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Madra hatte sich aufgerichtet. Er ging zum Höhleneingang und kehrte mit der Alten auf den Armen zurück. Vorsichtig legte er sie neben Falrach auf den Boden. »Sie hat es nicht geschafft. Ich glaube, der Sand hat sie erstickt. Siehst du? Ihr ist das Tuch von Mund und Nase gerutscht.«

Der Elf fühlte sich, als sei ihm eine große Bleikugel in den Magen gefallen. Er hätte besser auf sie achtgeben müssen! Hatte sie deshalb mit dem Stock auf ihn einge-droschen? War ihr der Mundschutz verrutscht, und sie hatte um Hilfe geschrien?

Er bettete ihr die Hände über die Brust. »Bitte verzeih.« Ihr Gesicht war vom Sand entstellt. Unwillkürlich tastete auch er sich über Stirn und Wangen. Sie waren mit klebrigem Sand überzogen.

»Ja, du siehst nicht mehr so gut aus wie heute Morgen«, sagte Madra, als könne er in seinen Gedanken lesen. Der Troll stand auf.

»Was hast du vor?«

»Ich geh noch einmal hinaus. Vielleicht finde ich noch welche …«

»Du würdest in dem Sturm nicht einmal deine Zehen finden!«

Madra lachte trocken. »Das ist der Fehler mit euch Elfen. Ihr messt immer alle an euch.« Er deutete in Richtung der Kinder. Falrach erkannte die Stachelfrisur seines Mädchens unter ihnen.

»Ich hab ihnen mein letztes Wasser hiergelassen. Sie werden den Sturm überstehen.«

»Es ist nicht klug ... «

Madra winkte ab. »Ich bin doch nur ein Troll, ich muss nicht klug sein. Das ist die Aufgabe von euch Elfen.« Mit diesen Worten trat er durch den Höhleneingang.

Falrach sah zu den Kindern. Es wäre verantwortungslos, sie allein zu lassen! Was für eine wunderbare Ausrede, schalt ihn eine innere Stimme. War es so? War es tatsächlich nur eine Ausrede? Was hätte Ollowain getan?

Falrach ballte die Fäuste. Er sollte aufhören, sich das zu fragen. Er war nicht Ollowain!

Es war völlig ohne Belang, was der Schwertmeister getan hätte! Er war Falrach, der Stratege Emerelles. Die Schwertarbeit hatte er früher anderen überlassen. Er hatte geplant, versucht, alle Unabwägbarkeiten vorauszuahnen. Er war gut darin gewesen.

Tödlich gut ... Jetzt dort hinauszugehen, war die blanke Unvernunft. Wäre das ein Spiel, dann würde er jetzt aussteigen und seinen Gewinn behalten.

Er ging zu den Kindern. Die meisten waren eingeschlafen. Nur ein etwas älterer Junge hielt noch Wacht. »Geht Madra meine Mutter holen?«

Falrach räusperte sich. Er brachte noch immer kein Wort hervor. Also nickte er nur.

»Der Riese ist nett. Er hat mir gesagt, dass ich bestimmt einmal ein großer Trollkrieger werde. Und dass ich auf die anderen aufpassen soll, bis er zurückkommt. Du kannst dich auch schlafen legen. Ich halte Wache.«

Jetzt boten ihm also schon Kinder an, über ihn zu wachen.

»Du siehst nicht gut aus, Riese. Dein ganzes Gesicht ist voller Blut. Bevor sie eingeschlafen ist, hat Ganya mir erzählt, wie schwer du mit dem Sturm gekämpft hast.

Madra hatte mehr Glück. Wir haben die Höhle erreicht, ohne gegen den Sand kämpfen zu müssen. Ich glaube, Madra will dir zeigen, dass er genauso stark ist wie du. Deshalb musste er gehen.«

Falrach atmete schwer aus. Noch immer brannten seine Lungen vom Sand. Hatte der Junge Recht? War Madra der Beschämte?

»Ich ... muss ... gehen«, krächzte der Elf unter Mühen.

Der Junge nickte ernst. »Madra hat gesagt, dass du ihm helfen würdest.«

Verdammter Troll! War Madra denn ein Hellseher? Er sollte ihn zum Würfeln herausfordern, wenn das alles hier vorbei war. Das würde sicher ein interessantes Spiel.

Ein wenig benommen wankte er zum Eingang der Höhle und blickte hinaus. Der Sturm hing wie eine dichte, braune Wolldecke, die fast alles Licht verschluckte, vor der Öffnung im Fels. Dort hinauszugehen, war verrückt. Er musste diesem Troll nicht beweisen, dass er genauso tapfer war wie er.

Falrach zog sein Halstuch vor Mund und Nase. Er musste nur sich selbst etwas beweisen. Vielleicht auch Emerelle. Der Wind würde ihm diese dummen Gedanken aus dem Kopf pusten.

