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Doch es war aussichtslos. Bei all ihrer Disziplin vermochten auch sie sich nicht willentlich zu ersticken, indem sie ihren Atem anhielten. Sie versuchten es. Es war ihr letzter Kampf. Und sie scheiterten.

Langsam verblassten die Schattengestalten, bis sie schließlich gänzlich verschwunden waren. Die drei Elfen waren zu Boden gesunken. Wie tot lagen sie in ihrem Bannkreis.

Es herrschte eine unheimliche Stille. Die Kälte war nicht gewichen. Birga und Alathaia wagten es nicht, auch nur ein Wort zu sagen. Gebannt blickten sie auf den weißen Kreidekreis.

Plötzlich setzte sich die Elfe, der sie das Auge genommen hatte, mit einem Ruck auf. Es war eine unnatürliche Bewegung. Sie wirkte wie eine Holzpuppe, die man an Fäden zog. Dann begann sie zu schreien. Und das wirkte nicht länger hölzern. Sie fasste sich mit den Händen ans Gesicht und wand sich unter Schmerzen. Skanga konnte nicht sehen, was mit ihr geschah, aber sie hörte es. Obwohl auch die beiden anderen Elfen inzwischen schrien, vernahm sie ganz deutlich ein trockenes, leises Geräusch. Es erinnerte an das Knarren der Äste eines toten Baums, wenn sie sich in schwerem Wind wiegten.

Die Schamanin wusste, was sie jetzt durchlitten. Ihre Leiber verformten sich. Ihnen wuchs eine Schnauze mit Reißzähnen, während ihre Stirn abflachte. Am schlimmsten waren die Veränderungen von Armen und Beinen. Die Elfen verwandelten sich in hagere Hunde. Nur dass diese drahtigen Kreaturen groß wie kleine Pferde waren.

Sie zuckten und wanden sich auf groteske Weise. Krallen brachen aus ihren Fingern.

Aus der Haut spross kurzes Fell. Die drei wurden zu Shi-Handan. Zu Seelenfressern.

Skanga hatte gehört, dass man sie im Fjordland auch Wolfspferde nannte. Sie hatten Auren. Diese hatten sich von den Elfen erhalten. Elf und Yingiz teilten sich nun einen Leib. Und der willensstärkere von beiden würde herrschen. Der andere Teil war ein Gefangener. Ein Zuschauer bei Taten, auf die er keinen Einfluss hatte.

Die Schatten waren nicht mehr körperlos, doch waren sie auch nicht zu Gestalten aus Fleisch und Blut geworden. Blauweißes Licht umspielte sie. Man konnte durch die Shi-Handan hindurchsehen und die gefrorenen Wasserkaskaden entlang der Wände des Thronsaals erkennen.

Die Schamanin wandte sich an Alathaia. »Deine Krieger leben noch. Sie sind ebenso Teil der Shi-Handan wie die Yingiz. Weder Klaue noch Zahn kann sie nun verwunden.

Noch der Silberstahl der Elfen. Doch sollten sie sich vor dem minderwertigen Eisen hüten, das Kobolde und Menschen verwenden. In ihm ist etwas, das sie zu verletzen vermag.«

Die geisterhaften Hunde traten aus dem Kreidekreis. Der Schutzbann hatte keine Macht mehr über sie.

»Nun, Fürstin, gefällt dir, was du siehst?«

»Mir ist gleich, wie sie aussehen. Ob sie mir gefallen, sage ich dir, wenn wir von ihren Taten hören.«

Skanga schnaubte. Sie vermochte ihren Ärger nicht ganz zu verbergen. Alathaia war Zeugin eines der machtvollsten und finstersten Zauber geworden, die man wirken konnte. Und sie tat, als sei das nichts! Die Schamanin war sich sehr wohl bewusst, dass die Elfenfürstin Blutmagie wirkte und manche verachtenswerte Mordtat begangen hatte. Ihr Wirken hatte Spuren in ihrer Aura hinterlassen. Auch war Skanga klar, dass Alathaia hier war, um zu lernen. Aber sehen hieß nicht verstehen. Und selbst verstehen bedeutete nicht, dass diese Elfenschlampe in der Lage war, es ihr gleichzutun. So groß ihre Macht auch sein mochte, sie besaß keinen Albenstein.

Skanga fühlte sich mit einem Mal sehr müde. Die Zauber hatten an ihren Kräften gezehrt. Wie auch der Ärger darüber, dass Alathaia sich weigerte, ihr den nötigen Respekt entgegenzubringen.

»Gib ihr die Karfunkelsteine, Birga. Sie hat ihr Wort gehalten.«

Die Schamanin schlurfte hinüber zum Thron. Ihre Finger tasteten nach den Dingen, die sie für die Shi-Handan bereitgelegt hatte. Zuerst fand sie den Bezug des Stuhls, auf dem Madrog gesessen hatte. »Das hier ist mit dem Geruch eines Kobolds durchtränkt.

