Der Schwarze arbeitete gerade an großen Schautafeln für die Moritatensänger auf den Jahrmärkten. Sie würden von der Geschichte des Aufstands erzählen. Von den großen Heldentaten ganz einfacher Kobolde. Von Männern und Frauen, die in einer anderen Zeit ihr Leben lang missachtete Diener im Schatten der Elfen gewesen waren.
Sie saßen an einem langen Tisch mit einer Marmorplatte. Diese Platte hier hinab in die Höhlengewölbe zu bringen, hatte Tage gedauert. An drei Stellen hatten sie sogar Treppen und gemauerte Tunnel erweitern müssen. Aber Elija hatte sie hier haben wollen.
Die Zeiten, an denen sie auf Steinen um Lagerfeuer hockten, waren vorbei. Der Feld zug war entschieden. Sein Tisch bot zwanzig Kobolden Platz. Und meist reichte das noch nicht. Auch jetzt stand mehr als die Hälfte. Sie waren von überall hergekommen.
Spinnenmänner aus den Mondbergen, Fernhändler aus Feylanviek und Uttika.
Abgesandte einer Lutinsippe aus Manchukett. Sie alle wären in besonderem Maße von den neuen Gesetzen der Trolle betroffen. Elija wusste, dass die Trolle planten, in jede größere Stadt Albenmarks einen Rudelführer mit einer Trollwache zu setzen. Sie sahen nicht einmal, was vor ihren Füßen geschah, und machten Pläne für eine ganze Welt!
Sie wollten umfassender herrschen als die Elfen. Diese hatten niemals überall sein wollen. Die Elfen dachten ganz einfach. Sie nahmen das Beste für sich und überließen den Rest großmütig den anderen Völkern. Elija war überzeugt, dass Emerelle noch niemals in Manchukett gewesen war.
Während die Trolle oben regierten, bauten die Kobolde. Seit dem Tag, an dem sie Burg Elfenlicht besetzt hatten, wurden die bestehenden Tunnel und Gewölbe erweitert. Die Elfen hatten nur daran gedacht, die Kobolde aus ihrem Blickfeld zu halten und ihnen Quartiere zu geben, deren Geruch niemals in ihre feinen Nasen steigen würde. Doch nun entstand eine zweite Burg unter der Burg. Gewissermaßen war sie ein bauliches Spiegelbild der Ereignisse an der Oberfläche. Die Trolle herrschten. Aber es waren meistens Kobolde, die dafür sorgten, dass ihre Pläne Gestalt annahmen. Kein einziger Troll würde einen Schreibkiel in die Hand nehmen, um Skangas Gesetze zu kopieren.
Das war Koboldarbeit! Und weil es so war, würden sich die Machtverhältnisse ändern.
Langsam zwar, aber unausweichlich. Elija entschied, dass es an der Zeit war, auszusprechen, was die Zukunft bringen würde. Bisher hatte er nur mit seinen Kommandanten über diese geheimen Pläne geredet, aber langsam wurde es Zeit, dass auch die Revolutionsbürokraten erfuhren, wohin der Weg führen würde.
»Meine Brüder und Schwestern! Nach reiflicher Überlegung bin ich zu dem Schluss gekommen, dass der Gesetzeskodex der Trolle ganz in unserem Sinne ist. Wie ihr alle wisst, soll er überall in Albenmark Gültigkeit haben. Und er wird sämtliche bestehenden Gesetze außer Kraft setzen.«
Die versammelten Kobolde murrten. Anderan, der Herr der Wasser aus Vahan Calyd, stand auf. Seine grünbraune Haut unterschied ihn von den anderen. Er trug ein Stirnband, um sein strähniges Haar zu bändigen. Das Stirnband war rot. Vielleicht wollte er damit ausdrücken, dass er sich zu den Rotmützen zählte. Als Zugeständnis an das kalte Wetter im Norden hatte der Kobold aus der Region des warmen Waldmeers eine gefütterte Weste angelegt. Sonst war er, abgesehen von seinem Lendenschurz, nackt.
»Bruder Elija, du willst uns doch nicht allen Ernstes vorschlagen, dass wir solchem Unsinn wie der öffentlichen Verspeisung von Wucherern zustimmen sollen. Zumal, wie es scheint, der Begriff Wucher so weit gefasst ist, dass man ihn auf jeden Straßenhändler anwenden kann. Dir ist doch wohl klar, was das für den Handel bedeuten würde. Wenn man nicht mehr auf Gewinne hoffen darf, wer sollte dann das Risiko eingehen, Verluste hinnehmen zu müssen? Der See-und Fernhandel würde völlig zusammenbrechen.«
Zustimmendes Gemurmel begleitete die Worte des Herrn der Wasser. Elija entging nicht, dass die Gesandten aus Manchukett am lautesten waren. Sollte sich da ein Block innerhalb der Rotmützen bilden? Er würde das aufmerksam im Auge behalten!