Der Elf atmete noch einmal tief durch, dann trat er hinaus. Tausend winzige Hände schienen auf ihn einzuschlagen und zu versuchen, ihm die Kleider vom Leib zu reißen.

Mit dem Wind im Rücken kam er besser voran. Er konnte laufen! Ein Hochgefühl überkam ihn. Es schien, als werde er wie von Flügeln getragen. Er würde dem Sturm einfach davonlaufen! Fast hätte er vor Freude aufgejauchzt, doch so viel klarer Verstand war ihm dann doch noch geblieben, dass er nicht mitten in einem Sandsturm den Mund aufmachte.

Etwas riss ihm die Beine weg. Ein jäher, stechender Schmerz fuhr durch seinen linken Fuß. Der Wind trug ihn noch im Sturz ein Stück weiter. Er streckte die Arme vor.

Plötzlich schien alles unnatürlich langsam zu geschehen. Er bereitete sich auf den Sturz vor, als eine Bö ihn wie ein Fausthieb in den Rücken traf und zu Boden schleuderte.

Sein Kopf schlug gegen etwas Hartes. Gleißende Lichtpunkte löschten das wogende Braun des Sandsturms.

Er war nicht bewusstlos. Es war eher ein Zustand wie morgens, wenn man nicht mehr schläft, aber auch noch nicht den Willen aufbringt, sich von seinem Lager zu erheben. Er spürte, wie der Sand ihn zudeckte. Es war eine weiche, warme Decke.

Drachen Atem

Nikodemus nahm es Madra übel, dass der Troll all die Kinder, aber nicht ihn mitgenommen hatte. Sie waren doch Gefährten. Als auch noch der Elf davongelaufen war, hatte der Lutin sein Bestes gegeben, den beiden zu folgen. Aber es war aussichtslos gewesen. Er hatte einfach zu kurze Beine. Tod durch kurze Beine, dachte er grimmig. Irgendwie hatte er sich sein Ableben anders vorgestellt. Nein, das stimmte nicht. Bis jetzt hatte er sich noch nie viele Gedanken über sein Ableben gemacht.

Er blickte auf die braune Wand, die ihnen entgegenstürmte. Plötzlich streckte sie einen Arm vor und verschlang den Elfen. Nikodemus war völlig perplex. Stürme taten so etwas nicht! Er war sogar stehen geblieben.

Emerelle rief etwas. Ihre Stimme ging im Sturm fast unter. Er hatte nicht darauf geachtet. Er starrte nur auf die Wand, die vorrückte und den Fangarm wieder in sich aufgenommen hatte.

»Komm!« Ein älterer Kobold mit einer merkwürdigen Ledermütze packte ihn und zerrte ihn mit sich mit. »Hast du denn nicht gehört? Wir sollen uns dicht um sie scharen!«

Willig ließ sich der Lutin führen. Die Elfe hatte ihre Arme über den Kopf erhoben. Ihre Handflächen waren aufeinandergepresst. Ein Lederriemchen hing dazwischen hinab.

Nikodemus wusste, dass sie als die wohl mächtigste Zauberin Albenmarks galt. Aber vor der Sturmwand, die den ganzen Horizont ausfüllte, wirkte sie lächerlich winzig und zerbrechlich.

Diesmal lösten sich gleich zwei Fangarme. Nikodemus suchte nach einer Erklärung, wie das möglich war. Gab es im Wind vielleicht Strömungen wie im Wasser? Wehte er an manchen Stellen heftiger? Das konnte sein, es war ein ganz natürliches Phänomen.

Nur dass die Arme genau nach ihnen griffen und es auf der viele Meilen weiten Sturmwand nicht noch mehr dieser Strömungstentakel gab, war schon merkwürdig.

Aber merkwürdige Zufälle geschahen!

Warum hatte er sich eigentlich nicht in einen Falken verwandelt? Der Lutin stöhnte auf. Was für ein Idiot er doch war! Der Schrecken hatte ihm den Verstand gelähmt!

Jetzt war es zu spät. Der Gewalt des Windes würde er nicht mehr entkommen können.

Dobon, der alte Kobold mit der Ledermütze, legte ihm eine Hand auf die Schulter. Er hatte den Seufzer offensichtlich als ein Sich-Ergeben in den unausweichlichen Tod verstanden. »Ich hatte sie gewarnt.«

Obwohl er nur leise sprach, verstand Nikodemus ihn ganz klar. Der Lärm des Sturmes war fast völlig verebbt. Sicher gab es auch dafür eine natürliche Erklärung!

»Der Jadegarten gehört den Drachen. Sie wollen nicht, dass andere ihn betreten. Sie haben ihn geschützt!«

So ein hirnverbrannter Unsinn! Es gab keine Drachen mehr. Die Staubwand war jetzt nur noch fünfzig Schritt entfernt.

»Das ist kein Sturm. Das ist der Drachenatem.«