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Ein wenig weiter lag ein grauhäutiger Krieger. Zusammengekrümmt. Die Augen nur noch leere Höhlen. Aus seinem klaffenden Mund stiegen Schwärme von Fliegen auf.

Emerelles Hand tastete über Ollowains Hals. Sein Pulsschlag war kaum noch zu spüren. Die gestürzte Königin wandte sich um, so dass sie mit dem Rücken zur Hütte neben ihrem Liebsten kauerte. Sie sah in Gesichter voller Hass und Angst. Die grauhäutigen Kobolde waren zurückgewichen. Einige ältere Krieger, vielleicht ihre Anführer, standen beisammen und tuschelten. Sie wusste, dass die Angreifer sich noch nicht geschlagen geben wollten. Wenn sie sich jetzt mit all ihren Sinnen auf Ollowain konzentrierte, um ihn zu retten, dann würden sie augenblicklich wieder angreifen. Sie spürte das Gift im Körper ihres Liebsten. Spürte, wie es ihn immer schwächer werden ließ. Seine Muskeln lähmte, seine Atmung erschlaffen ließ und dem Herzen den Willen zu schlagen nahm. Es war ein Wunder, dass er noch lebte. Im selben Augenblick, in dem sie das dachte, versiegte sein Puls.

Sie zerriss seine Tunika. Legte beide Hände auf seine Brust und presste, um sein Herz zu zwingen, noch weiterzuschlagen. Tränen der Wut standen ihr in den Au gen. Sie konnte ihn heilen. Sie hatte die Macht, das Gift zu Wasser werden zu lassen.

Doch wenn sie es tat, machte sie sich für vielleicht zweihundert Herzschläge lang völlig wehrlos. Eigentlich war dies keine nennenswerte Zeitspanne. Doch es war mehr als genug Zeit, um zu ihr zu kommen und ihr die Kehle zu durchtrennen, so wie sie es mit Oblon gemacht hatten.

Emerelle hörte das Geräusch spritzenden Wassers. Dann spürte sie den Boden erzittern. Sanft nur. Kaum merklich. Doch sie war nicht die Einzige. Dort, wo die Lücke im Dornenwall war, erhob sich Geschrei. Bewegung kam in die Kobolde. Jene, die sie eben noch wie den Tod gefürchtet hatten, flohen nun in ihre Richtung.

Ein älterer Kobold mit mehrfach gebrochener Nase und einer unförmigen Ledermütze auf dem Kopf warf sich vor ihr auf den Boden. »Wir ergeben uns dir, Herrin. Wir ergeben uns!«

Über dem Dornenwall erschienen Kopf und Schultern Madras. Mit einem Schritt setzte der Troll über die Hecke hinweg.

»Achte auf dieses grauhäutige Pack. Sie geben sich als Trolle aus!« Sie wandte sich an die Kobolde des Dorfes. »Das ist ein wirklicher Troll!« Dann beugte sie sich über Ollowain. Sein Körper setzte dem Gift mehr Widerstand entgegen, als sie erwartet hatte. Fast schien es, als sei er bereits mit Hattah vertraut.

Sie schloss die Augen und reduzierte ihren Atem, bis sie denselben langsamen, stockenden Rhythmus Ollowains fand. Ihre Körper wurden eins in ihren Gedanken.

Sie forschte nach dem Gift. Ihr Schwertmeister litt unter den Nachwirkungen eines Rauschs. Seine Leber war angegriffen. Sie isolierte das Gift in seinem Leib und ließ es über die Schleimhäute seiner Nase mit einer geringen Menge dunklen Blutes austreten.

Als sie sich zurücklehnte, war auch sie ein wenig benommen. Sie hatte seinen Schmerz geteilt und auch seinen Rausch. Seine Gedanken aber hatte sie unberührt gelassen.

Nur verschwommen sah sie das Fuchsgesicht. Nikodemus schien unmittelbar vor ihr zu stehen. Sie wurde sich bewusst, dass sie sich statt der betrügerischen Kobolde nur anderen Feinden ausgeliefert hatte.

Der Kobold zwickte sie leicht in die Nase.

»Willst du dein Leben als Fliege beenden?«, stieß sie mit lallender Stimme hervor.

»Herrin, ich wollte mich nur vergewissern, ob ich etwas für euch tun kann. Mir lag es fern, euch …«

»Such mir den Anführer der falschen Trolle!«

»Jawohl, Herrin. Wie Ihr wünscht.« Er zog sich unter Verbeugungen zurück.

Erschöpft fasste Emerelle nach dem Albenstein, der verborgen unter ihrem Gewand auf ihrer Brust ruhte. Seine warme Kraft belebte sie. Ihr Atem ging regelmäßig. Sie war wieder Herrin all ihrer Sinne, als Nikodemus zurückkehrte. Ihn begleitete der ältere Kobold, der ihr vorhin die Unterwerfung seines Volkes angeboten hatte.

