritzen zwischen den Brettern mit Moos auszustopfen.

Adrien hatte schon davon gehört, dass manche Priester der Meinung waren, sie seien ihrem Gott besonders gefällig, wenn sie in Armut lebten und sich nicht um Dinge wie Ritzen in einer Bretterwand kümmerten. Er hielt es für Unfug, aber er würde sich hüten, das auch Jules zu sagen.

»Komm. Ich werde dir das Tal zeigen und dir erzählen, welche Pflichten dich erwarten.«

Adrien hatte keine Ahnung, was für Kräuter der Betbruder in die Aufgüsse getan hatte, die er ihm verabreicht hatte. Das Zeug war bitter wie Galle gewesen. Aber es hatte geholfen. Als er hier ankam, war er zu Tode erschöpft gewesen. Nun fühlte er sich ausgeruht und voller Kraft. Er würde sich allen Aufgaben stellen, die der Priester für ihn bereithielt. So schwer konnte es ja nicht werden.

Adrien schlug die Decke zurück und streckte sich. Dann trat er hinaus ins Morgenlicht.

Kalte Luft schlug ihm entgegen. Der Frühling hatte noch nicht seinen Weg in dieses Tal gefunden. Er sah hinab auf die verwüstete Stadt. Den Steinernen Wald.