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»Mein Weg endet hier«, sagte der Troll.

»Nein. Das wird schon wieder.« Der Lutin starrte auf die Füße und wusste, dass er Unsinn redete.

Madra versetzte ihm einen Knuff, der ihn fast von den Beinen riss. Nikodemus wusste, dass es freundlich gemeint war, aber er betastete seine Rippen, unsicher, ob keine gebrochen war. »Für einen Fuchsmann bist du ein guter Freund. Ich werde an dich denken, wenn ich sterbe.«

»Du solltest nicht vom Sterben reden. Du bist doch ein Riese. Die sterben nicht so leicht. Nicht an einem bisschen heißem Sand.« Er sah aus den Augenwinkeln, wie mehrere Grauhäute aufgeregt auf Emerelle einredeten und dabei auf Madra zeigten.

»Du bist so groß ... So ...«Er hatte das Gefühl, einen Stein in der Kehle zu haben.

»Flenn mir bitte nicht auf meine Füße!«

Nikodemus boxte gegen das Knie des Trolls. Es fühlte sich an, als habe er gegen einen Fels geschlagen. »Blödmann!«

»Eine gute Rechte. Reicht sicher, um ein altersschwaches Kaninchen umzuhauen.«

Madra hatte noch nie mit ihm gescherzt. Nikodemus hatte gar nicht gewusst, dass Trolle Sinn für Humor hatten. Das machte es nicht besser. Sein Gefährte nahm Abschied.

Emerelle trat zu ihnen. Sie blickte kurz auf Madras Füße. Dann sah sie ihn an. In ihrem lehmbeschmierten Gesicht zeigte sich keinerlei Regung. »Warum hast du das getan?«

»Weil ich zu schwach war.«

»Zu schwach?«

»Ja, zu schwach, einem dummen, kleinen Koboldbalg dabei zuzusehen, wie es an seiner Dummheit verreckt. Nun werde ich mit ihm zusammen sterben.«

Sie sah erneut auf seine Wunden. »An ein paar verbrannten Füßen muss man nicht sterben.«

Der Troll schnitt eine ärgerliche Grimasse. »Nur habe ich mir einen schlechten Platz ausgesucht, um nicht mehr laufen zu können. Und leider sehe ich hier auch niemanden, der in der Lage wäre, mich zu tragen.«

»Darf ich deine Füße berühren?«

»Ich glaub nicht, dass ich es noch spüren werde.«

Emerelle kniete vor ihm nieder. Nikodemus wurde sich bewusst, dass er auf ihre linke Brust starrte, die kaum eine Armlänge entfernt war. Er hüstelte verlegen und wandte sich ab. Ob sie verrückt geworden war, weil sie ihren Thron verloren hatte? Der Lehm auf ihrer Haut war eingetrocknet und von einem Netzwerk feiner Risse durchzogen.

Sie trug nur einen Lendenschurz um die Hüften. Seltsamerweise war der Stoff von makellosem Weiß, obwohl sie sich von Kopf bis Fuß eingeschmiert hatte.

Jetzt erst bemerkte der Lutin, dass sie neben dem Albenstein noch einen zweiten Halsschmuck trug. Zwischen ihren Brüsten ruhte ein weißes Muschelhorn. Es sah genauso aus wie die, die auch Grauhäute trugen. Bei einer Maurawani hätte er sich über so ein Verhalten nicht gewundert. Aber die unnahbare Emerelle in Schmutz gewan det zu sehen, war schon sehr befremdlich. Und so kniete sie vor einem Troll, der vor einem Jahr in den Heerscharen ihrer Feinde gekämpft hatte und behandelte dessen Füße. Die Welt war verrückt geworden! Es war höchste Zeit, dass sein Bruder Elija sie neu ordnete.

Nikodemus dachte an ihre Mission. Sie sollten die Königin finden, um sie ihren Henkern auszuliefern. Er durfte das nicht vergessen! Wenn sie verrückt geworden war, dann war sie nur umso gefährlicher, bei der Macht, die sie besaß! Sie würde seinen Bruder Elija und alle Rotmützen bekämpfen. Allein deshalb schon musste er sie ausliefern.

Madras Füße sahen mit einem Mal besser aus. Sie waren nicht mehr aufgequollen.

Frische Haut war über die Wunden gewachsen. Der Albenstein gab ihr grenzenlose Macht! Sie sprang auf. »Schnell jetzt! Das muss genügen! Ich werde später noch einmal nach deinen Füßen sehen.« Sie winkte mit beiden Armen. »Steht nicht herum und glotzt. Lauft!«

Mit wütenden Worten trieb sie alle an. Dann eilte sie wieder an die Spitze des Zuges.

Einige der Grauhäute murrten leise. Aber niemand wagte es, offen Widerstand zu leisten. Das war im Kleinen genau so, wie es gewesen war, als sie noch auf dem Thron gesessen hatte. Sie traf einsam ihre Entscheidungen und trieb alle an. Verdammte Tyrannin! Sie würde immer so sein!

