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Madra war schnell! Der verdammte Troll würde das Rennen gewinnen. Daran hatte Falrach nun keinen Zweifel mehr. Er schaffte es nicht, den Vorsprung des Trolls einzuholen. Das würde es ihm leichter machen, dass er all die Türkise zurückgelassen hatte. Sie waren ein verlorener Einsatz. Das geschah auch ihm hin und wieder.

Erneut peitschte ein Staubgeist in sein Gesicht. Der Sand, den er mit sich führte, schnitt Falrach in die Haut. Er spürte, wie die Alte auf seinem Rücken zu rutschen begann.

Fluchend schob er einen Arm hinter seinen Rücken, um sie zu stützen.

Der Felsvorsprung war nicht mehr weit entfernt. Er war höher, als Falrach geschätzt hätte. Bestimmt drei Schritt. Wenn nicht mehr. Ein paar Augenblicke noch! Die Alte auf seinem Rücken rief etwas, aber er verstand in dem Lärm kein Wort. Dann drosch sie mit ihrem Stock auf ihn ein. Hielt die verfluchte Vettel ihn vielleicht für ein Rennpferd?

Er riss den Kopf in den Nacken. Nicht zu schnell. Er wollte ihr nur einen Stoß versetzen. Und da sah er es. Aus der Wand aus wirbelndem Tod löste sich ein mächtiger Staubarm und hielt auf sie zu. Einen Herzschlag lang erstarrte er und gaffte.

Das war unmöglich. Es war gegen die Regeln! Wie konnte ein Teil einer Sturmwand plötzlich schneller werden als der Rest?

Madra traf es zuerst. Der Troll wurde förmlich verschlungen.

So kurz vor der steinernen Stufe zu scheitern, empfand Falrach, als habe das Schicksal mit gezinkten Würfeln gespielt. Er presste die Lippen zusammen und senkte den Kopf in Erwartung dessen, was kommen musste. Zuletzt hatte er sich die Richtung eingeprägt, in die der Höhleneingang lag.

Er hatte sich innerlich gewappnet und glaubte darauf vorbereitet zu sein, wenn die riesige Staubwalze des Sturms ihn verschlang. Er war es nicht!

Schon in dem Augenblick, als der Sturm ihn verschlang, musste er die Augen zukneifen. Und dennoch brannten sie, als sei heißes Salz hineingestreut worden.

Obwohl er den Kopf gesenkt hatte, half es nur wenig. Staub, Sand und feine Steinsplitter waren überall. Sie verstopften seine Nase und verwandelten seinen ohnehin schon trockenen Mund in eine Wüste, die nach Schwefel schmeckte.

Der Sand verstopfte Falrach die Ohren. Das war das einzig Gute! So wurde das unbeschreibliche Heulen des Sturms zu einem dumpfen Dröhnen.

Die Fingernägel des Mädchens gruben sich noch tiefer in sein Fleisch. Die Alte schlug wieder mit ihrem Stock auf ihn ein, dann gab sie es auf. Er konnte nicht schneller. Er musste dem Wind jeden Schritt abtrotzen. Ein heftiger Schlag traf ihn an der Schulter.

Kurz darauf zuckte das Mädchen in seinen Armen zusammen. Der Wind war so stark, dass er kleine Steine aufgewirbelt hatte. Und seine Wut gab ihnen eine Kraft, als seien sie von einer Armbrust abgefeuert worden. Einer schrammte über seine Schläfe hinweg. Falrach war sich sicher, dass die Wunde blutete. Aber Wind und Sand trockneten sie sofort.

Plötzlich ließ die Wut des Sturms ein wenig nach. Benommen taumelte er weiter und schlug gegen ein Hindernis. Die Felsstufe! Noch immer wagte er nicht die Augen zu öffnen, aber seine geschundenen Finger konnten den Fels ertasten. Doch hatte er wirklich den Weg behalten? Als er den Eingang zur Höhle das letzte Mal gesehen hatte, war er genau darauf zugegangen. Er hatte sie also verfehlt! Hatte er sich so sehr gegen den Wind gestemmt, dass er zu weit nach links geraten war? Oder hatte der Druck des Sturmes ihn nach rechts geschoben? Davon, dass er die richtige Antwort fand, hing ihr Leben ab! Er hätte gern eine Münze geworfen. Es gab keine logische Entscheidung, also konnte er sich auch seinem Glück anvertrauen, und zumindest in seinem früheren Leben war sein Glück eine über jede Vernunft hinaus verlässliche Größe gewesen.

Eigentlich gehörte es sich, die beiden anderen an der Entscheidung zu beteiligen.

Schließlich ging es nicht um sein Leben allein. Doch der tosende Sturm machte es un möglich, miteinander zu reden. Also entschied er, wenn das Mädchen sich zuerst regte, würde er links an der Felswand entlanggehen. Bewegte sich hingegen zuerst die Alte, dann ginge es nach rechts.