Unterwürfig kniete der Häuptling, oder was immer er war, nieder. »Herrin, nimm den Riesen fort, und bitte zürne uns nicht weiter. Wir unterwerfen uns. Wir wussten nicht, dass Oblon und die Seinen unter eurem Schutz stehen. Es tut uns leid.«

Sie sah müde zu dem toten Schamanen hinüber. »Von diesen Worten hat Oblon sehr wenig. So wie ich es verstehe, lebt dein Volk davon, alle anderen Koboldstämme am Rand des verbrannten Landes zu täuschen und zu Abgaben zu zwingen. Wie ich hörte, verhungern deshalb Kinder und Alte. Ich ... «

»Wir sind Trolle ... «, begann der Alte.

Da war wieder das Feuer in ihrem Blut! Sie versetzte dem Kobold eine Ohrfeige, die ihn von den Beinen riss. »Dies dort ist ein Troll!« Sie deutete zu Madra. »Ihr seid nichts als ein Haufen Schmarotzer! Ihr erschafft nichts.

Ihr lebt einzig auf Kosten anderer. Wusstest du, dass die Drachen dies Land hier an einem einzigen Tag verbrannt haben? Nenn mir eine gute Tat, die ihr für andere begangen habt. Gib mir einen Grund, dich und dein Volk nicht ebenso zu vernichten.«

Sie hatte erwartet, dass der Alte sich winden und um Gnade betteln würde. Stattdessen sah er sie fest an und sagte mit stolzer Stimme: »Du kannst uns nicht töten, weil wir die Traumfänger sind.«

Dem alten Kobold schwoll von ihrem Schlag das linke Auge zu. Blut floss aus seiner Nase und tropfte ihm auf die Brust. Aber er hielt trotz ihrer Drohung unerschütterlich ihrem Blick stand.

»Vernichte das Volk der Trolle, und in wenigen Jahren werden auch alle Kobolddörfer entlang der Wüstengrenzen verwaist sein«, sagte er mit fester Stimme. »Denn dann wird niemand mehr die bösen Träume einfangen, die die Yingiz schicken. Sie werden die Stämme verderben. Wir sind der einzige Schutz der anderen.«

Emerelle war überwältigt von so viel Frechheit. »Das ist ein Troll«, sagte sie kühl und deutete auf Madra.

»Das mag anderswo gelten. Hier sind wir die Trolle!«, entgegnete der Alte. »Frage, wen immer du willst. Was alle glauben, wird Wahrheit, Herrin.«

Das Zeugnis einer alten Liebe

Sie durfte ihr nicht trauen, sagte Birga sich immer und immer wieder. Sie war eine Elfe, allein das war schon Grund genug. Aber Alathaia hatte selbst unter Elfen einen außerordentlich schlechten Ruf. Und ausgerechnet diese Fürstin stellte ihr einfühlsame Fragen. Der Aufstieg zu Emerelles Turmgemach war lang und beschwerlich. Den ganzen Weg über unterhielten sie sich. Und sie sprachen nur von ihr, Birga. Darüber, wie beschwerlich es war, einer blinden und mürrischen Herrin wie Skanga zu dienen. Über aufsässige Kobolde. Über den Makel, den Birga unter ihren bandagierten Händen und der Gesichtsmaske verbarg. Alathaia wusste darum. Die Elfe schien überhaupt fast alles zu wissen. Sie sagte auch, dass sie sich sicher sei, dass Skanga sie nicht mit den Karfunkelsteinen ziehen lassen würde. Nicht bevor das gemeinsame Werk vollendet war. Und sie wusste, dass Skanga sie bei dem Zauber, den sie so unbedingt erlernen wollte, betrügen würde.

Birga sagte nichts dazu. Sie staunte nur, wie gut die Elfe ihre Herrin kannte. War Alathaia so klug, oder war sie am Ende Skanga so ähnlich, dass es ihr leichtfiel, jeden der Schritte der Schamanin im Voraus zu erahnen? Birga fand darauf keine Antwort.

Aber sie fühlte sich wohl in Gegenwart der Elfe. Eigentlich völlig abwegig, dachte sie.

Elfen und Trolle waren nicht füreinander geschaffen. Aber bei Alathaia schien alles anders zu sein.

Als sie endlich Emerelles Gemach erreichten, forderte die Fürstin von Langollion sie auf, einen der Verbände um ihre Hände zu lösen. Lange betrachtete sie die Entstellung.

»Es heißt, Karfunkelsteine besäßen eine heilende Wirkung. Ich werde dir helfen, wenn ich sie gefunden habe.«