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Die Elfe gehorchte und nutzte die Gelegenheit, sich aus nächster Nähe anzusehen, was dort alles lag. Die meisten Dinge würde sie erkennen.

»Was ist das?« Sie deutete auf einen großen Fleischklumpen, der in einer Schüssel lag.

»Das Herz eines Gelgeroks«, entgegnete Skanga knapp, als sei völlig offensichtlich, wozu es diente. Sie wusste, dass es in Langollion keine Gelgeroks mehr gab und Alathaia Schwierigkeiten haben würde, sich ein solches Herz zu verschaffen.

»Wozu dient es?«

»Es ist eines der Lockmittel. Die Yingiz sind Raubtiere. Sie reagieren besonders stark auf Gerüche. Das Herz wird sie aus dem Dunkel locken.«

Die Koboldarmbrustschützen scharrten unruhig mit den Füßen. Wahrscheinlich wusste nicht einer von ihnen, was die Yingiz waren. Aber man musste wahrlich nicht sonderlich klug sein, um auf die Idee zu kommen, dass mit einem blutigen Herzen ein finsterer Zauber gewoben werden sollte.

Es war ein schöner Tag. Der Himmel spannte sich klar und fast wolkenlos über ihnen.

Die verrückten Elfen hatten den Thronsaal ohne ein Dach errichtet. Das helle Mittagslicht bannte alle Schatten. Man würde die Yingiz außergewöhnlich deutlich sehen können.

Skanga hatte ein wenig Sorge wegen des Wassers, das beständig plätschernd die Wände hinablief und das Mauerwerk hinter silbernen Schleiern verbarg. Sein Lärmen könnte die Worte der Macht stören. Sollte sie es darauf ankommen lassen?

Die alte Schamanin ging nun selbst zum Thron. Sie hatte die Zeit, die Alathaia sie hatte warten lassen, dazu genutzt, um ganz besondere Beschwörungskerzen anzufertigen.

Sie hatte unter anderem das Leichenfett einiger Hingerichteter dafür verwendet.

Holzkohle aus dem Stamm eines verbrannten beseelten Baumes gab ihnen ihre schwarze Farbe. Die Dochte waren aus dem Haar einer Elfenjungfer gedreht, die sich erhängt hatte, als sie erfuhr, dass sie einem Trollfürsten zum Weibe gegeben werden sollte. Manche Elfenfamilien waren völlig ohne Skrupel bei den Versuchen, ihre alte Macht zu erhalten.

Aber all diese Zutaten waren nebensächlich. Das Besondere an diesen Kerzen waren die Zauber, die in sie eingewoben waren und die sich entfalten würden, während sie niederbrannten. Es waren nur mindere Zauber, und doch waren sie wichtig, um die Yingiz zu binden und daran zu hindern, den Thronsaal zu verlassen, waren sie erst einmal gerufen. Würde Alathaia versuchen, zu eigenen Zwecken Yingiz zu rufen, um weitere Shi-Handan zu erschaffen, dann würde sie eine unangenehme Überraschung erleben.

Skanga selbst stellte die Kerzen auf. Sie mussten im rechten Abstand zueinander stehen und in den richtigen Winkeln, wenn man gedachte Linien zwischen ihnen zog.

Dadurch würden alle Zauber an Kraft gewinnen. Der Schamanin entging nicht, wie aufmerksam Alathaia jeder ihrer Bewegungen folgte und wie sie gespannt auf jeden Laut lauschte. Doch diesmal half das Geräusch fallenden Wassers! Es erschwerte es der Elfe, zu verstehen. Ja, es übertönte selbst das scharfe Kratzen der harten Kreide auf dem Boden.

Ganz langsam schlich sich eine Veränderung ein. Es war nichts, das man hätte greifen oder auch nur mit einem einzelnen Wort hätte benennen können. Das Licht schien ein wenig blasser zu werden, obwohl keine Wolke vor der Sonne stand. Eine Spannung lag im Thronsaal. Die Vorahnung einer Bluttat.

Madrogs Kobolde waren üble Burschen, die nicht davor zurückschreckten, sich als Meuchler zu verdingen, aber man merkte ihnen deutlich an, dass auch sie begannen, sich zu fürchten. Skanga genoss es. Es war zudem ein wichtiger Bestandteil des Rituals. Der Geruch der Furcht lockte die Yingiz mehr als irgendetwas anderes.

Endlich hatten die Elfe und auch Birga ihre Aufgaben vollendet. Beide schworen, dass ihre Kreise völlig lückenlos waren. »Du weißt, dass die Shi-Handan bösartig sind und dass der Teil von ihnen, den die Yingiz geben, manchmal deine Krieger beherrschen werden.«

Alathaia nickte.

»Aus diesem Grund ist es besser, wenn man immer zweifelsfrei weiß, wen man vor sich hat. Mich interessieren ihre Namen nicht. Aber ich denke, dass sie sicherlich auch zu dir kommen werden, und du solltest dann wissen, wer vor dir steht. Du kennst sie schließlich.«

Ein Hauch von Misstrauen zeigte sich in den Farben von Alathaias Aura.