»Brüder und Schwestern, ich stimme euch von ganzem Herzen zu. Ihr wisst nicht, mit welcher Vehemenz ich unsere Anliegen vor Skanga und König Gilmarak vertreten habe. Aber Worte allein helfen nicht! Ich könnte genauso gut auf einen Granitblock einreden! Trolle verschließen sich jeglicher Vernunft. Hat einer von euch je von einem Troll gehört, der ein Händler war? Sie kennen die Gesetze nicht, die den Handel bestimmen. Und sie ahnen nicht, welche Auswirkungen es haben wird, wenn der Handel zum Erliegen kommt. Nehmt als Beispiel nur die große Snaiwamark-Karawane. Vom Standpunkt eines Händlers betrachtet, ist diese Unternehmung völlig verrückt. Sie verschicken Schätze aus dem Süden zu ihren Höhlenburgen in der Snaiwamark. Und damit sie die Lasten auf Karren statt auf Maultieren transportieren können, wollen sie eine gut befestigte Straße vom Herzland bis zur Schneegrenze in der Snaiwamark bauen. Ich habe versucht, ihnen diesen Unsinn auszureden. Und nun ratet einmal, was Gilmaraks Grund ist, sie zu errichten.
Der Grund, warum Tausende Kobolde eine Straße durch das weite Windland bauen werden.« Er sah herausfordernd in die Runde. Niemand antwortete.
»Die Straße soll gebaut werden, um sich die Arbeit zu ersparen, an der Eisgrenze die Lasten von Maultieren auf Schlitten oder Eissegler umzuladen. Die Wagen, die Gilmarak im Sinn hat, sollen herunterklappbare Kufen haben und einen Mast für ein Segel. An der Eisgrenze wird man die Maultiere ausschirren. Dann werden Trolle und Kobolde die Wagen ziehen, oder sie werden segeln, wenn der Wind richtig steht.«
»Wir haben einen Verrückten auf dem Thron«, empörte sich der Leiter der Gesandtschaft aus Manchukett.
»Nein«, entgegnete Elija lächelnd. »Schlimmer! Einen Troll! Die Snaiwamark-Karawane ist nur eine Narretei. Viel schlimmer ist Gilmaraks Plan, was gemünztes Geld angeht. Er will es abschaffen, weil Trollen die Berührung von verhüttetem Metall unangenehm ist. Er denkt, man könnte gänzlich ohne Geld auskommen, indem man Tauschhandel betreibt.«
Auf einen Augenblick fassungslosen Schweigens folgte ein allgemeiner Tumult.
Gilmarak war vermutlich nicht klar, wie viele über Jahrhunderte angesammelte Vermögen er mit diesem Beschluss vernichten würde. Elija ließ der Versammlung ausreichend Zeit, ihrem Unmut Luft zu machen. Dann hob er beide Arme, um dem Reden ein Ende zu machen.
»Brüder und Schwestern! Wir müssen klar sehen! Die Entmachtung der Elfen war nur ein erster, bedeutender Schritt auf dem Weg in eine bessere Welt. Die Revolution ist noch nicht beendet! Bald wird die Zeit kommen, in der sie ihre Soldaten frisst! Wir alle sehen nun ganz deutlich, dass Trolle großartige Krieger sein mögen, aber zum Herrschen sind sie nicht geboren. Wir sind weit entfernt davon, einen Kampf gegen unsere Verbündeten führen zu können. Wie also werden wir sie los?« Er sah jeden einzelnen der Versammelten an. Die meisten wichen seinem Blick aus. Es war das alte Problem unter Kobolden. Mit dem Mundwerk waren sie schnell dabei. Aber kämpfen wollte im Grunde keiner von ihnen.
»Wir müssen sie gewähren lassen«, fuhr Elija fort.
»Wir sollen tatenlos zusehen?« Wieder war es Anderan, der den Gedanken der meisten Gesandten eine Stimme gab.
»Davon, dass wir tatenlos bleiben, war nicht die Rede. Aber ja, wir müssen zusehen und uns auf eine Zeit nach den Trollen vorbereiten.«
»Warum sollten sie kampflos den Thron aufgeben wollen?«, fragte Anderan.
»Weil sie eigentlich am liebsten in ihren Höhlen in der Snaiwamark sitzen und im ehrlichen Kampf Troll gegen Mammut ihre Erfüllung finden, nicht aber in der Herrschaft über eine ganze Welt. Die Unordnung, die sie anrichten werden, muss ihnen über den Kopf wachsen!