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Plötzlich sprang Madra auf und griff nach seiner Keule. Nikodemus machte einen entsetzten Satz zurück. Hatte er sich verraten? »Ich kann alles erklären ... «, stammelte er und wich weiter zurück. »Ich kann ... « Er stieß gegen etwas Weiches. Gehetzt blickte er hinter sich. Fast hätte sich seine Blase entleert. Da stand die Elfenkönigin! Sie hatte sie aufgespürt. Jetzt war alles vorbei!

Er wich vor ihr zurück. Ihretwegen also hatte Madra sich bewaffnet. »Es ist nicht so, wie es aussieht, Herrin.« Verdammt, sie war keine Herrin mehr. Er sollte sich nicht so duckmäuserisch benehmen!

»Was willst du?«, fragte Madra mit fester Stimme.

Die Elfe trug ein Schwert, aber sie wirkte entspannt. Vielleicht wollte sie ja gar keinen Streit, überlegte Nikodemus. Aber nein ... Sie fürchtete sie beide nicht. Sie war mit Ollowain in den Gerichtssaal gegangen und hatte siebzehn Trolle und etliche Kobolde erschlagen. Sie beide waren keine Bedrohung.

»Also bringen wir es hinter uns«, knurrte der Troll, als Emerelle nicht antwortete, und hob kampfbereit seine Keule.

»Nein, nein, nein!« Nikodemus trat zwischen die beiden. »Wir sollten erst einmal reden. Die Köpfe einschlagen können wir uns immer noch.«

Emerelle nickte sacht. »Die Frage ist nicht, was ich hier tue, sondern was ihr hier wollt.«

Das lag eigentlich auf der Hand. Also war es besser, keine Lügengeschichten zu erzählen. »Man sucht dich wegen der Morde in Feylanviek. Das heißt ... Man sucht die Mörder. Bis jetzt wusste niemand, dass du es warst. Du ... «

»Still«, fauchte Madra und ließ zischend die wuchtige Keule durch die Luft schneiden.

»Halt dein dummes Maul, Fuchsgesicht, oder ich stopf es dir hiermit.«

»Muss ich dich umbringen, damit ich mich in Ruhe mit dem Lutin unterhalten kann?«, fragte die Königin beängstigend gleichmütig.

»Glaubst du, du schaffst das?«

Nikodemus schnappte nach Luft. Wie blöd konnte man eigentlich sein? Madra hatte schließlich vor Augen geführt bekommen, wozu sie in der Lage war. Der Lutin hob beschwichtigend die Hände. »Ich finde ...«

Emerelle zog ihr Schwert.

Madra stürmte der Elfe mit einem wilden Kriegsschrei entgegen. Der Lutin warf sich zu Boden und versuchte zur Seite zu rollen, um den gewaltigen Füßen des Trolls zu entkommen. Sein Gefährte verfehlte ihn nur um wenig mehr als Haaresbreite.

Nikodemus ging hinter einem Fels in Deckung. Madra versuchte Emerelle durch eine Finte zu täuschen. Einen anderen Troll hätte er mit diesem Trick wahrscheinlich mit dem ersten Schlag besiegt. Nicht so Emerelle. Sie wich der schwerfälligen Keule ohne Mühe aus, setzte nach und stach Madra durch das Handgelenk der rechten Hand.

Nikodemus konnte hören, wie Elfenstahl auf Trollknochen knirschte. Madra grunzte vor Schmerz.

Die Elfe trat ein paar Schritte zurück. »Ergib dich!«

Tu es, dachte Nikodemus, aber er kannte Madra bereits lange genug, um zu wissen, dass es töricht war, bei ihm auf Vernunft zu hoffen.

»Meine Linke reicht, dich zu zerquetschen, wenn ich dich zu packen bekomme.«

»Du begehst Verrat an deinem König und Skanga, wenn du dich jetzt einfach umbringen lässt!«, rief Nikodemus aus Leibeskräften, aber ohne allzu viel Hoffnung.

Der Troll presste seine Linke auf die Stichwunde. Dunkles Blut quoll ihm zwischen den Fingern hindurch.

»Ich würde es begrüßen, wenn ihr beide mit mir ins Kobolddorf kämet«, sagte die Elfe milde. »An eurem Tod ist mir nicht gelegen. Ganz im Gegenteil. Mit dir hätte ich sogar Pläne, Madra. Ihr kennt ja den kleinen Fluss beim Dorf. Ein Stück in die Berge hinein gibt es eine Stelle, wo ein steinernes Becken ausgewaschen ist. Ihr kennt den Ort. Dort erwarte ich euch.«

»Du meinst da, wo du mit deinem Beschäler gevögelt hast«, stieß der Troll hervor.

Nikodemus hielt den Atem an. Das war so unnütz. Dieser Idiot!

