Выбрать главу

»Nein«, entgegnete der Lutin. »Wir alle sind es. Alle Kobolde Albenmarks! Deshalb können sie nicht gewinnen.«

Der lange Marsch

»1. Tag. Ich bin umgeben von Verrückten. Da ist die schlammbedeckte Königin, die aus der Wüste zurückkehrte, nur um gemeinsam mit den Grauhäuten und mit mir erneut in die Einöde zu gehen. Die Grauhäute waren entsetzt, aber sie wagen es nicht, gegen uns zu kämpfen.

Obwohl es mehr als dreihundert sind. Sie sind al esamt verrückt. Sie sind Kobolde! Ein wenig groß gewachsen und sehr schmutzig, aber unbestreitbar Kobolde! Sie selbst aber halten sich alle für Trol e, egal, wen man fragt! Und Madra, der einzige echte Trol weit und breit, geht mit Emerelle, statt sie umzubringen oder wenigstens mit mir zu Skanga zurückzukehren, um zu berichten, wo wir Emerelle gefunden haben. Ollowain ist wohl der Verrückteste vor al en. Vor nicht einmal einem Jahr erinnerte er sich an gar nichts, und er zog als Klaves hinter den dicken Ärschen der Hornschildechsen meiner Sippe her, um deren Scheiße aufzusammeln. Jetzt erinnert er sich auch daran nicht mehr. Er hält sich für jemand ganz anderen! Ich bin der Einzige, der klar denken kann unter all den Irren. Ich bin verloren!

2. Tag. Sie sind zu langsam! Gestern haben wir keine fünfzehn Meilen geschafft. Emerelle glaubt, dass es inmitten der Wüste einige Oasen gibt. Ich weiß es, schließlich war ich schon dort. Und weil ich diese Wüste kenne, weiß ich auch, dass wir viel zu wenig Wasser dabeihaben. Wir alle werden verrecken! Wenn meine Sippe hier wandert, dann tragen die Hornschildechsen für jeden Lutin zehn Ziegenschläuche vol Wasser. Hier gibt es nicht einmal einen Ziegenschlauch mit Wasser für jeden Kopf! (...)

4. Tag. Das Wasser ist fast aufgebraucht. Heute haben wir nicht einmal acht Meilen geschafft.

Den Alten und den Kindern fehlt die Kraft für diese Wanderung. Meine Tinte ist auch ganz dickflüssig geworden. Vielleicht werde ich sie morgen trinken. Ich glaube, ich werde nicht mehr viel in dieses Buch schreiben.

5. Tag. Den ganzen Morgen ist sie hin- und hergelaufen. Dann schließlich hat sie sich einen Wanderstab geholt und ihn in den Boden gestoßen. Wenige Augenblicke später brach Wasser aus dem Sand. Ich hatte vergessen, wer sie war. Alle sind erfüllt von neuer Zuversicht. Am Abend hat sie sich nackt unter die Grauhäute gesetzt und mit feuchtem Lehm einreiben lassen.

Für eine ehemalige Königin benimmt sie sich ziemlich schamlos. Heute haben al e gerastet. Ich sehne mich nach unseren Hornschildechsen. Mit ihnen war das Reisen in der Wüste viel einfacher. (...)

6. Tag. Madra ist seltsam! Der Troll redet mit kaum einem der Grauhäute. Aber er hat mit etlichen der Kinder Freundschaft geschlossen. Wenn es dämmert, wir ein Lager aufschlagen und die Erwachsenen sich auf ihre seltsamen Rituale vorbereiten, kommen die Kinder zu ihm.

Er erlaubt ihnen, auf ihm herumzuklettern, als sei er ein lebender Berg.

7. Tag. Ollowain betrügt! Da bin ich mir ganz sicher. Er verführt immer mehr von den Grauhäuten dazu, mit ihm zu würfeln, sobald wir unser abendliches Lager aufschlagen. Er hat einfach zu viel Glück. Und diese Trottel merken nicht, was er mit ihnen treibt. Nimmt sie einen nach dem anderen aus. Er hat schon ein kleines Vermögen an Türkisen und Opalen gewonnen.

9. Tag. Madra sieht aus, als habe man ihn in kochendes Wasser geworfen. Seine ganze Haut ist verbrannt. An manchen Stel en blutet er sogar. Ich hätte nicht erwartet, dass der Trol als Erster sterben würde. Die Grauhäute halten sich gut, solange sie genug Wasser bekommen.

Auch Olowains Gesicht ist ganz verbrannt. (...) 11. Tag. Madra ist zusammengebrochen. Ich habe versucht, ihm das Amulett abzunehmen, aber Emerelle weicht nicht von seiner Seite. Solange er noch laufen konnte, hat er sie nicht an sich herangelassen. Es scheint, als würde sie ihn retten. Dass ausgerechnet sie einen Trol heilt! Sie ist anders, als ich erwartet hatte. Ohne Zweifel ist sie grausam. Sie zwingt einen ganzen Koboldstamm gegen dessen Wil en in eine neue Heimat. Und dann rettet sie den Trol . Ich verstehe sie nicht! (...)

