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Den Hünen so hilflos schlotternd zwischen den Kindern liegen zu sehen, berührte Nikodemus zutiefst. Er räusperte sich, um sein Schniefen zu überspielen.

»Tut das schlimm weh?«, fragte ihn ein kleines Mädchen mit zu Stacheln gedrehten Haaren.

Wieder räusperte er sich. »Er ist ein harter Bursche. Er hält viel aus.«

Nikodemus sah die neue Hoffnung in den Gesichtern der Kinder. Er verfluchte sich.

Was war er nur für ein Idiot!

Das Mädchen beugte sich zu Madras Kopf. »Hast du gehört? Der Drachenreiter sagt, es wird wieder gut.«

Wie konnte er das zurücknehmen? »Ich ... « Der Junge, der die Salbe auftrug, sah ihn finster an. Zumindest ihm war klar, dass hier nichts mehr gut würde.

»Er sagt etwas!«, rief das Mädchen aufgeregt.

Sofort war Nikodemus wieder über seinen Lippen. Madras Atem war kaum noch zu spüren. Aber er versuchte tatsächlich noch etwas zu sagen. »Tus ... « Was sollte das heißen?

»Tus ... « Er bäumte sich leicht auf. Einige der kleineren Kinder wichen zurück.

»Tusni…!«

Der ältere Koboldjunge hatte damit begonnen, die Lederriemchen der Amulette zu durchtrennen. Einige waren mit dem geronnenen Blut auf den Wunden verklebt.

Madras Atem ging schneller. Er begriff wohl, dass es ihm einfach nicht gelang, sich verständlich zu machen. Was war ihm so wichtig, dass er seine letzten Kräfte dafür gab?

Nikodemus sah, wie der Junge das Knochenamulett mit den Federschnitzereien löste.

Madras Blut hob die eingekerbten Linien rotbraun hervor.

»Das gehört mir«, sagte Nikodemus hastig.

Der junge Kobold sah ihn finster an. »Natürlich, darum trägt er es ja auch.«

»Ich habe es ihm geliehen.«

Der Junge hielt es in der flachen Hand und strich mit den Fingerspitzen darüber. »Es ist von Magie durchdrungen. Viel stärker als die anderen Amulette.« Seine Stimme klang jetzt ehrfürchtig. »Es ist...«

».. meins! Her damit.«

Der Koboldjunge wirkte jetzt eher trotzig als finster. Es war unübersehbar, dass das Amulett ihm Angst machte. Nikodemus steckte fordernd die Hand über die breite Trollbrust.

»Schnapp!«

»Nicht!« Es war zu spät. Der kleine Drecksack wollte lässig sein. Er warf ihm das Amulett zu. Es segelte ein kleines Stück durch die Luft. Ein Kranz goldenen Lichts bildete sich um den Knochen. Dann war er verschwunden. »Tusni«, röchelte Madra.

Und jetzt, da es zu spät war, begriff Nikodemus endlich. Tusni ... Tu es nicht! Das war es, was er meinte. Tu es nicht!

Von pluralistischen Interessengruppen und anderen Wortschätzen

»Ich habe hiermit die Probleme dargelegt, die zu erwarten sind. Und ich versichere, meine Brüder und Schwestern werden mit äußerster Bestürzung auf die neuen Gesetze reagieren«, endete die Rede Elijas.

Im Thronsaal von Burg Elfenlicht herrschte einige Augenblicke lang Schweigen. Der Lutin hatte über eine Stunde geredet und die Mehrzahl der anwesenden Würdenträger aus den Reihen der Trolle war eingeschlafen. Die Kobolde aber waren hellwach. An den Farben ihrer Auren war unübersehbar, dass er ihnen aus den Herzen gesprochen hatte. Eins jedoch machte Skanga stutzig. Obwohl er sich sehr ausführlich über die zahllosen Nachteile der Gesetze ausgelassen hatte, hatte Elija nicht ein einziges Mal gefordert, dass sie nicht in Kraft treten dürften. Wer ihn nicht kannte, hätte argwöhnen können, dass es ihm genügte, Andeutungen zu machen oder dass er sich gar mit der Unaufhaltsamkeit der neuen Gesetzgebung abgefunden hätte. Aber daran glaubte die Schamanin keinen Augenblick. Etwas an den Gesetzen gefiel ihm. Sonst hätte er ganz anders vom Leder gezogen.

Skanga war sich unschlüssig, ob sie dem nachgehen sollte. Aus ihrer Sicht war es erstrebenswert, dass diese Dinge geregelt waren. So würde die Herrschaft der Trolle auf festeren Füßen stehen.

»Mein lieber Bruder Elija ...«

Skanga zuckte innerlich zusammen, als sie Gilmarak so reden hörte. Sie hatte gehofft, die ausgedehnten Jagdausflüge hätten ihn dieses Koboldgewäsch wieder vergessen lassen.