Nikodemus sah Madra an, dass er immer noch Schmerzen hatte. Und auch das Koboldmädchen, das sie behandelt hatte, lag wimmernd in den Armen seiner Mutter.

Warum hatte sie die beiden nicht vollständig geheilt, wenn sie so große Macht besaß?

Nach einer Weile hatte Nikodemus das Gefühl, dass die Grauhäute schneller gingen.

Keiner sprach mehr. Jetzt hatten sie sich völlig der Willkür der Elfe unterworfen. Er hätte etwas gesagt, wenn seine Zunge nicht dick geschwollen in seinem Mund gelegen hätte. Er hatte Lust, zu rebellieren. Er dachte daran, einfach etwas langsamer zu gehen, statt immer mehr zu hetzen. Aber er befürchtete, dass sie ihn einfach zurücklassen würden, wenn er nicht mit ihnen Schritt hielt.

Sogar Madra beeilte sich. Ein merkwürdiges Geräusch erklang in der Ferne.

Nikodemus hatte so etwas noch nicht gehört. Die anderen gingen noch schneller.

»Was ist los?«

»Der Sand kommt«, flüsterte ein alter Kobold, der sich auf einen Stock stützte. »Der Sand kommt!«

Das war so ziemlich das Verrückteste, was er je gehört hatte, entschied Nikodemus.

Hier war überall Sand. Seit er mit Madra aus dem Albenstern in dieses verfluchte Land getreten war, sah er nichts als Sand und Steine!

Die Grauhäute begannen zu laufen. Emerelle führte sie über die Böschung des Bachs hinweg. Es herrschte helle Panik.

Nikodemus kletterte in aller Ruhe über die Kante aus brüchigem Sand. Die Tafelberge am Horizont waren verschwunden. Graubraune Wolken hingen tief am Himmel. Nein... Sie wälzten über den Boden. Der Lutin brauchte einen Augenblick, um zu begreifen, was er sah.

»Der Sand kommt«, murmelte er schwerfällig mit ausgedorrter Zunge. Ein Sandsturm!

Er hatte davon erzählen hören. Sie konnten tagelang dauern. Der Sand schliff einem das Fell von Gesicht und Rute, dann die Haut. Er würde immer weiter schleifen. Er tötete Hornschildechsen wie Lutin. Nichts war ihm gewachsen, wenn der Sturm lange dauerte. Die einzige Hoffnung, zu überleben, war ein Windschutz.

Emerelle deutete auf die Felsstufe. Hatte sie den Sturm die ganze Zeit kommen gefühlt?

»Lauft!«, rief sie gegen den Wind an, der der Sandwalze vorauseilte. Sie deutete auf eine dunkle Öffnung in den Felsen. »Dorthin! Das ist die einzige Höhle, in der wir alle Platz finden. Lauft!«

Madra packte einige der Koboldkinder. Er nahm sie unter die Arme. Eines saß auf seinem Nacken, so wie Nikodemus es auch schon getan hatte. Mütter kamen herbei gerannt und wollten ihm weitere Kinder bringen. Sieben nahm er mit. Dann stieß er alle anderen zurück und begann zu laufen. Der verdammte Troll ließ sie bald alle hinter sich.

Nikodemus’ Herz schlug wie ein Trommelstock gegen das Gefängnis seiner Rippen. Er lief, wie er noch nie in seinem Leben gelaufen war, die Augen verzweifelt auf die Wand aus wirbelndem Sand gerichtet. Die Höhle war mindestens eine Meile entfernt.

Er wusste, dass sie es nicht schaffen konnten. Nur Madra und die sieben Kinder würden vielleicht entkommen.

Abschied

Kadlin blickte in das Antlitz des Mannes, der einmal ihr Vater gewesen war und den sie doch kaum gekannt hatte. Die Kälte hatte seinen toten Körper vor dem Verfall bewahrt. Seine aufgebrochene Brust war unter seinem Kettenhemd verborgen. Kadlin hatte sich die Wunde angesehen, obwohl sowohl Lambi als auch Melvyn versucht hatten, sie davon abzuhalten. Die ganze Totenfeier über hatte sie an sich gehalten. Jetzt aber ließ sie ihren Tränen freien Lauf. Sie war allein im Grabhügel. Die Fackeln an den Wänden waren fast heruntergebrannt. Alle anderen waren längst gegangen. Schwach hörte sie das Lärmen der Totenfeier in der Königshalle ihres Vaters.

»Werde ich eine gute Herrscherin sein? Ich wünschte, du wärest noch hier. Ich ... « Sie war noch schwach vom Fieber und saß auf der Pritsche des Wagens, auf dem ihr Vater umringt von den Waffen seiner Feinde aufgebahrt lag.