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Falrach verschränkte seine Arme vor der Brust. So konnte er seine zitternden Hände verbergen. Sein Mund war staubtrocken. Er blickte auf die Zähne, die länger als Schwerter waren und so hart, dass sie selbst dem alles verzehrenden Feuer widerstehen konnten.

Oblon steckte den Kopf aus der Augenhöhle. »Glaubst du, du passt hier durch?«

»Welcher war es?«

»Was? Wovon redest du?«

»Der Sonnendrache! Welcher von ihnen war es?«

»Die hatten Namen? Kanntest du etwa welche?«

Falrach trat dicht vor den Drachenschädel. Fassungslos sah er, dass rund um die Augenhöhlen Runen auf den Knochen gemalt waren. Es gab winzige Handabdrücke.

Offensichtlich vom Kobold. Und es roch ein wenig nach Urin. Vor ihm lag einer der Herren der Welt. Sie waren fast wie Götter gewesen. Und jetzt hauste ein Kobold in seinem Schädel, und offensichtlich ging er irgendwo zwischen den Rippen zum Pinkeln.

»Kanntest du den?«

Falrach tastete über den Schädel. »Vielleicht. Vielleicht war er es, der mich einst getötet hat. Es gab nicht viele von ihnen.«

»Geht es dir nicht gut? Du stehst doch vor mir. Und du bist kein Geist. Mit Geistern kenne ich mich aus! Was soll das heißen, dass der Drache dich getötet hat?«

»Wie lange liegt er schon hier?«

»Du stellst Fragen, Riese. Woher soll ich das wissen? Der lag schon hier, bevor mein Volk hergekommen ist.« »Was machst du in seinem Schädel?«

»Was wohl? Ich befrage mein Knochenorakel. Das ist ein Ort voller Magie. Hier kann ich besonders gut die Geister rufen. Und alle, die mich hier besuchen kommen, haben Respekt.« Oblon grinste breit. »Sogar du hast Respekt vor ihm. Das sehe ich genau. Er kann einem Angst machen, nicht wahr?«

Falrach nickte. Dann trat er ein Stück zurück. »Hier will ich nicht bleiben!«

»Du hast ja nicht einmal einen Blick hineingeworfen. Das solltest du dir nicht entgehen lassen. Du wirst so schnell nicht wieder in einem Drachenschädel hocken und ... «

Der Elf winkte ab. »Ich gehe jetzt.« »Ach, komm schon rauf. Wovor hast du Angst? Ich sage dir …«

Falrach hörte ihm nicht mehr zu. Wie hatte er nur auf die Idee kommen können, sich ernsthaft mit einem Kobold unterhalten zu wollen? Mit einem Kobold, der ihn vor ein paar Tagen noch hatte schlachten wollen!

»He, großer Mann!«

Er hörte eilige Schritte hinter sich. Dann schloss Oblon zu ihm auf. Der Schamane hatte sich eine Kürbisflasche umgehängt und trug einen dilettantisch getöpferten Krug.

»Vergessen wir das einfach. Du magst keine toten Drachen. Ich hab das verstanden.

Suchen wir uns einen anderen netten Ort.«

»Warum läufst du mir nach?«

»Was glaubst denn du? Zwei Riesen leben plötzlich in meinem Dorf. Nach ersten Missverständnissen verstehen wir uns ganz gut. Und plötzlich haben meine Jäger ein Jagdglück wie noch nie. Halte mich nicht für dumm, nur weil mein Kopf viel kleiner ist als deiner. Mir ist klar, dass deine Geliebte irgendeine Art von Jagdzauber wirkt, damit wir alle genug zu essen haben. Das ist eine Verbesserung für mein Dorf. Und niemand hat Angst, dass uns die Trolle angreifen werden, solange ihr hier seid. Dann macht ihr beide Liebe. Und plötzlich sitzt du mit finsterem Gesicht an einem Abgrund und brütest vor dich hin.«

Falrach schnaubte verächtlich. »Vor ein paar Tagen wolltest du mich noch fressen. Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass ich dir abnehme, dass du dir jetzt Sorgen um mich machst.«

»Tue ich auch nicht. Ich sorge mich um mein Dorf. Du bist durcheinander. Und ein Riese, der ein Schwert besitzt, das so groß und schwer ist, dass man mehrere Kobolde braucht, um es zu tragen. Was wird geschehen, wenn du deinen Kummer und deine Wut an uns auslässt? Wer könnte dich aufhalten? Deshalb bin ich hier, um mit dir zu reden. Ich finde, du bist kein übler Kerl, für einen Riesen.«

Falrach schüttelte den Kopf. Dann lachte er leise. Er fing an, den frechen kleinen Kerl zu mögen. Aber durfte er ihm vertrauen? »Du bist der verschlagenste und mutigste Kobold, dem ich je begegnet bin.«

»Ich fasse das mal als ein Kompliment auf.« Oblon sah zu ihm auf und grinste breit.