Er soll das erste Opfer sein. Er hält sich irgendwo in dieser Burg verborgen. Eine leichte Aufgabe. Wähle einen der Deinen dafür aus. Du kannst jetzt aus deinem Bannkreis treten. Sie werden dir nichts tun!«

Alathaia ging, ohne zu zögern, auf die riesigen Hunde zu. Mutig war sie, das konnte man ihr nicht absprechen. Sie flüsterte mit ihnen. Nannte sie bei ihren Namen. Skanga lächelte. Diese Namen waren nur noch die halbe Wahrheit. Ob ihr das nicht klar war?

Sie wählte denjenigen aus, der ganz ohne Verstümmelung geblieben war.

Die Schamanin warf dem Shi-Handan den Stofffetzen vor. Die Kreatur schnupperte kurz daran. Umkreiste den Kissenbezug und schnupperte erneut. »Du kannst ihn töten und alle, die bei ihm sind. Nur die Lutin musst du verschonen. Das sind die Kobolde, die wie Füchse aussehen. Alle anderen sind dein Fraß. Ein Kobold hat kein starkes Lebenslicht. Aber es sind meistens viele von ihnen beisammen. In dieser Burg gibt es geheime Tunnel und Gewölbe. Dort irgendwo wirst du ihn finden. Nun geh!« Wie ein braver Hund lief der Shi-Handan los, wenngleich er in Wahrheit eine Bestie war. Er lief durch die eisüberzogene Wand und war verschwunden.

»Und Emerelle?« Die Fürstin nahm das Kleid auf, das beim Thron lag. Skanga hörte das leise Rascheln des Stoffs. »Das ist aus ihrem Turm, nicht wahr?« Sie hielt es den beiden verbliebenen Wolfspferden hin. »Sucht Emerelle! Tötet sie! Und alle, die ihr helfen.«

»Sie war zuletzt in Feylanviek«, fügte Skanga hinzu. Der Verstand der Elfen würde die Bestien zu der Stadt im Windland führen. Erneut öffnete die Schamanin den Albenstern.

Die Geisterhunde traten durch das magische Portal. Über die Albenpfade würden sie binnen Augenblicken die Stadt im Norden erreichen. Skanga malte sich aus, was geschehen würde, wenn die beiden Shi-Handan auf dem Marktplatz inmitten der Stadt erscheinen würden.

»Wann werden wir von ihrem Tod erfahren?«

Skanga lächelte. »Das kann niemand sagen. Nur eines ist gewiss. Sie werden nicht ruhen, bevor sie Emerelle gefunden haben. Ganz gleich, ob es ein paar Stunden, einen Mond oder ein Jahr dauert. Sie werden sie finden!«

Hattah

Eine Schmetterlingspuppe hing von einem Stein. Sie sah sie sehr deutlich. Die kleinen Höcker entlang der Nähte, an denen die Puppe bald aufplatzen würde. Das Muster aus dunklen Punkten. Sie hatte fast die Farbe des Steins, von dem sie hing.

Etwas bewegte sich. Emerelle konnte es hören. Da war ein Gleiten. Ein sehr leises, schmatzendes Geräusch. Die Puppe erzitterte. Der Schmetterling rang um seine Geburt in ein neues Leben. Wie vollkommen er sich von der gefräßigen Raupe unterscheiden würde, die er einmal gewesen war.

Ein feiner Spalt klaffte jetzt in der Puppe. Silbern leuchtender Schleim trat aus, und rann träge an der Chitinhülle hinab. Immer heftiger schaukelte das Gefängnis des Schmetterlings. Licht brach aus dem Inneren. Etwas stimmte nicht.

Emerelle trat ein paar Schritt zurück. Jetzt erst wurde sie sich der nächtlichen Umgebung bewusster. Das Hattah vernebelte ihr immer noch die Sinne! Das war kein Stein, von dem die Puppe hing. Es war eine Felswand! Die Puppe war riesig!

Mindestens zehn Schritt lang.

Emerelle zwang sich zur Ruhe. Das war die Droge! Es gab keine so riesigen Schmetterlinge in Albenmark!

Als wäre ein Schleier von ihren Augen gefallen, sah sie jetzt immer klarer. Der Chitinpanzer der Puppe war mit feinem Felsstaub verklebt. Weiter unten lag ein Durcheinander von Felsbrocken in allen Größen. Darüber wogte Staub. Eine Lawine?

Die Puppe war im Fels verborgen gewesen. Im gewachsenen Stein! Was sie für Höcker gehalten hatte, waren Steinklumpen, die noch immer am Gefängnis des Falters klebten.

Verklebte, kaum entfaltete Flügel schoben sich durch den Spalt im schützenden Panzer. Licht troff von ihnen herab. Es wurde kälter.

Ein geschuppter, durchscheinender Schwanz brach hervor. Emerelle wollte fortlaufen und war zugleich so fasziniert von dem Anblick, dass sie sich nicht von der Stelle zu bewegen vermochte. Dann erhob sich der Kopf. Ein mächtiger, gehörnter Drachenkopf, wie sie ihn seit Jahrhunderten nicht einmal mehr in ihren Albträumen gesehen hatte. Weiße Augen mit geschlitzten Pupillen blickten auf sie herab. »Lauf nur! Du kannst mir nicht entkommen.« Er sprach mit angenehmer, dunkler Stimme.