»Werden sie sich fügen, wenn ich sie nun zeichne?«

Skanga konnte sehen, wie die Elfe mit Neugier und auch Sorge rang, ihr Stolz aber die Oberhand behielt. Bei ihren Kriegern war es anders. Auch in ihren Auren hatte nun Furcht Einzug gehalten.

»Sie werden sich fügen«, sagte die Fürstin mit einer Stimme, der kein Zweifel anzumerken war. Sicherlich konnte man ihn auch nicht an ihrem Gesicht ablesen. Aber niemand, ganz gleich, wie beherrscht er war, vermochte die Farben seiner Auren zu verfälschen. Sie zeigten immer, was einen im Innersten bewegte.

»Nun denn.« Skanga zog das kurze Obsidianmesser aus ihrem Gürtel und weidete sich daran, wie das Entsetzen der Elfen mit jedem Schritt wuchs, um den sie sich näherte.

Sie packte den Vordersten bei den Haaren.

Er hob die Hand, als Krieger gewohnt, sich nicht kampflos aufzugeben.

»Beschäme mich nicht, Elovyn!« Die Worte Alathaias machten ihn fügsam.

»Das in vielerlei Hinsicht Herausragendste sind eure Ohren.« Skanga tastete durch das Haar ihres Opfers, bis sie eines von Elovyns Ohren zu packen bekam. Mit raschem Schnitt trennte sie es ab. »Nun wird der hier auch in Gestalt eines Shi-Handan nicht mehr zu verwechseln sein.«

Sie sah sich nach dem Weib um. Für sie würde es schlimmer sein. Genau das brauchten sie. Skanga packte sie. Sie tastete ihr mit den Fingern über das Gesicht. Die Haut war so unglaublich glatt und zart. »Fürchtest du um deine Ohren, Kleine? Ich müsste dir wohl beide nehmen, um dich unverwechselbar zu machen.«

»Kann man in meiner anderen Gestalt denn nicht erkennen, dass ich eine Frau bin?«

Sie bemühte sich sehr darum, gefasst zu klingen, scheiterte aber.

Alathaia wirkte verärgert. »Ist es unerlässlich, Alyselle zu verstümmeln? Sie ist...«

»Ihr beide seid also sehr um ihre Ohren besorgt? Dann soll sie die behalten!« Mit diesen Worten drückte sie seit lieh auf das linke Auge Alyselles, bis es mit leisem Schmatzen aus seiner Höhle quoll.

Die Elfe schrie auf, während Skanga das Auge umfasste, das an einem dünnen Fleischfädchen herabbaumelte. Die Elfe zuckte erschrocken zurück. Mit dieser Bewegung zerriss sie selbst das Bündel Nervenstränge, an dem ihr Auge noch hing.

Skanga schnippte das Auge achtlos zur Seite. In den Auren der Elfen las sie blanken Hass. Sie musste an Shahondin, den ehrgeizigen Fürsten von Arkadien, denken, dem sie ebenfalls einst ein Auge genommen hatte. Eitelkeit war eine Schwäche, die allen Elfen gemein war. Wenn Schönheit beschädigt wurde, dann waren sie alle gleich jämmerlich!

»Was willst du Valderun antun?« Alathaia war aufgebracht.

Es verwunderte Skanga, dass die Elfe offensichtlich mit ihren Kriegern mitfühlte. Ihr wäre es ganz egal, wenn man einem ihrer Leibwächter ein Auge oder ein Ohr nehmen würde, wenn es darum ging, einen machtvollen Zauber zu weben. Aber so waren sie halt, die Elfen. »Du kannst beruhigt sein. Der dritte ist dadurch gezeichnet, dass ihm nichts fehlt.« Mit einem Lächeln wandte sie sich von der Fürstin ab. »Birga! Überprüfe, ob der Bannkreis um die Elfen unverletzt ist. Und dann tritt mit Alathaia in den roten Kreis.«

Skanga rief ein Wort der Macht. Sie spürte, wie die Albenpfade rings um sie in Bewegung gerieten. Ihre Kraftlinien verzerrten sich. Ein Tor aus gleißendem Licht wuchs aus dem Boden. Es öffnete sich sehr langsam. Die Schamanin musste all ihre Willenskraft aufbieten, um es zwei Handbreit aufzuzwingen.

Die Elfenfürstin hatte sich bereits in den sicheren Bannkreis gerettet. Nur Augenblicke später folgte ihr Birga. Einer der Koboldarmbrustschützen wollte ebenfalls im roten Kreis Schutz suchen. Ein einziges Wort nahm seinen Beinen alle Kraft. Wie mit dem Mosaik auf dem Boden verwachsen, stand er still.

»Aufhören!«, schrie ein anderer Kobold.