Dann deutete er ein Stück voraus zum Ufer des kleinen Baches, der nahe dem Dorf floss. »Das ist ein guter Platz zum Reden. Da wird uns niemand stören.«

Das flache Rinnsal, das die Kobolde hochtrabend ihren Fluss nannten, schimmerte silbern im Licht der Nachtgestirne. Das leise Plätschern des Wassers hatte etwas Beruhigendes. Falrach musste sich eingestehen, dass dies ein besserer Ort war, um die Nacht zu verbringen, als der Klippenrand. Sie ließen sich bei einem Felsen nieder.

Oblon zog den hölzernen Stöpsel aus der Kürbisflasche. »Maisschnaps! Wenn man genug davon trinkt, schläft man gut, ganz gleich, welche Sorgen einen bedrücken.« Er setzte den unförmigem Kürbis an die Lippen und trank einen Schluck.« Danach tat er einen tiefen Seufzer. »Das brennt die Kehle und den Kopf aus!« Er hielt ihm die Flasche entgegen.

Falrach nahm sie und roch zweifelnd an dem Gebräu. Aber was hatte er schon zu verlieren? Auch er nahm einen Schluck. Das Zeug brannte wie glühende Kohlen.

Obwohl er kaum etwas getrunken hatte, hatte er das Gefühl, kaum noch atmen zu können.

»Gut, nicht?«

Falrach war sich nicht sicher, ob er das Koboldgebräu im Magen behalten würde. Statt zu antworten, nickte er nur, was Oblon aber völlig zu genügen schien. Der Kobold nahm noch einen Schluck, verschränkte dann die Arme hinter dem Kopf und blickte zum Nachthimmel hinauf.

»Frauen sind das Wunderbarste, was uns geschehen kann. Sie sind das Salz des Lebens.«

Der Elf dachte an die ausgemergelte Gestalt, die in Ob-Ions Haus wartete. Sie war wahrscheinlich nicht alt. Aber das entbehrungsreiche Leben am Rand der Wüste hatte bereits unauslöschliche Spuren hinterlassen.

»Wenn ich etwas Maisschnaps trinke und dann mit ihr Liebe mache, schlafe ich so tief und friedlich wie ein Neugeborenes mit vollem Bauch. Für ein paar Stunden kann ich dann alle Sorgen vergessen. Firandi ist eine sehr leidenschaftliche Frau. In unserer Hütte wage ich es nicht, ihr zu widersprechen.« Er nahm noch einen Schluck vom Schnaps und hielt ihm die Flasche hin.

Falrach nahm die Kürbisflasche. Der zweite Schluck brannte nicht mehr ganz so schlimm wie der erste. Er fragte sich, ob er vielleicht auch Vergessen finden würde.

Und sei es nur für ein paar Stunden.

»Was für einen Kummer hast du eigentlich, Riese? Ich meine, dieses Weib ... Deine Gefährtin. Sie ist viel zu groß. Und ich habe den Eindruck, sie hat nicht nur in eurer Hütte das Sagen. Daran musst du etwas ändern! Weibern zu viele Freiheiten zu lassen, führt nur zu Kopfschmerzen! Aber wenn ich sehe, wie du sie anschaust... Ich glaube, du bist tief und aufrichtig in sie verliebt.« Er grinste. »Ihr habt euch leidenschaftlich geliebt. Und so lange, wie man das nur tut, wenn die Liebe noch frisch ist. Aber dann sitzt du abends an diesem Abgrund und es sieht aus, als wolltest du runterspringen. Was willst du eigentlich noch in deinem Leben? Was ist los mit dir? Heute war einer von den guten Tagen! Bist du blind, dass du das nicht merkst?«

»Sie hat mit mir ...« Liebe würde er dazu nie sagen. Aber was konnte man einem Kobold sagen? Eine poetische Umschreibung würde er vermutlich nicht zu würdigen wissen und wahrscheinlich nicht einmal verstehen.

»Ich weiß, was du sagen willst. Komm, red weiter!«

Falrach räusperte sich. War er schon leicht betrunken? Unter normalen Bedingungen hätte er niemals darüber gesprochen. »Sie hat mich mit dem Namen eines anderen angesprochen.«

»Na und?«

»Verstehst du nicht? Sie denkt an einen anderen, während ich ... «

»Ich finde, da hat eher der andere ein Problem. Sie mag ihn, findet aber nichts dabei, sich mit dir zu vergnügen. Du solltest dir weniger den Kopf zerbrechen und die reichen Früchte ernten, die das Schicksal dir aufgetischt hat.«

»So einfach ist das alles nicht«, protestierte Falrach.

»Ich glaube schon! Liegt das an den größeren Köpfen von euch Riesen, dass ihr so verwickelt denkt? Was hältst du davon, den anderen umzubringen, wenn du ihm das nächste Mal begegnest? Aber pass gut auf, dass dein Weib davon nichts merkt. Ich sag dir, Frauen können bei so etwas ziemlich nachtragend sein!«