Die Elfe blieb erstaunlich gelassen. »Ich hätte andere Worte gebraucht, aber ja, ich meine diesen Ort.«

»Dein Blut wird den Fluss hinabfließen und deinem Beschützer zeigen, dass du tot bist.«

Sie nickte. »Wenn du sehr viel Glück hast, vielleicht.« Sie drehte sich um und war kaum einen Herzschlag später in der Dunkelheit verschwunden, so als sei sie nur ein Geist gewesen.

»Feige Elfenschlampe! Ich hätte sie in Stücke gerissen.«

Nikodemus wagte sich aus seiner Deckung. »Ich sollte mir deine Wunde mal ansehen.

Die blutet ja immer noch.«

Der Troll stieß einen unartikulierten Fluch aus, aber er ließ sich vor ihm auf die Knie nieder. Nikodemus hatte keine Lust, seine magischen Fähigkeiten einzusetzen, um Madra zu heilen. Zu heilen hieß immer, den Schmerz mit den Kranken und Verletzten zu teilen. Was diesem Riesentrottel geschehen war, daran war er selbst schuld.

Der Lutin legte seine kleine Hand auf das massige Handgelenk seines Gefährten.

Madra zuckte leicht. »Halt still! Das ist keine Kleinigkeit.« Er schloss die Augen und dachte sich in den Troll hinein, bis er die Muskeln, Sehnen und Adern im Geiste vor sich sah. Er begann den Schmerz zu spüren und wich ihm aus. Das war nicht seine Sache! Ein Knochen war leicht verletzt. Aber keine größere Ader war durchtrennt und auch keine Sehne. Bei einem Stich durchs Handgelenk war dies das reinste Wunder.

War es Zufall? Oder war die Elfe so zielsicher?

Er schlug die Augen auf. »Das wird gut verheilen. Ich sollte es verbinden.«

»Glaubst du, ich kann in ein paar Stunden wieder kämpfen?«

Nikodemus war fassungslos. »Nein. Und das ist dein Glück! Sie könnte dich in kleine Scheiben schneiden. Sie hätte leicht die große Arterie in deinem Handgelenk durchtrennen können, dann würde dein Blut jetzt...«

»Die große was?«

»Die größte Ader!« Nikodemus musste sich beherrschen, um ihm nicht auf den Kopf zuzusagen, dass er ihn für einen Riesentrottel hielt. »Du nimmst jetzt am besten das Amulett, das Skanga dir gegeben hat, und wirfst es von dir, so wie sie befohlen hat.

Mit ihr und einiger Verstärkung können wir die Elfen sicher überwältigen. Allein wird uns das niemals gelingen!«

»Kennt ihr Lutin keine Ehre?«

»Ehre ist etwas für große Krieger wie dich. Bei meiner Körpergröße kann ich mir keine Ehre leisten.«

»Deshalb sind die Lutin ein wanderndes Volk ohne Heimat, und wir Trolle herrschen in Albenmark«, stellte Madra selbstzufrieden fest.

»Leider habe ich kein Verbandszeug«, entgegnete Nikodemus. Er hatte überlegt, etwas von seiner Winterkleidung in Streifen zu reißen. Aber bei genauerer Betrachtung war das entschieden zu nett. »Du solltest die Wunde mit deinen Fingern zudrücken.«

»Mehr kannst du nicht tun?« Madra wirkte jetzt misstrauisch. »Kannst du die Wahrheit nicht vertragen?«

»Die Wahrheit ist, dass ich keinen Verband habe«, entgegnete Nikodemus spitz. »Aber Skanga wird dir sicher helfen können.«

»Die alte Vettel brauche ich nicht. Du machst das! Später. Im Kobolddorf wird es etwas zum Verbinden geben.«

Nikodemus traute seinen Ohren kaum. »Warum?«

»Sie will etwas von uns«, sagte Madra ruhig. »Ich habe sie auf das Schlimmste beleidigt, aber sie hat es einfach übergangen. Ich sage dir, sie will was. Sie braucht uns. Ich werde hinuntergehen und herausfinden, was es ist. Ich werde nett zu ihr sein. Ihr helfen. Und wenn sie mir vertraut, schlage ich ihr den Schädel ein. Wir werden Helden sein, Fuchsgesicht.«

Nikodemus wurde übel. »Du willst da hinunter? Warum hast du sie überhaupt angegriffen, wenn du das willst?«

Der Troll lächelte. »Das musste sein. Sie hätte sonst dem Frieden nicht vertraut.«

Das war verrückt. Völlig verrückt! Was bildete dieser Troll sich ein, wenn er dachte, er könne Emerelle, die Königin der tausend Gesichter, die Meisterin der Täuschung, hereinlegen?

Madra nahm mit der unverletzten Hand seine Keule auf. »Kommst du mit, kleiner Mann? Gehen wir über den Berg.«