».. ich habe mir wiederholt aus deinen Schriften vorlesen lassen, und in Kobolde zum Lichte empor forderst du selbst die Umverteilung der Besitztümer von den wenigen Reichen auf die Unzahl armer Koboldlohnarbeiter. Genau dies wird stattfinden, wenn diese Gesetze in Kraft treten.«

Elija war sichtlich überrascht, dass der junge König seine Schriften nicht nur kannte, sondern auch noch nachreden konnte. Skanga hatte dazu gemischte Gefühle. Dass Elija mit seinen eigenen Waffen attackiert wurde, amüsierte sie, doch dass Gilmarak so tief in die Sichtweise der Kobolde eintauchte, empfand sie als bedenklich. Es war nicht die Aufgabe eines Trollkönigs, verquere Koboldgedanken zu verstehen!

»Ich meinte damit vor allem über Jahrhunderte ohne eigener Hände Arbeit angehäuftes Vermögen, wie es sich im Besitz der Fürstenhäuser der Elfen befindet.

Wenn ein Kaufmann unter hohem Risiko Gewinne erwirtschaftet, dann ist dies durchaus statthaft. Kennst du einen Elfengoldschmied, der das Gold, mit dem er arbeitet, selbst dem Fels abgerungen hätte?«

»Ich kenne auch keinen Koboldkaufmann, der den Weizen, den er mit Gewinn verkauft, im Schweiße seines Angesichts geerntet hätte«, entgegnete der König.

Skanga klopfte Gilmarak auf die Schulter. Das hatte er prima gemacht, aber nun war es genug. Die Schamanin stand unmittelbar hinter dem Thron und hatte einen guten Blick auf die Versammlung im Saal. Es waren weit über zweihundert Kobolde dort, Vertreter aller großen Städte und Handelshäuser. Die Kobolde wurden sichtlich unruhig, als ihr Sprecher von einem dummen Troll in Schwierigkeiten gebracht wurde.

»Du hast die komplexe Dialektik der sozial akzeptablen Distribution eines fluktuierenden Privatkapitals unter Berücksichtigung pluralistischer Interessengruppen noch nicht in all ihren Spielarten erfasst, Bruder Gilmarak. Mit großer Freude stelle ich indes fest, dass du meine Schriften derart aufmerksam liest.

Wir sollten die Anwesenden jedoch nicht mit Debatten auf solch gehobener Verständ-nisebene langweilen.«

Gilmarak wollte noch etwas antworten, aber Skanga war der Meinung, dass genug Unsinn geredet worden sei, und zwickte dem König in die Schulter. Deutlich spürte sie seinen Unwillen, doch der König fügte sich. »Ich nehme dich beim Wort und werde alle Einwände noch einmal bedenken. In einer Woche werde ich den Anwesenden verkünden, zu welchem Schluss ich in Bezug auf die neuen Gesetze gekommen bin. Ich möchte alle hier Versammelten warnen, sich zu große Hoffnungen auf Änderungen zu machen, denn eine Vereinheitlichung und Vereinfachung der vorhandenen Gesetzeswerke halte ich nach wie vor für erstrebenswert. Kommen wir nun zum Nächsten. Ich bitte um Bericht über die Fortschritte beim Entwurf der von mir in Auftrag gegebenen Steppenschiffe. Wer ...«

Skanga blickte zu den Trollherzögen und Rudelführern, die sich ungeniert auf dem Boden des Thronsaals zu einem Verdauungsschlaf ausgestreckt hatten. Die meisten von ihnen würden bald große Städte oder Provinzen regieren. Auch wenn sie die neuen Ideen und den sich ändernden Wortschatz Gilmaraks bedenklich fand, wünschte sie sich doch, dass diese Elite des neuen Königreichs der Trolle zumindest ein Fünkchen der Begeisterung ihres Herrschers aufbringen würde. Vielleicht sollte sie…

Ein kleiner Lichtpunkt leuchtete dicht neben dem Thron auf. Etwas fiel klackernd auf den steinernen Boden. Gilmarak lauschte zu gebannt den Ausführungen eines Koboldbaumeisters, um etwas zu bemerken. Aber Birga streckte gerade ihren Fuß aus, um ihn auf dieses von Magie durchdrungene Ding zu setzen, das da aus dem Nichts erschienen war.

»Gib es mir«, raunte Skanga ihrer Schülerin zu.

Birgas Aura durchflutete das lichte Blau jähen Schreckens. Ertappt streckte sie die Hand aus.

Sobald Skanga das kleine Amulett berührte, erkannte sie es wieder. Und sie spürte das Blut darauf. Emerelle war also gefunden! Aber wie pfiff man Shi-Handan zurück? Die Geisterhunde waren auf der Jagd nach der Königin und nach dem Anführer der Spinnenmänner. Es war unmöglich, einzuschätzen, wo sie sich aufhielten.