14. Tag. Seit heute weiß ich, dass wir tot sind! Am Morgen sind wir am Skelett einer Hornschildechse vorbeigekommen. Man konnte noch Malereien an der dem Wind abgewandten Seite des Hornschildes sehen. Sie gehörte nicht zu meiner Sippe. Aber ich weiß, dass man nicht weiter gehen darf, als die Hornschildechsen in die Wüste wandern können. Ganz deutlich erinnere ich mich, dass Meister Gromjan, mein Lehrer, davon erzählt hat. Die Alben haben die Erschaffung der Wüste wohl durchdacht. Es gibt eine bestimmte Menge Wasser, die man tragen kann, behauptete Gromjan. Und die sei bei allen letzten Endes fast gleich. Dass ein Troll mehr tragen kann, bedeutet nichts, denn er trinkt auch mehr. Wer vernünftig ist, der geht nur den halben Weg bis zu dieser Grenze, denn sonst kommt er ja nicht mehr lebend zurück. Wer stur bis zum Ende marschiert, der verdurstet. Wer aber diese Grenze überschreitet, weil er anderen Wasser stiehlt oder wie Emerel e Wasser aus dem Boden sprudeln lässt, wo es keines geben sol te, der kommt an einen Ort, wo die Erde Gift atmet. Dort endet al es Leben. Ich fürchte, Emerelle wil uns dorthin führen. Ich begreife nicht, warum sie alle am Leben erhält, um uns diesem Schicksal auszuliefern. Obwohl ich weiß, wohin die Reise führen wird, kann ich nicht mehr zurück. Mir fehlt das Wasser! Auch die Grauhäute scheinen zu wissen, wohin es geht.

Seit gestern schon sind sie unruhig. Immer wieder versuchen ihre Ältesten mit Emerelle zu reden, doch sie hat ihre Ohren gegen alle Klagen verschlossen. (...)«

Aus: Die Tagebücher des Nikodemus Glops, Band IV, Auf Verbotenen Wegen - meine Reisen mit dem Troll Madra und anderen, s. 43 FF.

Der Unsterbliche

Elodia sah sich eingeschüchtert um. Noch nie war sie in solchen Kammern gewesen. Es war nicht so, wie sie sich die Burg des Königs vorgestellt hatte. Aber was wusste sie auch schon. Ihren Bruder Jean hatten sie weggeführt. Sie waren grob gewesen, aber sie hatten ihn nicht geschlagen. Und sie auch nicht. Keiner hatte sie auf der Reise zum Kö-

nigshof angerührt. Auch das hatte sie so nicht erwartet. Sie wusste ja, als was sie ihnen galt.

»Komm, Mädchen.« Ein Mann mit spitzem Bart und tief liegenden, dunklen Augen führte sie. Er trug ein Gewand, das den Kutten der Tjuredpriester ähnlich war.

Allerdings war es ganz schwarz und augenscheinlich auch aus viel besserem Stoff. Eine Goldkette mit einem wuchtigen Medaillon, das einen Löwenkopf zeigte, wippte bei jedem seiner Schritte auf seiner Brust. Der Mann war sehr groß und sehr dünn.

»Hast du Angst?«, fragte er unvermittelt.

Sie nickte scheu. Sie waren im Inneren einer großen, von Säulen getragenen Halle, an deren Wänden entlang weite Treppen liefen. Sie hatte den Eindruck, dass man diese Halle nur für die Treppe gebaut hatte! Und sie war größer als jedes Haus in Nantour.

Niemand außer ihnen war in der Treppenhalle zu sehen.

Der Mann mit der Löwenkette hatte ihr Nicken nicht bemerkt, aber er deutete ihr Schweigen wohl als Zustimmung. »Du redest am besten nur, wenn er dich etwas fragt.

Mach dir nicht zu viele Sorgen. Du bist ein hübsches Mädchen. Es macht Freude, dich anzusehen. Mädchen wie dich gibt es selbst hier nicht viele. Eines ist jedoch wichtig.

Widersprich ihm nie! Das kann er nicht leiden. Auch wenn er nicht wie die Könige in den Märchen aussieht, er ist der unumschränkte Herrscher Fargons. Sein Wort ist Gesetz. Seien es nun freundliche Worte oder grob gesprochene Befehle.«

Sie nickte. Dann begriff sie, dass er das ja nicht sehen konnte. »Ich habe verstanden.«

Ihre Stimme war ganz rau. Und die Kehle war ihr eng. Sie hatte so viele Dinge über den König gehört. Sie rechnete mit allem. Selbst wenn er den Befehl geben würde, sie zu schlachten, dann würde sie das nicht überraschen. Auch solche Geschichten hatte sie schon gehört. Dass er sich aus dem Hautfett von Jungfrauen eine Salbe fertigen ließ, mit der er sich jeden Tag einrieb und dass er deshalb so unglaublich alt geworden war.