Er kniete, leicht gegen den Felsen gestützt. Deutlich empfand er nun den Schmerz des wundgescheuerten Fleischs.

Von Sturm gepeinigt, dehnten sich die Augenblicke. Endlich hustete das Mädchen.

Falrach war erleichtert. Hätte er es nicht dem Schicksal überlassen, wäre die Herz-Seite seine Wahl gewesen.

Blind tastete er sich am Fels entlang. Einen Schritt, zwei. Plötzlich verlor er den Halt und stürzte nach vorn. Seine Knie prallten hart auf Stein. Das Mädchen schrie auf.

Etwas packte ihn beim Arm. Er wurde nach vorn gezogen.

»Hast du es also doch geschafft«, erklang Madras kehlige Stimme.

Falrach wurde emporgehoben und ein kurzes Stück getragen. Der Lärm ließ nach.

Noch immer klammerte sich das Mädchen an ihm fest. Er öffnete die Augen. Seine Lider und Wimpern waren so sehr von Sand verklebt, dass er sie sauberreiben musste.

Die Augen brannten. Er vermochte kaum etwas zu sehen. Es war zu dunkel. Schwach konnte er den Umriss des Trolls erkennen. Sie waren in der Höhle! Sie schien groß zu sein. An der Wand vor ihm zeichneten sich regelmäßige, runde Formen ab.

»Wasserkr...« Den Versuch, zu sprechen bezahlte er mit einem Hustenanfall.

»Ja, scheiß Wasserkrüge. Sie müssen sehr alt sein. Obwohl sie verschlossen sind, sind sie trocken. Hab drei eingeschlagen. Die sind trocken wie Hasenköttel.« Mit diesen Worten ging er zu den Kindern, die weiter hinten in der Höhle kauerten. Dort redete er leise auf sie ein. Sie schienen ihm völlig zu vertrauen.

Falrach kämpfte den Husten nieder. Sein Glück hatte sich also erschöpft. Aber er lebte!

Vorsichtig löste er den Griff des Koboldmädchens. Wie es wohl hieß? Er drückte es an sich, um es zu trösten. Sofort krallten sich die kleinen Finger wieder in seine Kleider. Er wiegte es, bis die Angst wich. Schließlich löste die Kleine sich aus seiner Umarmung. Sie streckte einen Arm aus, so dass ihre Fingerspitzen die Höhlenwand berührten, und ging dorthin, wo Madra kauerte.

Falrach hörte leises Kichern. Dann stand der Troll auf und kam zu ihm zurück.

»Du siehst aus, als hätte dich ein Pferd ein paar Meilen durch den Dreck gezogen«, erklärte Madra ihm überflüssigerweise. Falrach verzichtete darauf, dem Troll eine passende Antwort zu geben.

»Bin vor dem Sand hier angekommen«, sagte Madra. »Meine Kleinen sind da vorne.

Kauern alle auf einem Haufen wie ein Wurf junger Welpen.«

»Warum ... « Fairachs Hals und sein Mund waren so trocken, dass der Versuch, zu sprechen, sich anfühlte, als zöge jemand eine schartige Klinge seine Kehle hinauf.

»Weil sie ein bisschen wie mein Volk sind.«

Falrach traute seinen Ohren nicht. Madra war der Letzte, von dem er erwartet hätte, dass er die Lügengeschichten der Grauhäute hinnahm.

»Emerelle hat sie einfach aus ihrer Heimat vertrieben. Ohne Gnade. Ganz wie mein Volk lange vor meiner Geburt. Deshalb haben wir ihr den Thron genommen. Sie soll wissen, wie sich das anfühlt, heimatlos zu sein.«

Der Elf war erstaunt. Er wusste nur sehr wenig über die lange Zeit, die zwischen seinem Tod und dem Wiedererwachen verstrichen war. Er konnte sich nicht vorstellen, dass Emerelle die Trolle ohne Grund gestraft hatte. Aber war es die alte Emerelle, an die er sich da in Gedanken klammerte? Es ließ sich nicht von der Hand weisen, dass sie sich von dem Tag an, an dem sie allein in die Wüste gegangen war, sehr merkwürdig verhielt. Allein schon, sich so nackt unter den Kobolden zu zeigen! Und dass sie ihnen gestattete, sie mit Lehm einzureiben!

Er hatte mehrfach versucht, sie darauf anzusprechen. Aber sie wehrte jedes Gespräch ab. Schließlich hatte er es aufgegeben. Er würde sich ihr gegenüber nicht erniedrigen!

Sie schien den Grauhäuten plötzlich unbegreiflich nahezustehen. Und das, obwohl sie die Kobolde in die Verbannung zwang.